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lilith_neuland – Neue Wege auf bekannten Pfaden

Von Ursula I. Meyer

Als Bettina Schmitz mir erzählte, dass sie ein neues Buch über den dritten Feminismus plane, war ich sofort interessiert. Sie schickte mir gleich den ersten »theoretischen« Teil, der mich sehr ansprach. Bettinas Art, Theorie mit eigenem Erleben zu verbinden, ist für mich immer wieder ein Lesegenuss. Und ich fand, sie hatte den eingangs formulierten Anspruch, nicht über den dritten Feminismus zu schreiben, sondern quasi aus ihm heraus, schon gut eingelöst. Doch Bettina sah das anders.

Ein paar Wochen später schickte sie mir den zweiten, »praktischen« Teil. Da wurde mir klar, was Bettina unter »Philosophieren aus dem dritten Feminismus heraus« verstand. Es waren poetische Texte und Gedichte. »Das ist nichts für mich«, war mein erster Gedanke. Sachlich und nüchtern, so würde ich mich selbst und meinen eigenen Stil beschreiben. Schon in der Schule konnte ich mit Gedichtinterpretationen nichts anfangen. Was tun? Sollte ich das Projekt kippen?

Das wollte ich dann doch nicht. Also schaute ich mir die Gedichte genauer an. Nicht nur Poesie erschließt sich nicht gleich beim ersten Lesen. Also eine Gemeinsamkeit mit der Philosophie. Bei einigen Gedichten kamen mir spontan Bezüge zum theoretischen Teil in den Sinn. Was lag also näher, als beide zu kombinieren; unterschiedliche Herangehensweisen an ein Thema.

Aber müssen Gedichte denn sein? Hätte frau ihre Botschaft nicht auch in Prosa übermitteln können? Vielleicht. Aber wie soll man ausdrücken, dass das Leben sich verändert hat? Wie soll man Philosophieren, wenn die Grundfesten erschüttert sind? Die westliche und auch die östliche Philosophie basieren auf einem Denken in Gegensätzen, egal ob sie Leib und Seele oder Yin und Yang heißen. Der Feminismus hat diese Struktur immer als Spaltung wahrgenommen, in der Gleichheitsdebatte zwischen Mann und Frau, im Differenzfeminismus unter den Frauen. Der dritte Feminismus hat sich auf die Fahnen geschrieben, diese Gegensätze zu verbinden. Doch wie soll das gehen, wenn sie 2500 Jahre lang die Basis waren?

Beim Lesen von Bettinas Gedichten ist mir klar geworden, dass dies neue Ausdrucksformen sind. Sie wurden nötig, weil man über die rationale sachliche Schiene eine solche Verbindung nicht darstellen kann. Indem Bettina Schmitz »vernünftige« Themen aufgreift und diese in eine poetische Sprache umsetzt, eröffnet sie deren emotionale Aspekte. Inzwischen sehe ich die Gedichte als Erkenntnisgewinn, nicht nur für die Sprache, sondern auch für die Philosophie.

Übrigens habe ich auch schon einige Lieblingsgedichte.

Bettina Schmitz: lilith_neuland. sprache feminismus poesie. Ein-Fach-Verlag, 17,80 Euro.

Autorin: Ursula I. Meyer
Redakteurin: Ursula Pöppinghaus
Eingestellt am: 01.06.2012
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