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Zuschrift zum Artikel “Über das Müssen”

Von Antje Schrupp

Diese Zuschrift bezieht sich auf den Artikel “Über das Müssen” von Antje Schrupp.

Tja, und ganz spannend wird es dann unter Umständen mit Frauen wie mir, die durchaus AUCH mal kein Problem mit einer etwas unsauberen Wohnung haben und wenn es Ihnen zu viel wird den Partner vor die Tatsache stellen: Ich putze jetzt nochmals alles durch – ein letztes Mal – und dann erst wieder, wenn Du selbige Stelle ebenfalls einmal geputzt hast … ich habe einige Wochen zu den Mahlzeiten genau ein Mal Geschirr und Besteck gesäubert, sowie die gerade nur für mich benötigten Kochuntensilien und es nach Gebrauch wieder zu dem anderen Dreckkram gestellt. Mit der Waschmaschine habe ich gewartet, bis ich genug eigene Wäsche zusammenhatte, statt für ihn mitzubuckeln und der Einkauf war eher die Akutjagd bei temporären Hungergefühlen … Schnell ist es ihm zu blöd geworden und mir der Ärger mit ihm deswegen, weil ich ihm nicht die Mama ersetze. Seither wohne ich glücklich alleine und habe sehr, sehr wenig Hausarbeit, was ich sehr, sehr mag.

Anderes Beispiel: Hochschule – ein um sechs Jahre jüngerer Kommilitone, der sich vermutlich für besonders begehrenswert hält, kommt auf mich zu und fragt herausfordernd bis fast schon angreifend-fordernd, ob ich nicht auch mal Lust hätte, in der studentischen Gemeinschaftsküche Abwasch und Aufräumen zu übernehmen. Ihn habe ich dabei noch nicht gesehen! Meine Antwort: Ja, und zwar dann, wenn, seit ich an dieser Hochschule studiere, eine Bilanz von 50:50 = männlich:weiblich putzend, spülend, aufräumend erreicht ist. An der eindeutig stereotypen Verteilung dieser Arbeiten (wochenweise Eintragliste über der Spüle) hat sich seither nichts geändert und die Hälfte meines Studienganges ist dort bereits beendet. Ein Semester ist Praxissemester, in welchem ich eh nichts beobachten kann, ergo haben heute die Männer schon gar keine Chance mehr, ihren Geschlechterrückstand aufzuholen und für mich ist klar, es reicht mir, meinen eigenen Haushalt zu versorgen, weil ich stereotypes Verhalten und insbesondere die gesellschaftliche Verpflichtung, solchen Bildern nachzukommen, eh ablehne.

Dies gilt übrigens für den ganzen Care- sowie ehrenamtlichen Bereich, was nicht bedeutet, dass ich hier nichts tue, aber eben sehr genu auswähle, was, warum und in welchem Umfang und zu welchen Konditionen. Gerne möchte ich mal eine eigene Familie gründen – ein bis zwei vielleicht auch drei Akademikerkinder in die Welt setzen – aber ich bin nicht bereit, auf meinen Vollzeitjob und die Karriere zu verzichten oder mehr als maximal die Hälfte der Erziehungs- und Hausarbeit zu erledigen und dann noch eine geringere Rente zu haben als der Partner. Daher heißt es für mich erst einmal weit genug kommen in der Karriere, dass ich mir erlauben kann, mich in einen Mann als Vater meiner Kinder zu verlieben, der etwas unter mir verdient und am besten mit der Erziehung und Versorgung von Babies und Kleinkindern mehr Kompetenzen und Erfahrungen hat als ich und diese die ersten Jahre übernimmt. Ein Erzieher oder Kindergärtner wäre optimal. Unterhalb von mindestens Grundschulalter fange ich nämlich mit den lieben Kleinen nicht so viel an, da ich sehr viel über Sprache und analysierendes Denken mache, was in dem Alter so noch nicht geht und fühle mich auch recht schnell genervt und gestresst von dem Chaos von den jüngeren Kids. Bei bestimmten Gerüchen hänge ich sehr schnell über der Schüssel – Windeln wechseln ist also sicher nicht meines, wenn ich nicht innerhalb kürzester Zeit von Löchern zerfressene Zähne haben möchte (Magensäure).

Aber woher soll ich denn als angehende Akademikerin auch den Umgang mit kleinen Kindern können? Da bin ich auf auch keinem anderen Stand, als die männlichen Studenten in meinen Seminaren – wenn die vielleicht um einige Jahre jüngere Geschwister haben, haben sie sicher mehr Kompetenzen dafür … Ach ja, und dann ist da noch eine Tatsache wie die Wahrscheinlichkeitszunahme von Harninkontinenz durch die – insbesondere erste – Schwangerschaft und Geburt. Darauf habe ich ganz offen gestanden nicht die geringste Lust, ich finde es widerlich, eklig, möchte es in jedem Fall vermeiden. Daher ist ohnehin die Frage: Wenn Kinder und Familie, ob dann nicht eher Adoption? Dafür muss das Berufliche ohnehin erst stimmen und ältere Kinder haben viel schlechtere Chancen, als Kleinkinder – so gesehen sicher auch nicht die schlechteste Konstellation gesamtgesellschaftlich gesehen. Und das Kind/der/die Jugendliche hat die Möglichkeit, bei der Auswahl der Eltern ein Wörtchen mitzureden, was  sicher die Wenigsten von uns haben …

Tja – lang gewordene Überlegungen, bei welchem mein Hefeweizen (hui, wieder ein männliches Stereotyp?) warm geworden ist … Da ich morgen früh zu meinem Nebenjob raus muss: Alles, alles Gute Ihnen und  machen Sie weiter so, ich komme jedesmal ganz klasse in’s Reflektieren und Nachdenken. (Vielleicht ist das wieder etwas typisch weibliches an mir – bei den Herren der Schöpfung habe ich oft das Gefühl, da wird eher einfach im Hier und Jetzt und drauflos gelebt. Doch vielleicht täusche ich mich da auch in “den” Männern …)

Viele Grüße, Claudia M.

Autorin: Antje Schrupp
Redakteurin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 09.10.2008

Kommentare zu diesem Beitrag

  • Ina Praetorius sagt:

    Jugendlichkeit im Übermass

    Dieser Text ist ja geradezu aufreizend jugendlich. Ok, in dem Alter (25?) habe ich auch so geredet. Vielleicht regt mich dieser Jargon ja deshalb so auf? Jugendlichkeit in allen Ehren, aber einigem gehört einfach widersprochen: Inkontinenz ist nicht das grösste aller Übel. Kinder sind mehr als eklig scheissende Biographiebausteine. Und Männer führen sich zwar tatsächlich oft eigenartig auf, aber sie sind dennoch, wie Frauen, in erster Linie Individuen und nicht stromlinienförmige Kindergärtner. Hast Du, liebe Claudia, den Text von Antje überhaupt gelesen? Mich würde interessieren, was Du von ihrer These hältst, “Müssen” habe etwas mit der Schwerkraft des Notwendigen zu tun und sperre sich gegen systemkonforme Selbstinszenierungen.

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