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Rubrik erzählen

Der verhexte Liebesbrief (eine Erzählung)

Von Britta Erlemann

Foto: Focus - Fotolia.com

Als ich den Liebesbrief gerade zu Ende geschrieben hatte, verschwanden plötzlich die Buchstaben darin: Die blaue Tinte verblasste vor meinen Augen, bis ich sie gar nicht mehr erkennen konnte. „Was soll das denn jetzt?“, rief ich wütend aus. Und: „Hallo Wörter, wo seid Ihr?“

Es kam natürlich keine Antwort. Ich strich mit der flachen Hand über das Papier. War es vielleicht mit einer geheimnisvollen Flüssigkeit durchtränkt und fühlte sich irgendwie wellig an? Nein, alles normal. „Was mache ich jetzt?“ Der Brief hatte mich so viel Hirnschmalz gekostet. Ich hatte so viel Herzblut  hineingegossen. Und jetzt? Alles weg. „Das darf doch nicht wahr sein!“

Von einer irrwitzigen Idee getrieben, schaute ich unter den Schreibtisch, hob den Teppich an, blickte hinter die Sofakissen, ließ meinen Blick prüfend über das Bücherregal schweifen. Keine Buchstaben! Sie hatten sich, scheint´s, einfach aufgelöst. „Was sollte mir das jetzt sagen? – Dass ich den Liebesbrief besser nicht hätte schreiben sollen? Sollte mich dieses seltsame Verschwinden vor einem Irrtum bewahren, vor einer Verletzung? Aber nein, so intelligent konnte Tinte doch nicht sein.“

Verzweifelt schüttelte ich den Kopf. Mir war zum Heulen zumute, und ein dicker Kloß drückte in meinem Hals. Da kam mir noch eine Idee: Ich hielt das Papier gegen das Sonnenlicht, das durch das Fenster hereinflutete. – Nichts zu sehen. Verärgert knüllte ich den Bogen zusammen und warf ihn gegen die Wand. Er tropfte müde ab, fiel auf den Boden und blieb dort regungslos liegen. Das ist allerdings auch keine Lösung, dachte ich.

Doch ich hatte mich noch nicht genug abreagiert. Trampelnd lief ich in das Zimmer meiner Mitbewohnerin, krallte mir dort den Aschenbecher, schleppte ihn in mein Zimmer und drückte das Papierknäuel in dessen Vertiefung. Ich zündete es an. Flammen züngelten auf, griffen schnell um sich. Es knisterte. Da passierte das Unglaubliche: Meine geschriebenen Worte hüpften aus dem brennenden Papier – eines nach dem anderen und legten sich in einem wilden Durcheinander auf den Schreibtisch. „Oh, Gott, ein Puzzle!“ Das hatte mir gerade noch gefehlt. Dazu hatte ich ja jetzt gar keine Nerven mehr! „Tief durchatmen Britta! Tief durchatmen!“ Ich öffnete das Fenster, legte meine Hände auf den Unterbauch und nahm etwa zwanzig tiefe Züge frischer Luft. Das beruhigte mich etwas. Doch weiter wusste ich jetzt immer noch nicht.

Da klingelte die Wohnungsschelle. „Wer das wohl ist, ich erwarte doch jetzt niemand?“ Ich stapfte zum Öffner, drückte aufs Knöpfchen und öffnete die Wohnungstür. Schritte auf der Treppe. Ein Kopf tauchte auf – ihr Kopf. Sie, der ich gerade diesen missglückten Liebesbrief geschrieben hatte. Mein Herz schlug bis zum Hals. Jetzt sprechen? Doch ich war keine Frau, die solche Worte von Herzen gut im direkten Gespräch ausdrücken konnte. „Hi!“, kam es mir freundlich entgegen. Um mich herum ein Luftsog. – Durchzug. Ich dachte mir weiter nichts dabei. Ich dachte überhaupt nichts, nur : Was soll ich jetzt sagen?

„Hallo! Komm rein“, sagte ich nach einer Pause etwas unsicher, aber auch erfreut. Und: „Lass uns in mein Zimmer gehen“, schlug ich nach einer kurzen Begrüßungsumarmung vor und lief voran. Zurück am Ort des rätselhaften Geschehens fiel mein Blick wieder auf meinen Schreibtisch. Was? Die Worte lagen plötzlich feinsäuberlich sortiert auf der Platte und ergaben ihren ursprünglichen Sinn. „Wer war das denn?“, fragte ich mich.

„Huh, Du hast es aber frisch hier drin“, bemerkte Anka, die Angebetete. „Was? Ja. Ich habe eben das Fenster geöffnet und der Durchzug hat wohl noch das Seine dazu getan.“ Durchzug? In meinem Hirn dämmerte es. Hatte der Wind die Buchstaben geordnet? – Gütiger Himmel!  „Ähm, ich hatte Dir gerade einen Brief geschrieben. Das Ergebnis siehst Du hier“, sagte ich und deutete auf die Schreibtischoberfläche.

„Darf ich ihn lesen?“, fragte Anka sanft. „Ja, darfst Du“, erlaubte ich, während sich in meinem Bauch ein leichtes Zittern breit machte.

PS: Britta Erlemann sucht ab Januar 2012 einen Verlag für ihre Kurzgeschichten und Gedichte. Kontakt: Britta_Erlemann[at]yahoo.de

Autorin: Britta Erlemann
Redakteurin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 24.04.2011
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