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Lesbische Geschichte erinnern

Von Britta Erlemann

Dieses Buch regt sicher an zum Dialog zwischen den Generationen: „Irgendwo auf der Welt fängt mein Weg zum Himmel an“ ist der Titel des neuen Lesbenromans von Veneda Mühlenbrink. Der Inhalt: „Seit die Schriftstellerin Valerie ohne ihre Freundin Irina lebt, ist sie mit der Sinnkrise liiert. Eine neue Liebe lässt auf sich warten, aber immerhin begegnet ihr ein spannender Romanstoff – ausgerechnet im Altersheim. Denn dort trifft Valerie auf Luise. Die ist weit über neunzig, aber hellwach und so jung geblieben wie ihre Gefühle. Und sie hat eine ganze Menge zu erzählen – von vergangenen Zeiten, in denen Frauenliebe frei gelebt und wenige Jahre später politisch verfolgt wurde. Valerie beginnt Luises Leben aufzuzeichnen, während die alte Frau neugierig die Verhältnisse zwischen Valerie und ihren Freundinnen erkundet. So mischen sich die Welten der beiden unterschiedlichen Frauen im Tanz durch die Zeit.“ (Verlagsinfo)

Der tiefgründige und dicht gesponnene Roman liest sich flüssig und ist spannend.  Mühlenbrink thematisiert unter anderem natürlich die Zeit im Dritten Reich, aber auch das Leben in Rumänien unter dem Diktator Nicolae Ceaușescu. Die historischen Hintergründe wirken gut recherchiert. Mit den Erzähltempi Präsenz und Imperfekt kontrastiert die Autorin die reale Erzählzeit mit der Geschichte Luises. Beides ist geschickt miteinander verbunden. Die Charaktere haben ihre Ecken und Kanten – auch die beiden Hauptfiguren Valerie und Luise. So verleugnet Luise Valerie vor ihrer Geburtstagsgesellschaft, um sich nicht als Lesbe zu outen. Nichtsdestotrotz sind die beiden Protagonistinnen sympathisch. Interessant auch, wie sich die Beziehung zwischen Valerie und Luise entwickelt. Das führt sogar zu einer Intimität, dass die Jüngere der Älteren auf deren Bitten hin von einem sexuellen Erlebnis mit ihrer Geliebten erzählt. Der Titel des Buches wirkt aufgrund seiner Länge etwas sperrig, lässt sich aber gut mit dem Ausgang des Romans verbinden. Kleine Schwäche: Ob die zwei eher zufälligen Wiedersehen zwischen Luise und ihrer Herzdame Emilie, nachdem die beiden sich verloren hatten, wahrscheinlich oder doch konstruiert wirken, bleibe jeder Leserin selbst überlassen. Insgesamt und in jedem Fall ein sehr lesenswertes Buch, das zeigt, wie wichtig es ist, Geschichte zu erinnern, offenzulegen und zu erfragen.

Zur Autorin: Veneda Mühlenbrinks Weg führte durch bodenständige Schreibwerkstätten, beflügelnde Lesezirkel und zerfleischende Salonabende. Mit ihren Romanen »Connys Reise« (2001) und »Caldera« (2002, beide Helmer) etablierte sie sich als Autorin. Nach literarischen Ausflügen in die Antike arbeitete sie an dem nun vorliegenden Roman. Die Schriftstellerin wohnt in Berlin und in der Nähe von Hannover.

Veneda Mühlenbrink: Irgendwo auf der Welt fängt mein Weg zum Himmel an, Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach/Taunus 2010, 282 Seiten, 14,90 €.

Autorin: Britta Erlemann
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 08.12.2010
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