beziehungsweise – weiterdenken

Forum für Philosophie und Politik

Rubrik handeln

Partnerschaftliche Systeme brauchen die entsprechende Geisteshaltung

Von Ulrike Brandhorst

Das Anliegen dieser Artikelserie ist es, die Gedanken von Riane Eisler zu einer Wirtschaft der Fürsorge zu verbreiten. Der hier folgende Text ist eine zusammenfassende Übersetzung des Kapitels 5 von Riane Eislers „The Real Wealth of Nations“.

Foto: S. Hofschläger / pixelio.de

Foto: S. Hofschläger / pixelio.de

In den ersten vier Kapiteln legt Eisler dar, dass wir Einfluss auf die Wirtschaft nehmen müssen, wenn wir eine menschengerechte und gesunde Umwelt wollen. Einen Hauptgrund für unsere Gesellschafts- und Umweltprobleme sieht sie darin, dass alle gängigen Wirtschaftstheorien die grundlegende wirtschaftliche Bedeutung der Fürsorgearbeit übersehen. Daher fordert sie auf, beim Entwerfen von Wirtschaftstheorien alle Bereiche der Wirtschaft und nicht nur die Marktwirtschaft zu betrachten. Als wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige Form des Wirtschaftens erklärt sie den Wechsel von einem dominatorischen zu einem partnerschaftlichen Denken, deren Merkmale sie in Kapitel 2 ausführt. In den Kapiteln 3 und 4 macht Eisler deutlich, dass sich Fürsorgearbeit wirtschaftlich für Firmen, Staaten und Gemeinden auszahlt und zeigt, wie  im heutigen Wirtschaftssystem zerstörerische Vorgänge als wirtschaftlicher Gewinn gewertet werden und Investitionen in Zukunft und Nachhaltigkeit als Verlust.

In Kapitel 5 zeigt Eisler noch einmal, dass Wirtschaft nur im gesellschaftlichen Kontext verstanden und verändert werden kann. Die Betrachtung einer Gesellschaft oder einer Wirtschaft unter diesem Aspekt umfasst sowohl die öffentliche als auch die private Sphäre des Lebens. In den meisten Betrachtungen wird die private, den Frauen zugeordnete Sphäre, nicht berücksichtigt – die Hälfte der Menschheit und des Lebens einfach außen vor gelassen. So muss es nicht Wunder nehmen, dass bislang alle Wirtschafts- und Gesellschaftstheorien in ihrer praktischen Umsetzung gescheitert sind. Eisler versucht nun, mit einer ganzheitlichen Herangehensweise einen nachhaltigen Lösungsansatz zu entwickeln.

Schieflage im Kopf

Eisler weist darauf hin, dass wirtschaftliche Ungleichheit, nicht ihren Ursprung im Kapitalismus hat, sondern, dass die Ungleichheit im Kapitalismus nur Ausdruck einer viel tiefer liegenden Vorstellung von „gerechter“ Ungleichheit ist, die Kinder in dominatorischen Kulturen von klein auf als gegebene Tatsache kennenlernen. In ihrem Unterbewusstsein wird festgelegt, dass es „unterlegene“ und „überlegene“ Gruppen gibt und die eine Gruppe der anderen dienen muss. Eisler weist darauf hin, dass dies kein alleiniges Problem kapitalistischer Systeme ist, sondern dass auch im Kommunismus und Sozialismus „die Oberen Kaviar aßen“, während die anderen stundenlang um Essen anstehen mussten. Diese Ungleichheit ist also nicht Ausdruck einer bestimmten Wirtschaftsform, sondern einer bestimmten geistigen Haltung. Ein weiterer Ausdruck dieser dominatorischen Geisteshaltung ist die Korruption. Wer denkt, die westlichen Länder seien davon nicht betroffen, kann sich überlegen, in welche Kategorie beispielsweise die Einflussnahme der Pharmaindustrie auf Politik und Ärzteschaft eingeordnet werden kann.

