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Feminismen – eine Ausstellung in Gelsenkirchen

Von Marit Rullmann

Männliche Dominanz: Herkules von Markus Lüpertz

Männliche Dominanz: Herkules von Markus Lüpertz

Feminismus im Malocher-Förderturm? Und dann noch im Plural?
Was für ein beeindruckender Kontrast! Auf der einen Seite die strenge Industriearchitektur des denkmalgeschützten Nordsternturmes – ein imposantes Denkmal für die männlich dominierte Industriegeschichte des Ruhrgebietes. Neuerdings überragt durch den 18 Meter hohen Herkules, einer Skulptur von Markus Lüpertz, der als krönender Abschluss männlicher Herrschafts- und Gewaltansprüche auf dem Förderturm thront. Und direkt darunter ein Videokunstzentrum, in dem bis 20.12.2015 die Ausstellung „Feminismen“ zu sehen ist.

Maria Lassnig, Kantate (mit Hubert Sielecki), 1992

Maria Lassnig, Kantate (mit Hubert Sielecki), 1992

Aus der Sammlung „Neuer Berliner Kunstverein“ werden hier Vidoeinstallationen von mehr als 20 Künstlerinnen aus den letzten 40 Jahren gezeigt. (Der Schwerpunkt liegt dabei auf den 70er Jahren). Vertreten sind so prominente Namen wie Ulrike Rosenbach, Valie Export, Pipilotti Rist und Marina Abramovi. Dabei sind eine Uraufführung „Still“ von Sanja Ivekovic und eine „Kantate“ (1992) in 14 Versen, mit Episoden aus dem Leben der kürzlich verstorbenen österreichischen Künstlerin Maria Lassnig. Launig, ironisch und mit abgründigem Humor, dabei voller Altersweisheit, zeigt sich die damals 73-jährige Künstlerin „oben auf dem Berg der Reife“. Denn klar ist, „Es ist die Kunst ja, die macht mich immer jünger…“. Absolut Sehenswert!

Bedeutsam war die Entstehung der Videokunst gerade auch für Künstlerinnen. Sie benötigten plötzlich kein (teures) Filmteam mehr, mussten nicht mehr warten, bis die Filme entwickelt waren und konnten sowohl vor als auch hinter der Kamera agieren, wie die Künstlerin Friederike Pezold im Ausstellungskatalog erläutert.

Noch wichtiger war jedoch die „historische Referenzlosigkeit des Mediums“: Es gab keinen Bezug auf eine „vorbelastende Kulturgeschichte, in der jahrhundelang die Qualitätskritierien fast ohne Ausnahme von Männern bestimmt werden.“ (Ulrike Rosenbach.) Kein Wunder also, dass Videokunst zu einem Medium wurde, um das „männliche Blickdispositiv zu dekonstruieren“ und eine selbstbestimmte weibliche künstlerische Sehweise zu entwickeln.

Sanya Ivekovic, INSTRUCTIONS No.2, 2015

Sanya Ivekovic, INSTRUCTIONS No.2, 2015

Dies bestätigt sich in der Vielzahl der Sehweisen und Themen dieser Ausstellung. Es geht um Erotik, Schönheit und Alter, um feministische Diskussionen und Cross-Culture, um Entfremdung durch Werbung, Reflexionen über die Geburt der Venus und – um einen männlichen Kaffeesatzleser…

Der Titel „Feminismen“ ist ein absichtlicher Plural, der auf die Vielzahl der Sehweisen verweist und ausdrücklich „zur Entkanonisierung eines weißen hegemonialen Feminismus“ (Katalog) beitragen will. In der Ausstellung werden daher verschiedene Identitätskonstrukte sichtbar, ethnische und nationale Herkünfte thematisiert, ebenso wie sozialer Status, Hautfarbe oder Alter.

Neugierig geworden? Es lohnt sich, gerade im Sommer den Nordsternpark (ehemaliges Bundesgartenschau-Gelände mit eigenem Schiffsanleger) und diese Ausstellung zu besuchen.

Weitere Infos zur Ausstellung in Gelsenkirchen hier.

Autorin: Marit Rullmann
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 27.06.2015
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