beziehungsweise – weiterdenken

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Rubrik Blitzlicht

Wertebildung ist keine Einbahnstraße

Von Juliane Brumberg

Foto: Jerzy Sawluk / pixelio.de

Leitkultur und Wertevermittlung sind Schlagworte in der interkulturellen Debatte. Insbesondere Politiker und Politikerinnen fordern medienwirksam, dass Immigrant_innen und geflüchtete Menschen ihr Leben an „unseren Werten“ auszurichten hätten. Dabei wird übersehen, dass auch die Werte der „westlichen Kultur“ durchaus zu hinterfragen sind und dass Anspruch und Wirklichkeit oft nicht übereinstimmen. Das gilt auch und insbesondere für die Freiheit und Gleichberechtigung von Frauen, die meist an erster Stelle genannt werden, ohne dass dabei reflektiert wird, dass es auch in unserer deutschen Kultur massive Diskriminierung von Frauen gibt. Als Beispiel seien nur Gewalt, ungleiche Bezahlung oder sexistische Werbung genannt.

Das Grundgesetz ist die Basis, die alle in Deutschland lebenden Menschen zu respektieren haben. Darüberhinaus fördert es ein gutes Zusammenleben, wenn wir unser Leben nach gemeinsamen Werten ausrichten. Doch diese können wir Menschen, die in anderen Kulturen geprägt worden sind, nicht einfach vermitteln und überstülpen. Werte werden gebildet, günstigstenfalls in einem gemeinsamen Prozess, in interaktiven Beziehungen von Angesicht zu Angesicht.

Ein erster Schritt gemeinsamer Wertebildung ist die Selbstreflexion auf beiden Seiten. Die menschliche Ebene muss über die kulturellen Grenzen hinweg spürbar sein. Es geht darum, sich selbst und andere verstehen zu wollen, um Achtung statt Abwertung. So gilt es, die Sehnsucht nach einem guten Leben für alle zu wecken. Die echten Werte sind das, was man tut. Sie erwachsen aus einem lebendigen Miteinander. Deren Wunsch nach Zugehörigkeit bietet die Chance, die Immigrant_innen zu erreichen. Die Grenze verläuft nicht zwischen „denen“ und uns, sondern zwischen Menschen, die an ihren Werten arbeiten wollen und denen, die genau das ablehnen.

An der Münchner Hochschule für Philosophie wird derzeit eine Handreichung für Wertebildungsmaßnahmen im interkulturellen Kontext erarbeitet, die im Dezember 2017 der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Ziel ist es, damit Integrationsbeauftragte und Ehrenamtliche vor Ort zu unterstützen.

Kommentare zu diesem Beitrag

  • Ute Plass sagt:

    Soeben diese Sendung gehört, die mir zu diesem Beitrag
    passend erscheint:
    Sehr wichtig der Hinweise zu beziehungsorientierten, wie
    sachorientierten Botschaften. http://www.deutschlandfunk.de/daswochenendjournal.1664.de.html

    Sendung vom 08.07.2017
    Eine Frage der Identität
    Die Diskussion um den Doppelpass
    Das Bild zeigt eine verschlossene Holztür auf der Großer Sitzungssaal A1.16 steht. Des weiteren hängen drei Schilder an der Tür auf denen Einbürgerungsfeier, Bitte Türe geschlossen halten (Klimaanlage) und Bitte nehmen Sie Platz bis Sie aufgerufen werden – Kostenloser Getränkeausschank zu lesen ist. (Deutschlandradio / Petra Ensminger)

    Sie kommt immer wieder, die Debatte um den Doppelpass in Deutschland. Zuletzt ausgelöst durch die Abstimmung über das Präsidialsystem in der Türkei, bei dem Hunderttausende Deutsch-Türken für das Referendum stimmten. Der Anlass vor allem für Unions-Politiker, den Doppelpass wieder anzuzweifeln – weil er schädlich sei, der Integration nicht dienlich. Von Petra Ensmingert:

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