Wirtschaft in dominatorischen Kulturen bedeutet also immer eine Wirtschaft, in der eine Gruppe von der anderen ausgebeutet wird, wobei diese Ausbeutung meist nicht offen geschieht bzw. geschah, sondern durch noble Schlagworte verschleiert wurde und wird: Freiheit, Gottes Wille, Gerechtigkeit usw. Doch aus einer partnerschaftlichen Perspektive wird klar, dass jegliche Art von Ausbeutung und Gewalt unmenschlich und unmoralisch ist – unabhängig davon, wie sie gerechtfertigt wird.

Die Grundkomponenten partnerschaftlicher Systeme

Foto:  S.Hofschläger / pixelio.de

Foto: S.Hofschläger / pixelio.de

Als erste und wichtigste Komponente eines partnerschaftlichen Systems sieht Eisler demokratische und egalitäre Strukturen sowohl in den Familien als auch in der Gesellschaft. Damit meint sie ausdrücklich nicht flache, führungslose Strukturen. Die Verantwortung der Eltern, Lehrer_innen, und Manager_innen für ihre Kinder, Schüler_innen bzw.  Arbeiter_innen besteht auch in partnerschaftlichen Systemen. Der Unterschied liegt darin, dass dominatorische Hierarchien auf Kontrolle und Angst basieren, wohingegen organisatorische oder kompetenzbezogene Hierarchien im partnerschaftlichen Geiste dazu dienen, dass die in der Hierarchie höher stehenden, die ihnen anvertrauten Kinder, Schüler_innen oder Arbeite_innenr inspirieren, unterstützen und ihnen Fähigkeiten und Selbstständigkeit vermitteln.

Die zweite Komponente ist die grundsätzliche Ablehnung von Gewalt. Das bedeutet nicht, dass in partnerschaftlichen Systemen keine Gewalt vorkommen kann, sie wird jedoch weder institutionalisiert noch idealisiert.

Die dritte Komponente ist eine gleichwertige Partnerschaft von Frauen und Männern, wozu auch gehört, dass „typisch weibliche“ Charakterzüge wie Fürsorglichkeit oder Gewaltlosigkeit sowohl für Männer als auch für Frauen als erstrebenswerte Charakterzüge angesehen werden.

Diese drei Voraussetzungen sind grundlegend für ein Wirtschaftssystem, das auf allgemeinem Wohlstand, Transparenz und Fürsorge beruht. Das bedeutet nicht, dass in einem solchen Wirtschaftssystem alle gleich sind. Aber die wirtschaftlichen Unterschiede sind nicht gravierend und da Fürsorge als Wert anerkannt wird, werden die Wirtschaftspraktiken und -richtlinien von Respekt und Fürsorge für Mensch und Umwelt getragen – was uns zur vierten Komponente des Partnerschaftssystems führt: Glaubenssätze und Geschichten, die ein ausgewogeneres und positiveres Menschenbild vermitteln.

In partnerschaftlichen Systemen werden Gewalt, Grausamkeit und Unterdrückung durchaus als mögliches menschliches Verhalten erkannt – jedoch nicht als unausweichlich oder gar moralisch gerechtfertigt. Stattdessen fördern die kulturellen Werte und Überzeugungen mitfühlende, von gegenseitigem Respekt getragene Beziehungen. Zudem stützt sich das System viel mehr auf positive als auf negative Motivation der Menschen, d.h. nicht auf das Vermeiden von Schmerz, sondern auf das Suchen nach Lust.

Partnerschaftliche Systeme in der Praxis

Partnerschaftliche Systeme sind keine Idealgesellschaften, doch sie unterstützen in ihren Überzeugungen und Institutionen (Familie, Bildung, Politik, Wirtschaft) den Respekt vor den Menschenrechten und der Natur. Sie lassen keine großen materiellen Ungleichheiten zwischen den Menschen entstehen und erkennen und fördern Charaktereigenschaften wie Fürsorge oder Gewaltlosigkeit sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Als Beispiel für partnerschaftliche Systeme führt Eisler sowohl „primitive“ Kulturen wie die der Tedurai oder der Minangkabau als auch „fortschrittliche“ Kulturen wie die skandinavischen Länder auf. Dabei betont sie, dass es sich bei keinem der Beispiele um hundertprozentig partnerschaftliche Systeme handelt, sondern um Systeme, die diesem hundertprozentigen Ideal sehr viel näher kommen als zum Beispiel die USA.

