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Rubrik unterwegs

Für eine multikulturelle und inklusive Gesellschaft

Von Hanna Strack

Zweihundert Frauen, die in Theologie und Religionswissenschaft forschen, besuchten Ende August in Salamanca/Spanien den Kongress der „Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen“ (ESWTR). Alle zwei Jahre richten die Mitgliedsfrauen je eines europäischen Landes diese Forschungstage aus, diesmal die Spanierinnen. Davor fanden die Kongresse in Winchester, Budapest, bei Neapel, in Salzburg, auf Kreta, in Schweden und Holland statt.

Hanna Strack in Salamanca

Es sind Frauen aller Konfessionen und Religionen, die vereint sind in dem Ziel, das Selbstverständnis von Frauen in der Religion wahrzunehmen und neu zur Sprache zu bringen. In Salamanca, dieser bezaubernden Universitätsstadt des Mittelalters, hieß das Thema: „Feministische Theologie: zuhören, verstehen und antworten in einer säkularen und vielfältigen Welt.“ Laut Einführung, ging es darum, „die Stimme von Frauen zu hören, die für ihre Befreiung im derzeitigen Europa kämpfen: zu verstehen, was die Ursachen dieser Kampfsituationen sind und auf die Herausforderungen zu antworten, um eine multikulturelle und inklusive Gesellschaft sowie eine befreiende Ekklesia zu bauen. Feministische Theologie bemüht sich darum, auf die Herausforderungen, die in dem pluralen Gespräch zwischen Frauen gestellt wurden, zu antworten. Sie schlägt Lösungen vor, aus der Überzeugung heraus, dass die Einführung neuer Sprachen innerhalb des kirchlichen und sozialen Lebens zu einer besseren und
evangeliumsgemäßeren Transformation der Gesellschaft und der Kirchen führt.“

Kunst, audiovisuelle Kommunikation und Theologie schaffen, so die Veranstalterinnen in der Einladung, „eine neue Symbolsprache, welche der europäischen Wirklichkeit der Frauen angepasst ist. Die Theologie aus dem Blickwinkel des Körpers trägt einen Ort der Begegnung mit Gott und mit dem Religiösen bei. Das Schaffen neuer Beziehungen zwischen Personen und dieser Personen mit dem Mysterium schafft neue religiöse und spirituelle Modelle, welche die Praxis des Evangeliums erneuern. Die ökofeministische Theologie trägt bei zu einer globalen Vision der Realität der Frauen in der Schöpfung und integriert den Schutz der Menschen und des Planeten als privilegierte Tat der Frauen und Männer, die sich dem gesellschaftlichen Wandel verpflichtet haben.“

Nur einige Vorträge können hier erwähnt werden: Prof. Dr. Ndeye Andújar, Professorin für Kultur und Islamische Religion in Madrid, sprach über Realitäten und Herausforderungen muslimischer Frauen in Europa. Sie wies hin auf Strukturen der Ausgrenzung von Migrantinnen.

Ulrike Auga, Professorin für Theologie und Geschlechterstudien in Berlin, sprach über Konzepte der Biomacht und die Notwendigkeit einer kritischen „Biotheologie“, denn unter den Bedingungen der Globalisierung müsse die Theologie einen nachhaltigen Beitrag leisten zum ‚Menschlichen Blühen’ (Human Blossoming) für alle in der „globalen Familie“.

Heike Walz, Juniorprofessorin für Feministische Theologie/theologische Frauenforschung in Wuppertal-Bielefeld, begeisterte mit ihrem Gang durch die Welt des Tango und erläuterte dessen lebensweltliche, theologische und liturgische Bedeutung: „Theologien des Tanzes inmitten interkultureller Transformationen: zwischen Verletzbarkeit, Resilienz und Widerstand“.

Prof. Dr. Meehyun Chung, die Leiterin der Stabsstelle ‚Frauen und Gender’ im Evangelischen Missionswerk Basel, vertrat die These, dass mündliche Traditionen eher „weiblich“ und schriftliche Traditionen eher „männlich“ seien. So gehöre der Schamanismus zur weiblichen Kultur. Sie zählt aber auch die Gleichnisse Jesu zur mündlichen Tradition.

Künstlerinnen stellten ihre Arbeiten aus, in denen sie den Frauenkörper und seine religiöse Symbolik umsetzten.

Die frühere Präsidentin der ESWTR, Prof. Andriana Valerio aus Neapel, entfaltete die Vision einer Bürgergesellschaft der Gleichen in der Nachfolge Jesu, in der auch Frauen das öffentliche Leben in der Stadt und in der Kirche mitgestalten. Nach der alt-katholischen Schweizerin Prof. Angela Berlis wurde die römisch-katholische Niederländerin Maaike de Haardt, Professorin in Tilburg und Nimwegen/Holland, zur neuen Präsidentin gewählt.

Beim traditionellen Festabend gab es ein Konzert mit Liedern von Hildegard von Bingen und Herrad von Hohenheim und – zum allgemeinen Vergnügen – eine Parodie auf Bischofskonferenzen, bei der die Geschlechterrollen umgekehrt wurden: Drei Bischöfinnen wiegelten die Anträge eines Delegierten der Männerkirche ab.

Im August 2013 hat die deutsche Sektion den Kongress nach Dresden eingeladen, und 2015 wollen ihn die Griechinnen in Saloniki ausrichten. Dazwischen liegen Konferenzen in Ost-Europa, die die Theologinnen in Rumänien, den Baltischen Staaten, Ungarn, Slowenien und anderen Ländern vernetzen und unterstützen, so in Prag, Lublin, Riga, zuletzt 2011 in Cluj/Klausenburg mit dem Thema „Die Würde der Frau als Menschenwürde“. Dieser Beitrag der Frauen bei der Herausbildung des spirituellen Profils eines vereinten Europas wurde jeweils dank großzügiger Sponsoren auch veröffentlicht in der Reihe „Frauen und Religion“ im Verlag VERBUM in Cluj. Die nächste Konferenz der osteuropäischen Theologinnen findet vom 16. bis 19. August 2012 in Split, Kroatien, statt.

Die Beiträge der Tagung in Salamanca werden im Jahrbuch der ESWTR publiziert. Das Jahrbuch ist Sprachrohr der ESWTR, in ihm werden Vorträge, Aufsätze und Literaturbesprechungen veröffentlicht (Peeters Publishers, Leuven/Belgien). Das Thema der bereits erschienenen 18. Ausgabe 2010 heißt: „Ringen mit Gott“. Es dokumentiert die Vorträge und Gruppenarbeiten auf dem Kongress in Winchester 2009. Die Italienische Sektion hat für den Oktober 2012 nach Rom eingeladen zum Jahrestag des Beginns des II. Vatikanischen Konzils.

Weitere Informationen unter: www.ESWTR.org

Autorin: Hanna Strack
Redakteurin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 08.09.2011
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