beziehungsweise – weiterdenken

Forum für Philosophie und Politik

Rubrik Blitzlicht, leben

Wer Arbeit hat, hat oft zu viel davon

Von Juliane Brumberg

2014_06_Textilarbeit_AusschnittAlle freuen sich auf freie Zeit am Wochenende, viele stöhnen, wenn sie am Montag wieder zur Arbeit müssen. Wenn man nachfragt, macht den meisten Menschen ihr Beruf  Spaß, sie gehen gerne zur Arbeit. Trotzdem unterteilen sie zwischen „guter“ Freizeit und „unangenehmer“ Arbeitszeit. Warum eigentlich? Ein „zuviel“ an Arbeitszeit könnte der Grund sein? Vollzeit-Berufstätige kommen während der Woche aufgrund der Bürozeiten oder sehr hoher Arbeitsbelastung kaum zu Einkäufen, Arztbesuchen und ihrem eigenen Haushalt. Und gerne hätten sie mehr Zeit für ihre kranken Eltern oder ihre kleinen Kinder.

Als die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig im Januar eine 32-Stunden-Woche für Eltern vorschlug, wurde sie zurückgepfiffen. Dabei ist die Idee gar nicht so verkehrt – nicht nur für Eltern. Für viele Frauen und auch viele Männer würde eine 32-Stunden-Woche eine große Erleichterung bringen. Es geht mir in diesem Fall nicht um einen Lohnausgleich aus Steuermitteln zur 40-Stunden-Woche. Es geht darum, darüber nachzudenken, welche Vorteile es hätte, wenn die Norm eine Regelarbeitszeit von 32 oder auch 25 Stunden für alle wäre. Wenn es normal wäre, dass die Arbeitsstrukturen auf eine 25 – 32-Stunden-Woche angelegt würden. Wenn es kein Karrierehindernis mehr wäre, wenn Männer oder Frauen nachmittags etwas früher nach Hause gingen, um sich um ihre Kinder oder ihre Eltern zu kümmern, sich ehrenamtlich zu engagieren oder einfach nur, um in Haus und Garten zu werkeln. Mit etwas gutem Willen ließe sich das in Schulen, Krankenhäusern und Behörden umsetzen. In manchen Bereichen der Automobilindustrie wird oder wurde das bereits praktiziert – allerdings aus Mangel an Aufträgen und nicht aus Familienfreundlichkeit. Gezeigt hat sich dabei: es geht, wenn man nur will. Man würde vielleicht etwas weniger verdienen, hätte dafür aber einen Gewinn an Lebensqualität.

So ein Umdenken zur Regelarbeitszeit, gepaart mit einem angemessenen Mindestlohn, würde es nicht nur Eltern, sondern allen Männern und Frauen erleichtern, berufstätig zu sein und trotzdem die Care-Arbeit zu leisten, die sie gerne leisten und nicht an andere delegieren möchten. Doch bisher scheint noch ein Tabu auf der Vollzeit-Berufstätigkeit zu liegen, die immer eine volle Ganztags-Arbeitswoche umfassen muss. Ein gutes Leben für alle bräuchte andere Visionen!

Kommentare zu diesem Beitrag

  • Jutta sagt:

    ja, sehr richtige Ausführung, auch wenn der Gedanke nicht wirklich neu ist. was können wir tun, damit dies Umdenken auch in den Köpfen der Arbeitgeber ankommt?

  • inge sagt:

    Zu viele Gruppierungen beurteilen die Sachlage für sich persönlich und für ihre Firma oder Organisation leider ganz anders. Das Leben mit Partner/in und Kindern ist ziemlich anstrengend. Viele drängt es nicht (mehr) danach diesen Zustand mit den damit verbundenen Aufgaben zu übernehmen, zumal sie in der Regel mit wenig Lohn und Dank verbunden sind. Dagegen rentiert sich am Arbeitsplatz ein/e vollzeitarbeitende/r Mitarbeiter/in offenbar deutlich mehr, als eine/r in Teilzeit. Junge Frauen im Alter von Manuela Schleswig sind die Gruppe, die beides will: Familie und Beruf. Alle anderen wissen, dass es für sie besser ist, wenn eine/r abgestellt wird, um sich um Haushalt und Familie zu kümmern. Diejenigen die arbeiten, stehen dem Arbeitgeber 150%ig zur Verfügung und können sich in ihrer Freizeit wirklich ausruhen. Sie und der Arbeitgeber haben von der derzeitige Regelung Vorteile. Die sogenannte Care-Arbeit bleibt mit denen die auf sie angewiesen sind (Kinder, Kranke, Pflegebedürftige) und denen die sich dafür entscheiden sie zu übernehmen, auf der Strecke.

  • Gesa Ebert sagt:

    Auch ich fand den Vorschlag von Manuela Schwesig gut, für Eltern eine 32-Wochen-Stunde anzubieten. Nein, neu ist er nicht (allerdings die Beschränkung auf Eltern).
    In Schweden hat meines Wissens eine Vollzeit-Erwerbstätigkeit nur etwa 32 Stunden, vielleicht auch 35 Stunden.
    Das wird bei den statistischen Vergleichen der Frauen-Erwerbstätigkeit auf europäischer Ebene nie berücksichtigt.

Weiterdenken