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Rubrik denken, studieren

Wir handeln relationaler als wir denken

Von Claudia Conrady

In der „Denkwerkstatt Gerechtigkeit“ hat sich Claudia Conrady an den Beispielen des Rechts und der Familie Gedanken über unser Verständnis von Theorie und Praxis gemacht.

Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis

Theorie heiße Denken, Praxis heiße Handeln. Dieser einfache Dualismus prägt unser Verständnis menschlicher Tätigkeiten in vielen Kontexten. In der Philosophie hingegen unterscheiden wir zwischen theoretischer und praktischer Philosophie. Letztere wird dabei in erster Linie zur Denktätigkeit und erst in der konkreten Anwendung zur Handlung. Andrea Günter macht diese Differenziation bereits in ihrem Text Warum eine Denkwerkstatt? stark und im Folgenden möchte ich an den Beispielen Recht und Familie aufzeigen, wie der Dualismus Theorie-Praxis dazu führen kann, dass praktische Bereiche missverstanden werden.

Nehme ich die Unterscheidung zwischen theoretischer und praktischer Philosophie ernst, so zähle ich das Konzept Recht zum Feld der Theoriebildung über eine potenzielle angewandte Praxis. Ich muss es demnach als eine Denktätigkeit verstehen, die Handlungsspielräume organisiert, verschiedene Perspektiven möglich macht und Relationen erzeugt. Oft findet jedoch eine Verschiebung von der Praxis in die Theorie statt. Versteht man beispielsweise ein Gesetz nicht als eine praktische (historische, kontextuell wirkende), sondern als eine absolute Größe, wird es zu einem Metaphysikum, das der Logik „y IST“ folgt. Es wird zu einem Ursprung, dessen Folgen eindeutig zu sein scheinen. Über das verschriftlichte Gesetz und die darin aufgestellten Leitlinien spreche ich in diesem Sinne schnell definitorisch, dogmatisch und mit dem Gedanken des Absoluten: Mörder ist, wer … Paragraf 211, Artikel 2 StGB. Ver- und Gebote wirken auf mich starr und unverformbar, geschrieben für ein abstraktes Bürgerwesen, das genauso viele Eigenschaften vereint, wie es ausschließen soll: Es ist Mann und Frau, verheiratet und ledig, mit und ohne Migrationshintergrund, jung und alt, … Die Welt des Rechts scheint einer geschlossenen und kohärenten Logik zu folgen, in der es keine Öffnungen gibt und die für Laien unerreichbar wirkt. Scheinbar jede Kleinigkeit muss schon im Vorhinein geregelt worden sein. Soll der Besonderheit eines Falls genüge getan werden, müsste für jeden Fall ein passendes Gesetz existieren, dessen Inhalt automatisch angewendet werden kann, vorausgesetzt, die Merkmale des Gesetzestextes werden durch den Tatbestand erfüllt. Ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen oder gar ein altes zu reformieren dauert außerordentlich lange. Den Werdegang eines neuen Gesetzes bzw. einer Veränderung der gegenwärtigen Gesetzeslage habe ich in der Vergangenheit durch die gängige mediale Repräsentation häufig als steinig, langwierig und manchmal sogar schier unmöglich empfunden, weil scheinbar schon in der Formulierung eines Gesetzestextes alle Szenarien auf einmal abgedeckt werden sollen, um dem maximal abstrakten Bürgerwesen „gerecht“ zu werden. Die Reform des Mordparagrafen 211 im Strafgesetzbuch ist ein Beispiel dafür, wie eine heiße Debatte darüber entbrennen kann, welche Formulierung den Paragrafen am tauglichsten für die Rechtspraxis machen kann. Der Verlauf dieser Debatte deckt auf, dass ein ontologisches Verständnis von Recht mit dogmatischen Mitteln bekämpft werden soll.

Recht als relationale Größe

Dieses ontologische Verständnis von Recht ist meiner Ansicht nach Ausdruck eines falschen Theorie-Praxis-Verständnisses. Bei einer genaueren Betrachtung der tatsächlichen Rechtspraxis fällt mir jedoch auf, dass der relationale Charakter, wie ihn die praktische Philosophie zum Thema hat, durchgehend präsent ist. Umso mehr fasziniert mich daher die Diskrepanz zwischen Sprechen/Selbstverständnis und Handeln/angewandter Praxis, die sich bei meinem Versuch, Recht als relationale Größe zu veranschaulichen, offenbart.