Als besonders wichtig für die Entwicklung partnerschaftlicher Systeme hält Eisler die Familie. Kinder müssen selbstverständlich angeleitet werden, was jedoch nicht verhindert, sie mit Respekt zu behandeln, gewaltlos zu erziehen und ihnen die Gleichwertigkeit von Mann und Frau vorzuleben. Dabei darf nicht vergessen werden, dass alle Institutionen – also Familie, Bildungswesen, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – interagieren und nicht von einander losgelöst betrachtet werden können. So müssen also die für die Familie angestrebten Werte auch in diesen anderen Institutionen gelebt werden und sich in der Gesetzgebung, in der Geschäftspraxis usw. widerspiegeln.

Wichtig ist auch, sich immer wieder vor Augen zu halten, dass partnerschaftliche Systeme
–       wirtschaftlich ebenso effizient bzw. effizienter sein können als dominatorische Systeme.
–       auch Führung  und Hierarchien kennen, dass diese jedoch immer nur organisatorisch oder kompetenzbezogen sind und nicht auf Kontrolle und Einschüchterung, sondern auf Anleitung und Förderung basieren.
–        auch Macht und Wettbewerb kennen – ebenso wie es in dominatorischen Kulturen Kooperation gibt. Der Unterschied liegt darin, wie diese strukturiert sind und welche Geisteshaltung ihnen zugrunde liegt.
–       nicht automatisch in Netzwerken entstehen (hier verweist Eisler auf Terrornetzwerke).

Eisler weist also immer wieder darauf hin, dass es unmöglich ist, allein durch technische oder organisatorische Maßnahmen ein partnerschaftliches System zu begründen, sondern dass die entsprechende Geisteshaltung dafür von essenzieller Bedeutung ist.

Bereits veröffentlicht wurden:

Kapitel 1      Die Entwicklung einer Wirtschaft der Fürsorge

Kapitel 2      Wandel zu einer Geisteshaltung der Fürsorge

Kapitel 3+4  Fürsorgearbeit zahlt sich aus

Kapitel 6       Unterdrückung und Umweltzerstörung als Konsequenz dominatorischer Systeme 

Kapitel 7        Eine neue Wirtschaftstheorie des Partnerismus

Kapitel 8        Ethik in der Wissenschaft ist überlebensnotwendig

Kapitel 9        Stress und ein pervertiertes Wertesystem als Ursache für fehlende Mitmenschlichkeit

Kapitel 10      Von Bewusstheit zur Aktion

Zum weiterlesen: Riane Tennenhaus Eisler, The Real Wealth of Nations: Creating a Caring Economics, 2008.

 

Autorin: Ulrike Brandhorst
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 07.08.2013
Tags:
:

Kommentare zu diesem Beitrag

  • Sabrina Bowitz sagt:

    Liebe Frau Brandhorst, wie immer, sehr spannend und vielen Dank für die Zusammenfassung!
    “Diese Ungleichheit ist also nicht Ausdruck einer bestimmten Wirtschaftsform, sondern einer bestimmten geistigen Haltung”
    Darüber lohnt es sich nachzudenken. Die Künstlerin DiFranco hat dazu auch mal gesagt: “They told me: Different is wrong”.
    Darüber nachzudenken ist sehr spannend. In welchen Mustern leben wir? Wie sehen wir menschliche “Leistungen”, menschliches “Leben”?
    Wie bestimmen wir, wer was “verdient” hat? Was heißt “verdient haben” eigentlich?
    Die Betonung, dass Marktwirtschaft nicht die einzige Form der Wirtschaft ist, ist sehr wichtig. Ich habe das Gefühl, dass das heute sehr viele vergessen.
    Den Ansatz die Wirtschaft auf den Wert der Fürsorgearbeit aufzubauen halte ich für wichtig und sinnvoll, denn die Menschen wachsen erst durch Fürsorge und brauchen sowohl, wenn sie jung sind, als auch alt Fürsorge, sowie im Leben allgemein. Warum dann nicht etwas Grundlegendes, das jeder Mensch braucht, als grundlegenden Wert festhalten? Normalerweise sollte die Wirtschaft, die Politik, wie sie gedacht ist, als Form der Vertretung des Volkes, für die Menschen da sein und nicht umgekehrt.
    Sich daran zu erinnern ist sehr wichtig.

