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Rubrik Blitzlicht

#MeToo-Debatte, Glaubwürdigkeit und Wertschätzung

Von Juliane Brumberg

Während der Veranstaltung zum Thema Freiheit in Rüsselsheim anlässlich des Internationalen Frauentages 2018 hatte ich ein bemerkenswertes Aha-Erlebnis. Formulierte Luisa Muraro doch einige Gedanken, die genau den theoretischen Überbau lieferten für eine Erfahrung, die ich gerade gemacht hatte.

Im Rahmen der #MeToo – Debatte ärgerte ich mich immer wieder über die süffisanten und überheblichen Kommentare von älteren Herren aus meinem weiteren Bekanntenkreis, die das Thema ins Lächerliche zogen, indem sie fragten: „Darf man jetzt nicht mal mehr Komplimente machen?“ usw. Das veranlasste mich, einem dieser althergebrachten Service-Clubs, die ursprünglich neben sozialem Engagement der lokalen Vernetzung berufstätiger Männer dienten, einen Vortrag zu dem Thema anzubieten. In diesem Club, in dem erst seit etwa 20 Jahren Frauen Mitglieder werden können, bin ich bekannt und gerne gesehen. Mein Angebot wurde angenommen – und ich war nun doch etwas erschrocken über meinen Mut.

Also bereitete ich mich gut vor, erklärte was ein Hashtag ist, erläuterte den Unterschied zwischen Sexismus, sexueller Belästigung und sexueller Gewalt, führte Beispiele an, beschrieb den Unterschied zwischen #Aufschrei und #MeToo, wies darauf hin, dass Flirten etwas Anderes ist, als der direkte Weg ins Bett, regte mich darüber auf, dass Sandra Maischberger in ihrer Talkrunde zum Thema die Hälfte der Sendezeit Diskussion zu Unrecht beschuldigten Vergewaltiger widmete, beschrieb, warum zu unserem sexistisch geprägten Alltag auch eine von Frauen selbst gepflegte Frauenfeindlichkeit gehört usw. usw.

Es waren sehr viele Zuhörer und auch Zuhörerinnen gekommen und sie hörten sehr aufmerksam zu. In der Diskussion kamen die üblichen Einwände, dass Männer doch auch mal ein Späßchen machen dürften und Frauen, anstatt empfindlich zu reagieren, doch einfach eine schlagfertige Antwort geben sollten. Und es wurde versucht, meine Beispiele zu sexistischen Bemerkungen zu banalisieren. Aber da meldete sich ein Mann zu Wort und gab mir mit ruhigen, klaren Worten Rückendeckung. Insgesamt wurde an den einzelnen Tischen noch lange und intensiv über das Thema diskutiert. Ein Mann sagte: „Ich teile nicht alles, was Sie vorgetragen haben, aber ich fand es sehr interessant.“ Von vielen Männern und Frauen bekam ich die Rückmeldung, dass sie jetzt die Problematik überhaupt erst richtig verstanden hätten. Ich solle den Vortrag doch auch noch in XY halten… Da zuckte ich zurück, obwohl ich doch mit einem guten Gefühl von diesem Abend nach Hause gegangen war.

Luisa Muraro bei ihrem Vortrag in Rüsselsheim. Foto: Juliane Brumberg

Und dann kam da in Rüsselsheim dieser Satz von Luisa Muraro: „Glaubwürdigkeit und Wertschätzung ist mehr wert, als Rechte zu haben.“ Das war es, vermute ich. Weil ich in diesem Service-Club Wertschätzung, Glaubwürdigkeit und damit auch eine gewisse Autorität genieße, wurde mir so aufmerksam zugehört und ich konnte die Inhalte vermitteln. Wenn ich aber als unbekannte Feministin in einer anderen Stadt vor fremden Menschen diesen Vortrag halte, muss ich mit viel weniger Interesse und viel mehr Gegenwind rechnen. Eine zweite Erfahrung deckte sich mit den Thesen von Luisa Muraro: Wenn wir wirksam sein wollen, müssen wir uns mit den besten Männern zusammen schließen, uns Verbündete suchen. Bei meinem Vortrag hatten auch die Rückendeckung und die klaren Worte eines klugen Mannes dazu beigetragen, dass meinen Beispielen die Bedeutung gegeben wurde, die ihnen zukam.

 

Autorin: Juliane Brumberg
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 04.05.2018
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Esther Gisler Fischer sagt:

    Ja,ohne Männer und deren Willen und Fähigkeit und Zuören und dann auch hoffentlich angemessenem Handeln geht’s nicht!

  • Ein toller Beitrag! Ich gratuliere zum Mut und zur Offenheit! Ich meine, dass wir nur gemeinsam aus unseren Klischees und der damit verbundenen Weltanschauung heraus kommen. Glaubwürdigkeit und Wertschätzung ergänze ich mit Respekt und Lernfreude, die es braucht, um gemeinsam neue Verhaltensweisen einzuüben. Vielen Dank für Ihre Gedanken! (ein älterer Herr)

  • Gesa Ebert sagt:

    Sehr interessant. Vielen Dank für diese Schilderung

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