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Hinter der Tür: Ein Film über weibliche Souveränität

Von Antje Schrupp

Ich möchte wieder einen Film empfehlen, und zwar „Hinter der Tür“ des ungarischen Regisseurs István Szabó. Er basiert auf einem Roman der inzwischen verstorbenen ungarischen Schriftstellerin Magda Szabó (der gleiche Nachname ist Zufall), der bereits 1987 erschienen ist und ein weltweiter Erfolg war. Die Geschichte spielt in den 1960er Jahren und erzählt von der Beziehung zwischen der Schriftstellerin Magda und ihrer Putzfrau und Köchin Emerenc.

Die Beziehung zwischen den beiden Frauen gestaltet sich schwierig, vor allem wegen des – gelinde gesagt – merkwürdigen Verhaltens von Emerenc, die mal freundlich, mal schroff abweisend ist. Sie hat offenbar ein Geheimnis, zum Beispiel lässt sie niemanden in ihr Haus. Außerdem benimmt sie sich unmöglich, scheint ihre Arbeitgeberin ständig in Machtkämpfe zu verwickeln, zeigt an vielen Stellen ein geradezu zwanghaftes Verhalten, das der Zuschauerin oft unerträglich wird. Im Verlauf des Films erfährt man ihre Lebensgeschichte und bekommt so einige Erklärungen für ihr Verhalten.

Der Schlüssel zu der Geschichte lag für mich in einem an einer Stelle wie nebenbei gesagten Satz (wer ihn ausspricht, habe ich tatsächlich vergessen), wo jemand, mit einer Portion Unverständnis in der Stimme, über Emerenc sagt: „Sie benimmt sich wie eine Königin.“

Das ließ mich aufmerken, weil ich mich derzeit mit der Idee von „weiblicher Souveränität“ beschäftige, die Annarosa Buttarelli in ihrem Beitrag zu dem neuen Diotima-Buch „Macht und Politik sind nicht dasselbe“ entwickelt. Darin stellt sie die These auf, dass weibliche Souveränität eher „Herrschen“ sei als „Regieren“, allerdings ein Herrschen, das nicht auf Befehlsketten und Untergebene angewiesen ist, sondern sich auf die Übernahme von Verantwortung bezieht, auf die Fähigkeit und Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen und sich „über das Gesetz“ zu stellen, wenn es notwendig ist, und auch bereit zu sein, die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen zu tragen.

Unter dieser Perspektive ist die Haushälterin Emerenc ein wahres Paradebeispiel für weibliche Souveränität – und so ist es vielleicht kein Zufall, dass sie (ganz großartig übrigens) von Helen Mirren gespielt wird, die vor einigen Jahren für ihre Rolle als Queen Elizabeth II den Oscar bekommen hat. Hier nun spielt sie erneut eine Königin, allerdings eine, die ganz ohne jede äußerliche Macht auskommen muss, und die, mehr noch, auch keine „insgeheime“ Heldin ist, sondern schlicht und ergreifend psychisch krank und mit traumatischen Erinnerungen belastet.

Dass der Film aber (meiner Ansicht nach) nicht einfach von einem unglücklichen Frauenschicksal mit tragischen Entwicklungen erzählt, sondern eigentlich von einer bestimmten Art weiblicher Stärke, wird besonders herausgehoben durch den Vergleich zwischen Emerenc und der anderen Hauptfigur, der Schriftstellerin Magda (gespielt von Martina Gedeck), die nämlich eine solche Souveränität über weite Strecken vollkommen vermissen lässt – und die entsprechend von Emerenc zunächst auch nicht ernst genommen wird.

Zusätzlich interessant ist, dass diese sehr unterschiedlichen weiblichen Haltungen auch an ihrer Beziehung zu Männern durchgespielt werden, speziell zu Magdas Ehemann. Während Magda eine „emanzipierte“ Ehe führt (und ihr Mann sie zum Beispiel in ihren beruflichen Ambitionen unterstützt), tritt Emerenc dem „Hausherren“ gegenüber betont unterwürfig auf, spricht ihn zum Beispiel ständig als „Gebieter“ an, worüber Magda (und ihr Mann) sich lustig machen. Aber es wird deutlich, dass diese Unterordnung nicht im Entferntesten Emerencs Eigenwilligkeit beeinträchtigt, sondern sich sozusagen auf einer völlig anderen Ebene abspielt, während Magda für ihre Selbstsicherheit durchaus auf das Lob und die Zustimmung von Männern angewiesen ist.

Aber trotzdem ist auch Magda für mich eine Heldin, weil sie im Gegensatz zu den anderen Emerencs „Königinnentum“ erkennt und deshalb von ihr fasziniert ist. Ich habe den Film tatsächlich als Liebesgeschichte gelesen, weil nämlich Magdas Begehren, Emerenc für sich zu gewinnen, sie selbst stark werden lässt. Tatsächlich schafft sie es, eine Beziehung aufzubauen – und das wiederum hat mich an der Figur der Magda beeindruckt. Allerdings muss ich sagen, dass ich damit unter denjenigen, die den Film zusammen angeschaut haben, die einzige war. Die anderen Zuschauerinnen fanden es einfach nur schrecklich, wie sich Magda von Emerenc „unterbuttern“ lässt.

Aber urteilt selbst: Der Film „Hinter der Tür“ kommt in Deutschland morgen, am 5. April, in die Kinos. (Fotos: Piffl Medien)

Kommentare zu diesem Beitrag

  • Gré Stocker-Boon sagt:

    Liebe Antje,Deine Gedanken zum Film und was der Film bei Dir ausgelöst hat in Verbindung mit Annarosa Butterellis Beitrag zum Buch: “Macht und Politik sind nicht dasselbe”,ist interessant.Mir scheint,das was wir im Innern,mit unserem Gehirn entscheiden,das Wesentliche ist,was bleibt. Wir sind als Menschen immer noch fähig, Ja oder Nein zu sagen.Trotz vielen Beeinflussungen von ausserhalb und von den Medien.Wo wird diese Grenze überschritten,und wo wird diese Entscheidungsform von Ja und Nein am Menschen manipuliert, missbraucht oder unwirksam gemacht.Denn Gedanken allein sind nicht massgebend.

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