    Es ist nur die Frage und hier auch sehr wichtig, was Familie bedeuten soll bzw wie wird damit umgegangen, wenn die Herkunftsfamilie nicht funktioniert? Wenn die Familie derart an Bedeutung gewinnt, wie es bei der CDU ja immer noch gang und gäbe ist muss gefragt werden: Wird damit Hilfe unterdrückt und Erkenntis, die eigentlich benötigt wird? Was verstehen wir unter Familie?
    Wie würden denn eine gute Familie aussehen auf der wir dann die Wirtschaft aufbauen? Schwierige Frage.

  • Karina Starosczyk sagt:

    Ich habe die fünf übersetzten Kapitel des Buches von Riane Eisler „The Real Wealth of Nations“ gelesen. Danke Ulrike Brandhorst für Deine Übersetzungs-Arbeit. Die geschriebenen Zeilen sprechen mir aus der Seele. Ja, Fürsorge ist die Grundlage der menschlichen Existenz. Diese Tatsache ist so selbstverständlich, dass die patriarchalisierte Wissenschaft grundsätzlich darüber schweigt und die ebenso patriarchalisierte Wirtschaft kein Pardon in der Ausnutzung der Früchte der Fürsorglichkeit kennt.

    „Eisler weist darauf hin, dass wirtschaftliche Ungleichheit nicht ihren Ursprung im Kapitalismus hat, sondern, dass die Ungleichheit im Kapitalismus nur Ausdruck einer viel tiefer liegenden Vorstellung von „gerechter“ Ungleichheit ist, die Kinder in dominatorischen Kulturen von klein auf als gegebene Tatsache kennenlernen.“ Ja, und die männlichen Gottes-Bilder im Patriarchat liefern schließlich die Legitimation für diese Ungleichheit. Die Frage ist: Wie lange noch?!

    „Eisler weist .. immer wieder darauf hin, dass es unmöglich ist, allein durch technische oder organisatorische Maßnahmen ein partnerschaftliches System zu begründen, sondern dass die entsprechende Geisteshaltung dafür von essenzieller Bedeutung ist.

  • Ulrike Brandhorst sagt:

    Liebe Sabrina Bowitz, liebe Karina Starosczyk,
    danke für die unterstützenden Rückmeldungen. Hätten Sie denn Interesse daran, sich an einer Care-Kampagne hier in Deutschland zu beteiligen? Dann nehmen Sie doch bitte Kontakt mit mir auf.

    Die Fragen von Sabrina Bowitz sind tatsächlich sehr schwierig:
    “Es ist nur die Frage und hier auch sehr wichtig, was Familie bedeuten soll bzw wie wird damit umgegangen, wenn die Herkunftsfamilie nicht funktioniert? Wenn die Familie derart an Bedeutung gewinnt, wie es bei der CDU ja immer noch gang und gäbe ist muss gefragt werden: Wird damit Hilfe unterdrückt und Erkenntis, die eigentlich benötigt wird? Was verstehen wir unter Familie? Wie würde denn eine gute Familie aussehen auf der wir dann die Wirtschaft aufbauen? Schwierige Frage.”

    Ich denke, dass Familie – auch bei der CDU – immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird. Liest man die Mainstream-Medien, kann man zum Schluss gelangen, Eltern seien so ungefähr das Schlimmste, was einem Kind passieren kann (nur als Beispiel: der letzte Spiegel-Titel), und das Beste wäre es, wenn Kinder so früh wie möglich fremdbetreut würden.