Schaue ich mir den Ablauf z.B. eines Strafverfahrens an, entdecke ich Relationalität in allen Abschnitten. Der gesamte Prozess beginnt mit dem Ermittlungsverfahren. Hier treten Staatsanwaltschaft und andere Behörden, z.B. die Polizei, miteinander in Relation, indem sie sich gegenseitig in der Beweiserhebung unterstützen und gemeinsam be- wie entlastende Umstände ermitteln. Gleichzeitig entwickeln sich Relationen zu Fällen, die Ähnliches thematisieren. Die Staatsanwaltschaft zieht vorausgegangene Leitentscheidungen des Bundesgerichtshofs oder des Bundesverfassungsgerichts, um nur zwei Beispiele zu nennen, heran, um deren Argumentationsführung und Urteile mit dem vorliegenden Fall zu vergleichen. Das Verhältnis zwischen einem Urteil in der Vergangenheit und einem Fall in der Gegenwart wird dadurch zukunftsorientiert, nämlich um gerechtere Verhältnisse in der Zukunft zu schaffen.

Entscheidet die Staatsanwaltschaft, dass eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch, wird den Angeklagten eine Vorladung zugesandt. Diese suchen in der Regel rechtlichen Beistand bei Strafverteidiger_innen, die nun Akten zum Fall einsehen dürfen. Bereits im Ermittlungsverfahren bestehen also Relationen zwischen Personen (Staatsanwaltschaft, Polizei, Angeklagte, Strafverteidiger_innen) und „Sachen“ (Akten). Der nächste Schritt ist ein Zwischenverfahren, in dem das Gericht prüft, ob der Fall fortgeführt werden soll. In Vorbereitung auf das daran anschließende Hauptverfahren, vergleichen nun auch die Strafverteidiger_innen den Ihnen anvertrauten Fall mit vergangenen Entscheidungen. Ihre Zielsetzung liegt allerdings darin, den Richter_innen die für ihre Klient_innen günstigen Urteile vorzustellen.

Im Hauptverfahren, das im Gerichtssaal stattfindet, formen sich weitere Relationen zwischen Angeklagten, Staatsanwaltschaft, Strafverteidiger_innen und den wichtigen Sachverständigen, Zeug_innen, Schöff_innen und Richter_innen, die ihrerseits nun verschiedene Arten von Vergleichen anstellen müssen, um Recht zu sprechen. Sie beziehen nicht nur die Aussagen der im Fall Involvierten, also der Angeklagten, Zeug_innen, Sachverständigen und Anwält_innen mit ein, sondern auch die Urteile vergangener, ähnlicher Fälle, auf die sie von Staatsanwält_innen und Verteidiger_innen aufmerksam gemacht werden oder die sie selbst bestens kennen.

Recht relational begreifen. Abbildung;  Subcommandante, Wikimedia Commons

Recht relational begreifen. Abbildung: Subcommandante, Wikimedia Commons

In der Sichtbarmachung der Relationen zwischen unmittelbar beteiligten Personen (Richter_innen, Anwält_innen, Angeklagte, Zeug_innen, Sachverständige) und historischen Situationen (Vergleiche, Akten) entsteht eine Vielzahl an Verbindungen, die den Blick auf das Konzept Recht dynamisch machen. Dadurch bekommen die abstrakten Bürgerwesen Gesichter, Geschichten und stehen plötzlich nicht mehr in einem luftleeren Rechtsraum, sondern in einem klaren Kontext. Sie treten miteinander in Relation, indem sie kommunizieren und gemeinsam an der Aufklärung des Konflikts beteiligt sind.

