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Am Anfang… Gottes große Liebe

Von Antje Schrupp

In einer Serie fasst Antje Schrupp kapitelweise das Buch „Saving Paradise“ von Rita Nakashima Brock und Rebecca Ann Parker zusammen. Kapitel 2: Am Anfang … Gottes große Liebe.

Die Samaritanerin erkennt die Weisheit in Jesus. Hier gemalt von Angelika Kaufmann, 1796.

In diesem Kapitel geht es darum, wie die Evangelien die frühen, in Kapitel 1 geschilderten Paradiesvorstellungen aufgreifen. Brock/Parker finden hier die Anleitung zu einer Haltung, die sie als „ethische Anmut“ (ethical grace) bezeichnen. Also die Vorstellung, dass das Erfüllen von Gottes Willen gutes Leben auf der Erde ermöglicht (29). Dabei hat vor allem das Bild des gemeinsamen Essens und Trinkens große Bedeutung, das sich in vielen Evangeliumsgeschichten und auch in frühen christlichen Abbildungen findet (zum Beispiel in den Katakomben).

Hergestellt wird die Verbindung zum „Himmel“ als Inspiration und Garant des Lebens in Fülle, als alternative Ordnung und Autorität, die wirksamer und größer ist als die Ordnung und Autorität des römischen Imperiums (bzw. der irdischen Machthaber generell).

Die Figur, die hier eine Rolle spielt, ist die „Weisheit“ als himmlische Macht, die das Handeln von Menschen auf der Erde beeinflusst, vor allem im Johannesevangelium. In Jesus ist die göttliche Weisheit wieder „Fleisch geworden“, gewissermaßen als Neu-Schöpfung des Menschen, und dadurch ist das paradiesische Leben für Menschen wieder zugänglich.

Brock/Parker interpretieren das als eine neue Kraftquelle innerhalb des irdischen Kampfes zwischen verschiedenen Mächten um die Vorherrschaft. Indem sie von göttlicher Weisheit (Kreativität, Lebenskraft) beseelt sind, können Menschen sich angesichts von unterdrückerischen Herrschaftsverhältnissen hin auf das Gute orientieren.

In dem Vers „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh. 3,16) sehen Brock/Parker nicht – wie es heute meist interpretiert wird – einen Hinweis auf Jesu Tod (wonach Gott seinen Sohn „geopfert“ hätte), sondern darauf, dass Gott, weil er die Welt so sehr liebte, Jesus auf die Erde schickte, damit dort wieder gutes Leben möglich wird. Wer das glaubt, also sich entsprechend der „ethical grace“ verhält, ist bereits im guten Leben.

„Nachfolge Jesu“ bedeutet, die göttlich-weisheitliche Ordnung anzuerkennen und „jede Allianz mit den schädlichen und falschen Mächten Roms zurückzuweisen und sich stattdessen Bewegungen anzuschließen, die auf andere Quellen des Wohlergehens setzten – Weisheit, das Wort, die Tora, die Geistkraft“ (41).

Die zahlreichen Jesus zugeschrieben „Ich bin“-Aussagen („Ich bin… das Brot, das Licht, der gute Hirte, die Auferstehung und das Leben, der Weg, der Wein“) charakterisieren ihn als einen, der den Weg ins Paradies auf Erden wieder geöffnet hat. Für die Menschen kommt es darauf an, diese Qualität in Jesus zu erkennen, beispielhaft ist dafür die Samariterin, die in der frühchristlichen Bilderwelt eine große Rolle spielt (44).

An zahlreichen Stellen wird die Macht Roms relativiert, da Jesus klar macht, dass sie nicht absolut herrscht, sondern nur eine Folge von Herrschaftsverhältnissen ist, zum Beispiel wenn er zu Pilatus sagt: „Du hast keine Macht über mich, all deine Macht ist dir von woanders gegeben.“ Der wirkliche Sünder ist nicht Pilatus, sondern es sind diejenigen, die ihn an Pilatus ausgeliefert haben, die sich also der Ordnung Roms unterwerfen und nicht der Ordnung Gottes. (48)

Anders als die frühe christliche Ikonografie sprechen die Evangelien recht detailliert von der Kreuzigung. Brocks/Parker sehen darin einen Tabubruch, da die Kreuzigung aus jüdischer Sicht ein ehrenrühriger Tod war. Es war nicht einfach eine Hinrichtungsmethode, sondern ein Ausschluss aus der Gemeinschaft. Sich als Bewegung hinter einen zu stellen, der gekreuzigt worden war, war ungewöhnlich und schon an sich ein politisches Statement gegen Rom. Die Evangelien bringen Jesu Tod am Kreuz in Verbindung mit der langen Leidensgeschichte Israels, zum Beispiel indem sie ihn am Kreuz Psalm 22 rezitieren lassen.

In diesem Kontext ist auch die Auferstehung zu sehen. Wenn Jesus am Kreuz zu dem Dieb, der mit ihm gekreuzigt wird, sagt: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“, so bedeutet das, dass die Macht Roms, Menschen durch Folter und Kreuzigung aus der Gesellschaft auszustoßen, begrenzt ist. Es ist ein Hinweis auf die frühchristliche Praxis, die von Rom hingerichteten Märtyrer_innen weiterhin in der menschlichen Gemeinschaft zu halten, mit ihnen zu kommunizieren – darum geht es dann im nächsten Kapitel.

Weiter zu Kapitel 3: Eine solche Wolke

Autorin: Antje Schrupp
Redakteurin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 30.05.2012
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Else Shamel sagt:

    Hallo, Frau Schrupp,

    ich hatte mir das Buch SAVING PARADISE im Buchhandel bestellt und erhielt die Rückmeldung, dass es drei Wochen dauert (macht nichts) und dass es aber statt 21,99 € etwa 30 € kosten wird mit Porto etc,
    Können Sie mir vielleicht sagen, wo das Buch für den o.a. Preis zu bekommen ist?

    Mit feundlichen Grüßen,
    Else Shamel

  • Antje Schrupp sagt:

    @Else Shamel – Ich glaube, 30 Euro ist der Preis für das Hardcover, es gibt inzwischen auch ein Paperback: http://www.amazon.de/Saving-Paradise-Christianity-Traded-Crucifixion/dp/0807067547/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1338408395&sr=8-1

  • heli voss sagt:

    wirklich neu?

    hätte ich nicht schon lange die Früchte der feministischen Theologie der achtziger Jahre in mir, ich wäre schon an den vielen Kreuzen mit nacktem Mann unheilbar verletzt worden!
    So — das Paradies in und außen vor meiner SELBST lebe ich!

    danke für re-vival!
    helivoss

  • Daniela Krause sagt:

    Paradies – Fülle des Lebens – im Zentrum des Glaubens! Was für eine Befreiumg. Nicht Opfer, Schuld, Sühne und Tod sondern einen aufrechten Gang darf ich als Christin wagen, darf Mensch sein mit all meinen Stärken und Schwächen – und Gott ist bei mir – in mir – begleitet mich. Gott liebt mich als selbstbewussten Menschen, als Frau, die eigenverantwortlich handelt – er fordert von mir nicht Unterwerfung und Opferbereitschaft als Voraussetzung für meine Annahme! Das Heil der Menschen – mein Heil steht im Zentrum – wahrlich eine Befreiung! So kann ich glauben!

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