    Nun finde ich diesen Ansatz (der Fremdbetreuung als Allheilmittel predigt und die Probleme, die dadurch entstehen unter den Tisch kehrt) ebenso falsch, wie den Ansatz, die Familie als heilen Ort zu verklären.

    Eine gute Familie ist eine überschaubare Gemeinschaft von Menschen, in der diejenigen, die dazu in der Lage sind, sich freiwillig und unengeltlich um diejenigen kümmern, die dazu nicht in der Lage sind – und das umfassend, dauerhaft und bedingungslos.

    So ideal funktionieren nicht alle Familien, andererseits ist die Zahl der dysfunktionalen Familien wesentlich geringer, als in den Medien aktuell gehyped wird. Unter dysfunktionalen Familien verstehe ich Familien, in denen ein Kind in einer durchschnittlichen Betreuung besser aufgehoben wäre, als in der Familie.

    Die Familien, die funktionieren, aber eben nicht ideal sind, könnten im Rahmen einer Wirtschaft der Fürsorge Unterstützung erfahren. Familien brauchen Zeit miteinander – vor allem für kleine Kinder braucht man viel gemeinsame Zeit.

    Ein Beispiel: Anstatt dass der Staat mit über 1000 Euro einen Übernacht-Kitaplatz pro Monat subventioniert, sollte er mit dem Geld lieber ermöglichen, dass ein Elternteil beim Kind bleiben und sich später requalifizieren kann.

    Das konkrete Beispiel dazu: Eine Familie bringt ihr Kind in eine Übernachtkrippe, weil beide Elternteile erwerbstätig sein müssen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. In diesem Fall subventioniert der Staat tatsächlich die Unternehmen, die durch die Krippensubventionierung auf billige, allzeit einsetzbare Arbeitskräfte zurückgreifen können.

    Zusätzlich zu Maßnahmen, die den Eltern mehr Zeit mit ihren Kindern ermöglichen (oder den Kindern mehr Zeit für ihre pflegebedürftigen Eltern, oder, oder), kann man auch noch beratende und konkret unterstützende Maßnahmen ergreifen, um Familien, die nicht so gut funktionieren, zu helfen (was ja oft schon der Fall ist): Familienberater, Haushaltshilfen usw.usf.

    Das nur als Ideenansätze.
    Herzliche Grüße, Ulrike

  • Karina Starosczyk sagt:

    Ich kann mich gerne an einer Care-Kampagne hier in Deutschland beteiligen.

    „Den Ansatz die Wirtschaft auf den Wert der Fürsorgearbeit aufzubauen halte ich für wichtig und sinnvoll, denn die Menschen wachsen erst durch Fürsorge und brauchen sowohl, wenn sie jung sind, als auch alt Fürsorge, sowie im Leben allgemein.“ (Bowitz)

    Einverstanden. Die Frage ist: Wie kommen wir dazu? Mein Wissen als Soziologin ist zu beschränkt, um hier konkrete Ansätze zu liefern. Wenn wir da anfangen, wo wir Einzelne stehen (sagte so oder so ähnlich V. Bennholdt-Thomssen), können wir was verändern. Das bedingungslose Grundeinkommen ist mittlerweile im Gespräch.

    Alwine Schreiber-Martens schlägt z. B. vor, Menschen, die Ressourcen verbrauchen, zur Kasse zu bitten. Das angesammelte Geld könnte dann in Form des bedingungslosen Grundeinkommens als Rückzahlung an alle Gemeinschafts-Beteiligten fließen. „Bedingungsloses Grundeinkommen“ würde viel unnötige Spannung aus den Familien-Verbänden wegnehmen. So weit kommt es; muss es kommen, damit ein friedfertiges Leben auf der Erdfläche möglich sein sollte. Bis jetzt gibt es in dem patriarchalisierten System, in dem wir weltweit leben, Krieg, Krieg und weiter Krieg um Ressourcen…

    „Es ist nur die Frage und hier auch sehr wichtig, was Familie bedeuten soll bzw wie wird damit umgegangen, wenn die Herkunftsfamilie nicht funktioniert?“ (Bowitz)