Aus einem einseitigen und abstrakten Schluss von Gesetzbüchern auf Recht kann ich ein vielseitiges, komplexes und dynamisches Mobile entwickeln, das in einen Kontext eingebettet werden muss, wenn die Frage nach Rechtsprechung beantwortet werden soll. Selbst wenn in zwei völlig unterschiedlichen Fällen die gleichen Paragraphen des geschriebenen Gesetzes Anwendung finden, können die Urteile komplett verschieden ausfallen, da eben nicht das abstrakte Bürgerwesen vor Gericht steht, sondern Individuen mit komplexen Hintergründen. In der von mir bereits erwähnten geplanten Reform des Mordparagrafen wird mir dies besonders deutlich. In einem Spiegelartikel vom August 2014 (Melanie Amann, „Du sollst nicht morden“, Spiegel, 32/2014) führt Melanie Amann zwei Fälle an, die demonstrieren können, dass der gleiche Paragraf im Bezug auf den jeweiligen Kontext zu völlig verschiedenen Urteilen führen kann. Auf der einen Seite steht das Mitglied eines Motorradclubs, das einen Kumpanen mit den Worten „Auf die Knie, du Schwein“ erschießt, weil dieser seine Schulden nicht begleichen konnte und aus Angst vor der Rache der Gang untergetaucht war. Das Urteil belief sich in diesem Fall auf Totschlag mit einer Gefängnisstrafe von sechseinhalb Jahren. Auf der anderen Seite steht ein 75-jähriger Rentner, der mit der Pflege seiner dementen 88-jährigen Frau völlig überfordert ist und sie an einem Morgen, an dem Kaffeemaschine und Herd auf einmal kaputt gehen, von ihren Schmerzen erlösen will, indem er sie mit einem Kissen erstickt. Er versucht, sich selbst das Leben zu nehmen, überlebt allerdings und wird zu lebenslanger Haft verurteilt, da er laut Paragraf 211 StGB „heimtückisch“ gemordet habe.

Wie bewusst sich die Richter_innen bei ihren Entscheidungen eines relationalen Verständnisses von Gerechtigkeit waren, kann ich nicht sagen. Wenn ich jedoch diese beiden Fälle in Verbindung bringe, wird mir bewusst, dass es sowohl mehr relationaler angewandter Praxis als auch einer Rekategorisierung von Recht als Teil der praktischen Philosophie bedarf um gerechtere Verhältnisse zu schaffen. Bereits in der Ausbildung der Jurist_innen legen die Studierenden ein und dasselbe Fallbeispiel auf unterschiedlichste Art und Weise aus, wenden verschiedene Gesetze an und gleichen ihre Beurteilungen mit denen von anderen Studierenden und aus anderen Fällen ab. Woher kommt also der dogmatische Blick auf Recht, wenn schon im Studium relationale Praxis eingeübt wird?

Meine Antwort auf diese Frage lautet, dass die Verschiebung des Begriffs von der praktischen in die theoretische Philosophie dieses Selbstverständnis erzeugt. Gleichzeitig scheint die angewandte Rechtspraxis zu selten reflektiert zu werden. Der Blick auf Gesetzbücher als Definition von „Recht“ bleibt starr, wie die geplante Reform des Mordparagrafen zeigt. Der Dogmatismus, der sich in der Metadiskussion des Konzepts Recht offenbart und der es als ontologische Kategorie festschreibt, steht in krassem Gegensatz zu der case law Praxis, die auf Basis von Vergleichen Recht schafft und die in anderen Ländern wie z.B. Großbritannien zum juristischen Selbstverständnis gehört. Dabei zählt vor allem die Relation zu vergleichbaren Fällen, die als Leitlinien für die aktuelle Entscheidung dienen sollen, und weniger ein fest vorgeschriebenes Ge- oder Verbot. Meiner Ansicht nach bedarf es mehr als eines wie abstrakt auch immer gefassten Gesetzestextes um gerechtere Urteile zu fällen. Auch ein Gesetz muss als relationale Größe ernst genommen werden um seine Wirkung zu entfalten. Dazu zählt in obigem Beispiel, dass wir weitere Bögen schlagen und Gesetze mit Gesetzen in Beziehung bringen, die offenbaren können, wie das Verhältnis zwischen verschiedenen Urteilen gerechter werden kann.

