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Rubrik erzählen

Befreien

Von Sabrina Bowitz

Feuerspielerinnen auf dem Mythodea.

Feuerspielerinnen auf dem Mythodea.

Sie lächelt. Sie weint. Sie ist eine ganze Person, in ihrem Körper, in ihrer Seele, in ihrem Intellekt, in all ihrem Sein und allem, was zu ihr gehört. Sie weiß, was sie sich wünscht, und weiß, woher ihre Wunden kamen, was sie bewirkt haben, und welche Bilder ihre sind und welche nicht.

Sie tanzt frei. Der Boden gehört ihr wie die Bäume, die mit ihr tanzen, wie die Menschen, die sie wirklich lieben, wie die Menschen, die aufrichtig sprechen und leben und verändern, was nicht zu ihnen passt. Die da sind und leben.

Sie weiß, dass Menschen, die sie verletzt haben, nicht sie gesehen haben, und dass es nicht ihre Schuld war. Sie weiß, dass das, was in der Schule, in der Uni, auf der Straße erzählt wurde, oder in den Medien, nicht der Wahrheit entspricht. Sie weiß, dass es andere Bilder sind, die ihre sind. Dass ihre Weisheit eine andere ist, dass ihre Gesellschaft eine andere ist, ihre Liebe eine andere, ihre Intelligenz eine andere und ihre Wünsche auch. Sie ist frei.

Und sie weiß, dass ihre Erotik eine andere ist. Ihre Sexualität eine andere ist. Und sie nicht gebunden ist an die Gewalttätigkeit der Bilder der Gesellschaft, sondern ihre eigene finden kann. Sie weiß, was für sie Zartheit und Gutes bedeutet, sie schmeißt Bücher weg, die ihr nicht gut tun, sie wirft alles weg, was ihr nicht gut tut, weil sie weiß, dass es nichts bringt. Und sie weiß, was ihre Bilder sind. Da ist Ruhe. Sie sieht den Mond. Die Sterne lachen. Sie lächelt. Sie weint. Weil sie ist.

Sie lebt, wie es ihr gut tut.

Immer.

Sie tanzt es weg. All die Worte, die nicht ihre waren. All die Bilder, die nicht ihre waren. Sie malt ihre Wunden. Sie malt ihre Freude. Sie lebt. Sie hört zu. Ihren Freundinnen, die leben, die lieben können, die wissen, dass sie wunderbar sind. Sie weiß, dass sie leben kann, wie sie es möchte und dass sie nicht in schlechten Situationen bleiben muss. Ihre Bilder sind ganz eigene. Sie nimmt den Pinsel in die Hand und malt selbst. Ohne Vorgaben. Ohne kranke Wünsche von anderen, sondern ihre. Sie lässt los. Menschen, die ihr nicht gut getan haben, Wunden, die Worte, die sie verletzt haben, die Ansichten, die nicht ihre waren.

Die Leinwand ist leer.

Und sie fängt neu an.

Mit ihren eigenen wunderbaren, trauernden, sich freuenden, schönen und immer freien Bildern! Mit ihrer eigenen Art zu leben, ihre eigene, für sie gute Art zu lieben und ihren eigenen, ureigensten Wünschen und Vorstellungen. So wunderbar frei. Jeden Tag. Frei.

Es rauscht leise. Im Wald ist Ruhe.

Sie tanzt.

Frei. Für sich. Sie lacht. Und weint.

Und

ist

endlich

frei.

 

Frei.
Frei.
Frei.

Autorin: Sabrina Bowitz
Redakteurin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 01.09.2015
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Anja sagt:

    Liebe Sabrina,
    ein schöner Text, der Lust auf die innere Freiheit macht!
    Alles Liebe,
    Anja

  • Sonja sagt:

    Beneidenswert, diese beschriebene Person!
    Ich werde mir Einiges abgucken!
    Danke!

  • Elfriede Harth sagt:

    Was muß eine Frau für einen Weg gegangen sein, um diese Freiheit zu erlangen! – Macht allen Mut! Danke!

  • Sabrina Bowitz sagt:

    Hallo, danke für die tollen Kommentare!
    Die haben mich sehr bewegt. Ich glaube, Freiheit entsteht dann, wenn Ehrlichkeit wirklich möglich ist. Also, die ganze Wahrheit draußen ist und Veränderung stattfindet. Ich habe oft gemerkt, dass erst eine Wahl existiert, wenn überhaupt bemerkt wird, dass vorher keine Wahl da war, weil frau oder man etwas vorgelebt bekommen hat, das nicht der Wahrheit entspricht, dass nur eine Facette und meistens sogar eine schlechte ist.
    Es tut so gut, sich von diesem ganzen Müll, was es ja meistens ist, zu befreien. Und dann selbst zu wählen.

  • Gabi Pöhacker sagt:

    Liebe Sabrina,
    ja und ja und ja und JA.
    Freiheit entsteht, wo Wahrheit möglich ist.
    Meine, deine, unsere auch. Ich weiß das und bin echt ermutigt,
    es ausgedrückt zu finden.
    So.
    Ich komme gerade von so einer Situation mit einer Freundin.
    DAS ist Glück.

  • Elisabeth Glücks sagt:

    Ich habe mitgeweint, mitgelacht und mitgetanzt… so schön und so wahr, was du beschreibst. Und ich schicke es meiner Tochter morgen zu ihrem 35. Geburtstag. Danke

  • Sabrina Bowitz sagt:

    Liebe Elisabeth Glücks, das bewegt mich ziemlich, hab jetzt gerade keine Worte dafür, aber das ist so schön! Der Text ist ja auch verletzlicher und ich find es so schön, dass der so viel bewegt.
    An Gabi, danke, im Grunde das gleiche. Ich hab es auch in so einem Moment geschrieben, wie du es beschreibst, voller Wahrheit und voller Freiheit. Tatsächlich nachdem ich getanzt hatte, zum ersten Mal so wirklich frei, nur für mich. Neben mir andere Frauen, die genauso frei waren, das war unglaublich schön. Ich hab förmlich gespürt, dass alle in diesem Moment bei sich waren und frei, du hast es auch in den Augen der anderen Frauen gesehen. Immer wenn eine andere Frau den Mut verloren hatte oder sich doch umgeguckt hat, was andere denken könnten, dann war es so, dass die anderen sie wirklich so ganz von selbst wieder bestärkt hatten. Da wusste ich wieder, was menschliche Freiheit bedeutet. Was es wirklich heißt. Weil es auch kein Problem war, wenn jemand geweint hat. Oder etwas Trauriges ausgedrückt hat, genauso wie Freude, weil das dazu gehört. Und das ist so unglaublich.
    Und das Bild einer Freundin, das hier zum Artikel gehört, passt perfekt dazu, es drückt genau die Worte aus und das was ich gefühlt habe, finde ich. Diese Energie und das Lebendige und Wählen können. Lebendig sein können. Deshalb bedeutet mir hier jedes Kommentar so viel!
    Es ist so schön, dass du das auch erlebt hast mit einer Freundin und sowieso, all das Bewegende hier.

  • Ute Plass sagt:

    Freiheit tanzen, liebe Sabrina, einfach toll. :-)

  • Sabrina Bowitz sagt:

    Danke Ute:). Ja, Freiheit tanzen, das ist wirklich so. Und Freiheit fühlen, entwickeln, selbst leben, das auch, die eigene.

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