    Was Familie bedeuten soll, ist für mich als matriarchats-interessierte Frau klar: Blutsverwandten der Mutter definieren im matriarchalen Sinne den Familien-Verband. Es gibt so keine weisen Kinder im Matriarchat wie im Patriarchat. Auch Herrschaft ist ein Symptom des Patriarchats. Das hier und jetzt ist nicht so einfach sich vorzustellen. Das gegenwärtige gesellschaftliche System ist nämlich männlich definiert und strukturiert. Dazu „waltet der „Vater-Gott über Alles“ – habe ich als Kind vernommen. Wir kennen doch die Brüderlichkeit (Aufklärung). Wer kennt aber die Schwesterlichkeit?

    Ich höre schon jetzt viele empörte Rufe männlicher Stimmen: „Die Frauen wollen das Sagen haben!“ Und ob es nicht stimmt. Jeder Mensch – ob weiblich oder männlich – kann das Sagen haben. In matriarchalen Gemeinschaften wird der ausgesuchte Onkel (eins der Brüder der Mutter – insofern vorhanden) zum sozialen Vater gekrönt. War das nicht so, dass Josef der Zimmermann der soziale Vater von Jesus vom Nazareth wurde? Maria, seine leibliche Mutter musste die Plagen auf der Erde ertragen, während der Gott-Vater hinter den Wolken waltete.

    Real gibt es heute im Patriarchat Klein-Familie als eine der schlimmsten Varianten, weil diese drei Menschen: Vater, Mutter und Kind unter sich alles schultern müssen und die Wirtschaft noch ankurbeln sollen. Patchwork-Familie ist so Art Flucht von der oft als Seuche empfunden Familie.

    Hätten sich die Patchwork-Familien-MitgliederInnen nicht patriarchalisch verhalten – und wir sind heute alle im ausgehenden Patriarchat lebende Menschen patriarchalisiert – wäre diese Form womöglich eine Alternative. Ja, wie kommen wir daraus?

  • Sabrina Bowitz sagt:

    Zu einer Kampagne bin ich gerne bereit, man müsste dann natürlich überlegen, wie die aussehen soll und wie es organisiert wird, aber das wäre sicher machbar.
    Ich habe da eine etwas andere Meinung als Sie, bezüglich dem Stellenwert der Familie. Ich heiße es genauso als richtig und wichtig, dass Familien, in denen alles gut läuft oder sagen wir mal relativ gut, unterstützt werden. Andererseits sehe ich es nicht als einen Hype an, dass so viele Familien als schlecht dargestellt werden. Wenn ich mir die Missbrauchszahlen anschaue, die ja auch um einiges niedriger sind, als sie es wirklich sein sollten (Dunkelziffer etc) kann ich mir ungefähr vorstellen, wie viel Leid verhindert werden würde, wenn der Stellenwert der Familie nicht mehr so groß wäre. Und es wäre auch wichtig, dass Jugendämter besser eingreifen, stärker und genauer für die Kinder. Von einer Änderung des Strafrechts mal ganz zu schweigen. Wie kann es sein, dass Diebstahl mehr bestraft wird als eine Vergewaltigung? Aber na gut, anderes Thema.
    Ich würde dafür stimmen, dass Familien mehr unterstützt werden, aber eben auch die Muster, in denen wir denken, was Familien sein sollen, aufgehoben werden und alle, die Kinder gut unterstützen, von staatlicher Seite auch unterstützt werden.
    Hier ist es natürlich schwierig dafür Kriterien zu finden, aber zumindest könnte man zuerst etwas dafür tun, dass Kinder besser vor Misshandlungen und Missachtung geschützt werden. Danach bleiben sowieso die in dem Sinne guten Familien zurück, die man weiterhin unterstützen kann, auch finanziell.

