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Rubrik Blitzlicht

Die Qual der Wahl – wenig drin für Frauen. Bundestagswahl 2017

Von Jutta Pivecka

Ein beschämendes TV-Duell zwischen Kanzlerin (CDU/CSU) und Kandidaten (SPD) liegt hinter uns. TV-Moderatorinnen und –Moderatoren verschenkten wertvolle Sendezeit mit unsinnigen oder unsäglichen Fragen.

Was also haben die Parteien in ihren Programmen den Wählerinnen anzubieten? Wie gehen sie auf die sozialen Fragen ein, von denen insbesondere Frauen betroffen sind? Was bieten sie an, um die Armutsgefährdung von Alleinerziehenden, Pflegenden und Rentnerinnen zu mindern?

Alle Parteien* geben sich im Wahlkampf familien- und kinderfreundlich und werben damit, das Leben mit Kindern zu erleichtern. Die CDU bietet eine Erhöhung des Kindergelds auf 219 € im Monat und ein Baukindergeld. SPD, Grüne und Linke trauen sich noch einmal ans Ehegattensplitting und wollen es durch Steuermodelle ersetzen, die das Leben mit Kindern berücksichtigen statt der Ehe. Fast alle (außer der AfD) haben sich – im Großen und Ganzen vage bleibende – Konzepte zur „besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ausgedacht. SPD, Grüne und Linke wollen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Kindern durchsetzen. Die SPD wirbt vor allem auch mit der Abschaffung von Kita-Gebühren. SPD, Grüne und Linke versprechen zudem eine bessere Absicherung von Pflegenden, z.B. die SPD ein Familiengeld für Pflegende in Höhe von 150 € monatlich.

Insgesamt lässt sich feststellen: Die Parteien setzen auf eine Ausweitung der Erwerbsarbeit von Frauen. Ihre Ansätze beziehen sich dabei ausnahmslos auf die bestehenden Sozialsysteme. Daher zielen sie darauf ab, „Lücken“ in der Erwerbsarbeitsbiographie (notdürftig) auszugleichen. Konsequent für eine systemische Abkoppelung der sozialen Sicherung von der Erwerbsarbeit zu werben (bedingungsloses Grundeinkommen), traut sich keine der Parteien. Für erwerbstätige Frauen mit Kindern, die Steuern zahlen, wird bei SPD, Grünen und Linken am Ende wohl etwas mehr „übrig bleiben“. Aber viele Alleinerziehende z.B. verdienen so wenig, dass sie gar keine Steuern zahlen. Die Misere in diesen Familien ist nicht selten dadurch verursacht, dass unterhaltspflichtige Väter sich ihrer Verantwortung entziehen. Auch das traut sich keine Partei zu: Die Ansprüche von Kindern und Frauen gegen diese Männer mit der gebotenen Härte durchzusetzen.

Angesichts der Wahlaussichten der rechtsradikalen AfD ist eine Wahlenthaltung diesmal indiskutabel. Für eine grundsätzlich gerechtere Sozialpolitik, in deren Zentrum nicht mehr allein die Erwerbsarbeit steht, wird nach dem Wahlkampf jedoch gegen jede denkbare Regierung gestritten werden müssen.

 

*Hier wurden nur die Programme jener Parteien analysiert, die Aussicht haben in den nächsten Bundestag zu kommen: CDU/CSU, SPD, Die Linke, Bündnis90/Die Grünen, FDP, AfD.

 

Autorin: Jutta Pivecka
Eingestellt am: 04.09.2017
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