beziehungsweise – weiterdenken

Forum für Philosophie und Politik

Rubrik Blitzlicht, lesen

Frau Einstein

Von Adelheid Ohlig

Warum bekam Mileva Einstein die gesamte Summe des Albert Einstein verliehenen Nobelpreises? An dieser Frage und aus dem Briefwechsel der beiden Studierenden vor ihrer Hochzeit lässt sich eine Mitwirkung Milevas an der Entwicklung der Relativitätstheorie herauslesen. Mileva Marić hatte ebenso wie Albert Einstein am damaligen Polytechnikum Zürich, heute ETH Zürich, Physik studiert. Dort verliebten sie sich, tauschten sich aus, arbeiteten gemeinsam an Projekten.

Marie Benedict nimmt die spärlichen Fakten und spinnt daraus eine Geschichte, die so hätte sein können. Sie zeichnet ein Zeitgemälde, stellt die Rolle der Frau Anfang des vergangenen Jahrhunderts vor und zeigt, wie schwer es den ersten Frauen an den Hochschulen Europas fiel, sich oft als Einzige inmitten einer geschlossenen Männerclique zu behaupten. Kamen sie dazu aus Osteuropa, so wie Mileva aus Serbien, wurde auch wegen dieser Herkunft auf sie herabgesehen. Auch wenn Albert Einstein später gern unkonventionell erscheinen wollte, so blieb er doch traditionellen Geschlechterrollen verhaftet. Denn sobald er und Mileva verheiratet waren, erwartete er – nebst den Diskussionen um Physik und Mathematik – dass sie den Haushalt ordentlich führte.

Das Buch macht bewusst, wie fragil Geschlechtergerechtigkeit war – und ist.

Marie Benedict: Frau Einstein – Die Geschichte von Mileva Marić, Albert Einsteins erster Frau, die massgeblich an seinem Erfolg beteiligt war und doch bis heute eine Unbekannte ist, Kiepenheuer und Witsch, Köln 2018, 364 Seiten, aus dem amerikanischen Englisch von Marieke Heimburger

Autorin: Adelheid Ohlig
Redakteurin: Dorothee Markert
Eingestellt am: 11.06.2018
Tags: ,

Kommentare zu diesem Beitrag

  • Juliane Brumberg sagt:

    Zu diesem Thema haben wir bei bzw-weiterdenken schon mal ein Buch vorgestellt: https://www.bzw-weiterdenken.de/2015/09/vorhandene-spielraeume-erkennen-und-nutzen/.

  • Daniela Ghielmetti sagt:

    Falls sie Interesse an einer Frau im Schatten ihres Mannes haben, kann ich auch das Buch “Im Schatten Albert Einsteins. Das tragische Leben der Mileva Einstein Maric” geschrieben von Desanka Trbuhovic-Gjuric im Verlag Paul Haupt Bern und Stuttgart empfehlen.
    Erschienen 1988 mit Abbildungen aus Privatbesitz, Stadtdarchiv Zürich und der Bibliothek ETH Zürich.
    Dieses Buch zeigt die Lebensgeschichte der Mileva als Lebensgefährtin, und Mutter zweier Söhne, von Albert Einstein.
    Das Buch basiert auf wahren Gegebenheiten, eine Biographie “zu einer verspäteten Anerkennung Milevas zu verhelfen”

  • Brunhild Krüger sagt:

    Auch hier in Deutschland hat man sich schon lange mit dem Schicksal der ersten Frau von Einstein befasst.
    Es gibt in dem Spiegel-Heft Nr. 50/1999, das sich ganz dem “Jahrhundert-Genie” Einstein widmet, eine kleine Bemerkung zu Mileva resp. der Darstellung in der “EMMA”, Ausgabe Oktober 1983. Der Spiegel schrieb (“Lichtgestalt” meint dabei Herrn Einstein):
    “Eines der hartnäckigsten Vorurteile über die Schattenseiten dieser Lichtgestalt hat die Zeitschrift “Emma” verbreitet. In ihrer Ausgabe von Oktober 1983 stellt sie ihren Leserinnen die Gattin des Genies, die Physikerin Mileva Maric als ‘Mutter der Relativitätstheorie’ vor.”

    Da fragt man sich schon, warum die Beteiligung von Mileva an seinen Erkenntnissen so hartnäckig und so emotional ausgeschlossen werden muss.

  • Dorothee Markert sagt:

    Dass sich doch etwas ändert, wenn auch sehr, sehr langsam, zeigt die Vergabe des diesjährigen Friedenspreises des deutschen Buchhandels an Jan und Aleida Assmann. Auf dem langen Weg dorthin, die Leistungen von Frauen angemessener in der Öffentlichkeit zu würdigen, finde ich es wichtig, immer wieder über solche Gesten, wie die Weitergabe des Nobelpreisgeldes von Albert Einstein an seine Frau, zu sprechen und zu schreiben, auch wenn sie scheinbar folgenlos blieben. Auch Karl Jaspers hat oft betont, auch öffentlich, dass er seine Philosophie zusammen mit seiner Frau Gertrud entwickelt hatte. Doch wir wüssten nichts davon, wenn Jeanne Hersch, die erste Philosophie-Professorin der Schweiz, es nicht in ihrer Jaspers-Biographie erwähnt hätte.

Weiterdenken