    Ich bin definitiv auch für das Grundeinkommen, als Menschenrecht, bin derzeit jedoch auch noch bei Überlegungen, wie es zu finanzieren wäre.
    Steuern auf Umweltzerstörung und Strafen darauf zu verwenden um das Grundeinkommen zu finanzieren wäre ein guter Ansatz, meines Erachtens, aber es lassen sich sicher noch andere finden.
    Was Sie schreiben, Frau Starosczyk kann ich nur unterstreichen. Wir wachsen in diesem männlich geprägten System auf, jedes Mal im Geschichtsunterricht fiel mir auf, dass keine Frau erwähnt wurde. Dabei wurde mir später klar, dass in 1000 Frauen (nur ein Beispiel) so viele Frauen,die viel geschrieben, gedacht und bewegt haben, beschrieben wurden. Warum kamen die nie im Geschichtsunterricht vor? Und so lernt die Schülerin:Ich spiele hier keine Rolle.
    Und Jungen lernen: Frauen spielen keine so große Rolle.
    In der Schule wird immer nur erzählt, wie sehr wir unterdrückt waren, nichts von großen Leistungen oder Denkerinnen.
    Das muss sich ändern!
    Aber ich sehe auch die Schwierigkeiten. Unsere ganze Sprache, unsere Denkwelt, schier alles ist hierarchisch-männlich geprägt- wie löst sich sowas auf?
    Was wäre Schwesterlichkeit? Was wäre ein feministisch-emanzipatorischer Ansatz für Frauen und Männer?
    Wie könnte das aussehen?

    Letztens ist mir wieder ein Satz untergekommen, da sträubten sich in mir alle Nackenhaare und zwar:”Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau”. Wunderbar. Damit sagen wir a) aus, dass Frauen hinter Männer stehen, b) dass ein Mann eine Frau haben muss und c) dass ein Mann die Unterstützung, vor allem im Haushalt, von seiner Frau braucht und d) dass Frauen im Grunde dafür existieren mit Männern zusammenzusein und diese zu ernähren.
    Natürlich können sie stark sein, aber wenn dann nur für
    den Mann und nicht für sich allein.
    Das wäre auch noch so ein Thema, was man in der Care-Kampagne thematisieren kann.
    Wer sagt denn, dass die Ausrichtung auf ewiges Wachstum, das es eh nicht gibt, richtig ist und dass die Lohnverteilung, die es gerade gibt richtig ist?
    Ich frage mich nur auch, wie wir daraus kommen, denn ich merke, jedes Mal im Alltag, bei jedem Gespräch, mit Frauen und Männern, dass wir alle in diesen Denkmustern leben.
    In jeder Beziehung.
    Ich hoffe, dass wir durch stetiges Ansprechen und darauf hinweisen etwas ändern können und dadurch etwas bewegen, was dann größer wird.
    Das wünsche ich mir zumindest.

  • Karina Starosczyk sagt:

    Grüß Dich Sabrina Bowitz

    Ich bin grade von „Denkumenta 2013“ zurückgekommen. Auch dort wurde u.a. das Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“ von Ina Praetorius thematisiert.

    Wir leben eben im ausgehenden Patriarchat, wo Frau systemimmanent „zweite Geige“ spielt und männliche Denkmuster die „erste Geige“ spielen.

    „In der Schule wird immer nur erzählt, wie sehr wir unterdrückt waren, nichts von großen Leistungen oder Denkerinnen.“ – Mit diesem „wir“ kann ich mich keinesfalls identifizieren. Es ist dabei die Rede von Polen, Deutschen… Und die Schule in patriarchalisch organisierten Systemen sorgt für die Verbreitung der patriarchalischen Propaganda! – leider alles Realität. Und wir Frauen dürfen auch zur Schule.

    „Unsere ganze Sprache, unsere Denkwelt, schier alles ist hierarchisch-männlich geprägt- wie löst sich sowas auf?“ – Wenn wir Frauen uns auf uns selbst konzentrieren und nicht auf den „Ehe“-Mann?

    „Wer sagt denn, dass die Ausrichtung auf ewiges Wachstum, das es eh nicht gibt, richtig ist und dass die Lohnverteilung, die es gerade gibt richtig ist?“ – Nur ein naiver Trottel kann so was von sich geben.

Verweise auf diesen Beitrag

Weiterdenken