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Marina Abramovic: Die anwesende Künstlerin

Von Antje Schrupp

Am Donnerstag startet ein eindrucksvoller Dokumentarfilm über die Performance-Künstlerin Marina Abramovic, der auch für jene empfehlenswert ist, die sich für Kunst überhaupt nicht interessieren.

Die Künstlerin ist anwesend. Marina Abramovic während ihrer Performance im MOMA. Foto: popkitchen/Flickr.com

Anlass der Doku war eine große Retrospektive, die das Museum of Modern Art in New York 2010 der damals 63 Jahre alten Performance-Künstlerin gewidmet hat. Marina Abramovic gibt in Interviews freimütig (gleichzeitig ernst und selbstironisch) Auskunft über sich und ihren Werdegang und den langen Weg bis zur Berühmtheit.

Sie gewährt auch Einblick in die Vorbereitung ihrer Ausstellung, für die sie zum Beispiel mit jüngeren Künstlerinnen und Künstler übte, die ihre über die Jahrzehnte entstandenen Performances während der Ausstellung dargestellt haben. Darunter solche Dinge wie zwei nackte Menschen, die sich in einem Türrahmen gegenüber stehen, und alle Besucherinnen und Besucherinnen müssen sich an ihnen hindurchzwängen, um in den nächsten Raum zu kommen.

Abgesehen davon, dass der Film ganz großartig gemacht ist, empfehle ich ihn hier auch noch, weil er direkt zwei Themen berührt, die im bzw-Forum in letzter Zeit diskutiert wurden.

Das erste ist das Thema der Präsenz, das Anwesend-Sein in erster Person, das ja im Zentrum des Buches von Chiara Zamboni steht, das Dorothee Markert derzeit übersetzt. Abramovic hat das Thema der Präsenz nämlich im Zuge der MOMA-Retrospektive auf eine sehr radikale Weise bearbeitet, nämlich so, dass sie das Motto „The artist is present“ ganz wörtlich umgesetzt hat: Während der gesamten drei Monate hat sie zu den Öffnungszeiten ununterbrochen in einem der Ausstellungsräume dagesessen, ihr gegenüber ein Stuhl, auf dem die Besucherinnen und Besucher Platz nehmen konnten – ein berührendes Experiment zur Bedeutung von Anwesenheit und Aufmerksamkeit für das Gegenüber.

Das zweite Thema, das der Film berührt, ist das der weiblichen Souveränität. Marina Abramovic, so wie sie hier auftritt und gezeigt wird, kommt dem Bild der „schönen Königinnen“, von dem Dorothee Markert hier bereits geschrieben hat, und dem Konzept der Souveränität bei Annarosa Buttarelli sehr nahe.

Ich will das gar nicht näher erläutern, denn das Gute an Kunst ist ja, dass sie unmittelbar und nicht auf einer zunächst intellektuellen Ebene wirkt. Deshalb an dieser Stelle nur meine Empfehlung, vor dem Kinogang noch einmal diese Texte zu lesen und dann den Film auf sich wirken zu lassen.

„The Artist is Present“ von Regisseur Matthew Akers kommt in Deutschland am 29. November in die Kinos. Hier ist ein Link zum Trailer.

Autorin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 26.11.2012
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