Rekonstruktion relationaler Größe, z.B. „Familie“

Dieses Beispiel ist nur eins von vielen, das uns zeigen kann, wie wenig relational wir oft über Konzepte denken und sprechen und wie relational wir doch handeln, sprich: wo wir Bereiche der Praxis als reine theoretische Größen behandeln. Betrachte ich das Konzept „Familie“ geht es mir ähnlich wie beim Konzept „Recht“. Ein typisches Bild von Familie in den Medien ist das der bürgerlichen Kleinfamilie, welches das Verständnis dieses Konzepts seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert stark geprägt hat. Zur prototypischen bürgerlichen Kleinfamilie gehören der männliche Ernährer und seine Frau, die sich ganz der Erziehung der zwei Kinder und der Pflege des Haushalts widmet. In meinem Bekanntenkreis gibt es wenige Familien, die diesen Typus noch erfüllen. Ich erkenne andere Modelle mit zwei arbeitenden Eltern, deren Kinder schon mit einem Jahr in die Kita gehen, einem Hausmann, dessen Frau im besser bezahlten Job arbeitet, einer Alleinerziehenden, die von ihrer Mutter in der Versorgung ihres Kindes unterstützt wird, einem lesbischen Paar, das zwei Pflegekinder zu sich genommen hat. In der Darstellung der Medien wirken diese Familien manchmal exotisch, auf jeden Fall aber werden sie als Teil eines aktuellen Trends dargestellt, der auf höhere Scheidungsraten und die post-feministische Gesellschaft zurückzuführen ist, wenn wir konservativeren Stimmen Glauben schenken möchten. Nach wie vor mangelt es diesen Konzepten von Familie an Sichtbarkeit.

Meiner Ansicht nach hört die Vielfalt der Familien aber nicht in der Gegenwart auf. Vielmehr lohnt es sich, in die Vergangenheit zurückzublicken und festzustellen, dass zu allen Zeiten Familien existierten, deren Komplexität weit über die Variante Vater-Mutter-Kind(er) hinausging. Da wachsen unehelich gezeugte Kinder nach dem frühen Tod der Mutter mit dem Stiefbruder bei Großmutter und später Onkel und Tante auf, da behandelt die zweite Frau des Vaters dessen Kinder wie ihre eigenen, da lebt die kinderlose Tante im Haus der Eltern und kümmert sich um die Erziehung der Kinder, damit die Mutter auf dem Bauernhof mitarbeiten kann. Immer schon haben Menschen verschiedener Generationen zusammengelebt und das Konzept Familie de- und rekonstruiert, indem es für sie wichtiger war, für einander Verantwortung zu übernehmen und sich gegenseitig zu versorgen als einer abstrakten moralisierenden Definition gerecht zu werden. Wie den als zeitgenössischer empfundenen Familienkonzepten mangelt es auch diesen historischen an Sichtbarkeit. Selten sind wir uns bewusst, dass in unserer eigenen Familiengeschichte die klassische Kleinfamilie möglicherweise am wenigsten repräsentiert ist. In diesem Sinne bedeutet „Familie sein“ für mich, sich innerhalb eines Generationengefüges zu versprechen für einander Verantwortung zu übernehmen.

Sowohl im Bezug auf das Konzept „Recht“ als auch auf das Konzept „Familie“ haben wir oft eine sehr klare und vor allem klar abgegrenzte, abstrakte Vorstellung davon, was zur Definition des Begriffs gehört. Das Selbstverständnis im Bezug auf die beiden Begriffe unterscheidet sich allerdings: Während wir „Recht“ oberflächlich gar nicht als relationale Größe identifizieren, fassen wir „Familie“ schneller in Relationen. Dennoch behandeln wir selbst ein Konzept, bei dem uns sein relationaler Charakter bewusst ist, in absoluten Kategorien. Im Widerspruch zu unserem Reden und Denken steht allerdings unser Tun, das wir nicht ausreichend reflektieren um festzustellen, dass sich schon durch die Beschreibung unserer Praxis Relationen bilden und gedanklich Mobiles entstehen. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit, wie ich sie im Beispiel des Konzepts „Familie“ beschrieben habe, soll dabei kein nostalgisch-wehmütiger Blick zurück sein, sondern vielmehr das Potential des relationalen Denkens demonstrieren. Indem wir unsere eigene Geschichte reflektieren und der relationalen Denkweisen und Praktiken unseres Handelns gewahr werden, können wir Handlungsspielräume für eine relationale Denkweise öffnen.

