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Wir sind ein Kreis

Von Juliane Brumberg

Juliane Brumberg freut sich, dass es endlich ein Buch mit Ritualliedern in deutscher Sprache gibt.

Wenn es mit Worten nicht mehr weitergeht, ist oft die Musik hilfreich, um in Beziehung zu gehen, insbesondere wenn es um die Beziehung zum Göttlichen, zum Unverfügbaren geht. Nicht umsonst blicken wir auf eine reiche Tradition an evangelischer Kirchenmusik zurück. Nur leider kommen in den alten wohlfeilen Kirchenliedern nur die Brüder vor und die Frauen sind mal wieder unsichtbar. Veränderungen gab es erst, als die Frauenbewegung im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts aufdeckte, dass Frauen neben den politischen Veränderungen auch spirituelle Nahrung brauchen, um Geist und Seele zu stärken. Die Frauen machten sich auf die Suche, brachten Songs aus Amerika mit und übersetzten sie oder behalfen sich mit alten Kirchenliedern, denen sie einen frauengerechten Text verpassten. Erst mit dem Entwickeln eigener, neuer Rituale entstand nach und nach eine Kultur von Frauenliedern in deutscher Sprache.

Per kopiertem Handzettel oder Tonkassette – später dann auf selbstgebrannter CD – wurden sie weitergegeben und mussten immer wieder neu zusammengesucht werden. Im Vorwort berichtet die Herausgeberin Donate Pahnke McIntosh: „Wohl hunderte von Malen habe ich am Telefon gesungen, und es wurde immer deutlicher: Ein Liederbuch musste her.“ In der Dresdner Komponistin Sylke Zimpel fand sie dann schließlich die Frau, die ihr die Notenfassungen aufschreiben konnte.

Und nun gibt es endlich ein handliches Ritualliederbuch mit 94 Liedern für alle Gelegenheiten und einer ausführlichen Einleitung, die Mut macht zu Musik und Klang, zu Rhythmus und Stimme im Ritual. Fast ein wenig merkwürdig, Lieder und Chants, die Jahrzehnte lang von Frauen nur nach Gehör mitgesungen wurden (z.B. wir sind ein Kreis, das Lied von den Hexen die wiederkommen oder das Wandlungslied), nun gedruckt vor sich zu sehen. Für viele Anlässe – Anfang und Ende, Heilungsschritte, Jahreskreisfeste, das Schweigen der Nacht, das Labyrinth oder Frauen mit Power – finden sich Liedvorschläge. Unter einigen Liedern steht ein Begleittext, z. B. wenn es um die Mythen von Inanna, Artemis oder Frau Holle geht; oder es gibt Erklärungen dazu, was Weben und Spinnen mit der Großen Göttin zu tun hat. Zum Schmunzeln ist das – zumindest mir – bislang unbekannte Lied über die Großstadtheiden und deren Versuche, in die Natur hinauszugehen. Schade, dass nur drei Lieder von Arunga Heiden, deren Kraftlieder und Mantren zumindest im süddeutschen Raum eine wichtige Rolle spielen, aufgenommen wurden. Trotzdem ein überfälliges Buch, das sicher viele Liebhaberinnen finden wird.                   

Hg. von Donate Pahnke McIntosh, Wir sind ein Kreis, Die schönsten Rituallieder in deutscher Sprache, Christel Göttert Verlag Rüsselsheim 2011, 168 S., 24 Euro.

Autorin: Juliane Brumberg
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 28.03.2012
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Anne Büscher sagt:

    Hallo, liebe Philosofinnen,

    natürlich habe auch ich mich über das neue Buch von Donate Pahnke McIntosh sehr gefreut.
    Es stimmt aber nicht, dass es das erste Buch dieser Art im deutschsprachigen Raum ist.
    Schon 1993 erschien im Kreuz – Verlag “Das neue Frauen – Liederbuch” von Ursula Jung – Initatorin von “Frauenkirche e.V.”. Ursula Jung sammelte etwa 100 Lieder feministischer Spiritualität aus Europa und den USA und ordnete sie nach dem Jahreszyklus. Im Mittelpunkt vieler Lieder steht die Anrufung der heiligen Geistin als Mutter allen Lebendigen. Aber auch “Du meine Seele singe”, ein Kirchenlied, dass von Esther Schmid in frauengemäßer Sprache umgedichtet wurde, hat seinen Platz in dieser schönen und vielfältigen Sammlung – ebenso wie “O Kraft der Weisheit” von Hildegard von Bingen, welches U. Jung aus dem Lateinischen übersetzte und melodisch vereinfachte.
    Viele ihrer Lieder sangen wir über Jahre in unseren Gruppen und waren inspiriert von ihrer Kreativität. Vielleicht kennen noch andere LeserInnen ihr schönes Liederbuch?

    Mit freundlichen Grüßen aus dem Ostwestfälischen

    Anne Büscher

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