Der Gewinn dabei ist, dass im Bezug auf mein erstes Beispiel Recht der Begriff Gerechtigkeit neu gefasst werden muss. Die Ge- und Verbote eines Gesetzestextes auszuführen ohne auf die Urteile vergangener Fälle zu schauen mag zwar dem dogmatischen Selbstverständnis mancher deutscher Jurist_innen entsprechen, allerdings nicht deren Handeln. Im Vergleichen und In-Relation-Setzen offenbart sich die Bemühung unter Blick auf die Vergangenheit durch eine Entscheidung in einem gegenwärtigen Fall in der Zukunft gerechtere Verhältnisse zu schaffen. Die Diskussion um die Reform des Mordparagrafen zeigt meiner Meinung nach eine Problematik auf, die sich im Kreis dreht. Eine dogmatische Formulierung soll durch eine dogmatische Formulierung ersetzt werden. Es geht nicht mehr darum, Entscheidungen zu treffen, was das charakteristische Merkmal der Rechtsprechung ist, sondern eine ontologisch aufgefasste Größe umzudefinieren. Letztendlich wird aber auch die Praxis für einen reformierten Gesetzestext relationaler sein, als wir uns momentan bewusst sind.

Auch die Größe Familie kann durch eine Dezentrierung der Absolutheit des Konzepts, durch ein relationales Modell, neu gedacht werden. In diesem Beispiel liegt der Gewinn allerdings in erster Linie darin, dass durch die Reflexion und Sichtbarmachung nicht-normativer Familienkonzepte in der Geschichte eine bislang verdrängte Tradition für Familien jenseits der stereotypen bürgerlichen Kleinfamilie zum Vorschein kommt. So eröffnet der Blick auf die Vergangenheit Menschen in der Gegenwart Vorbilder und Anknüpfungspunkte, um in der Zukunft Familie zu gestalten. Der Begriff Familie kann dadurch so dezentriert werden, dass nicht Merkmale einer Definition erfüllt werden müssen, sondern die besonderen Relationen zwischen den Menschen, die sich der Familie zugehörig fühlen, entscheidend sind. Der englische Begriff relatives für Verwandte spiegelt dieses Verständnis von Miteinander-In-Relation-Stehen in meinen Augen sehr gut wider.

Sowohl für das Konzept Recht als auch das Konzept Familie wird immer wieder deutlich, dass unser Diskurs und unser Selbstverständnis unserem tatsächlichen Handeln komplementär gegenüberstehen. Wo angenommen wird, dass dogmatisch in klar abgegrenzten Definitionen gedacht würde, kann völlig relational gehandelt werden, z.B. indem Vergleiche zwischen gegenwärtigen und vergangenen Situationen angestellt werden. In der Erkenntnis dieser Diskrepanz liegt in meinen Augen der Schlüssel zu bewussterem Reflektieren unseres Handelns, das uns ermöglichen kann, neue Wege zu denken und dadurch Handlungsspielräume (wieder) zu eröffnen. Darüber hinaus können wir so erkennen, dass Gerechtigkeit nicht als absolute Größe, sondern als eine Denkweise zu verstehen ist. Sie bildet eine neue Metaphysik, die praktische Philosophie zugeordnet werden kann. Es ist daher erforderlich ein umfangreiches Wissen über die Bedeutung und Praxis der Relationalität zu entwickeln, um uns aus festgefahrenen, linearen Denkmustern befreien zu können, denen auch der Begriff der Gerechtigkeit immer wieder anheim gefallen ist. Dabei ist die Rekonstruktion verschiedenster anderer Konzepte und deren Relation zu Gerechtigkeit im Sinne einer praktischen Philosophie ebenfalls erforderlich. Nur so können wir erkennen, dass Gerechtigkeit relational zu begreifen ist und Verhältnisse nur dann gerechter werden können, wenn wir in Form eines entsprechend qualifizierten Mobiles denken, reflektieren und handeln.

Autorin: Claudia Conrady
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 21.07.2015
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