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Audre Lorde – Die Berliner Jahre 1984 – 1992

Von Juliane Brumberg

Mit den Jahren ergraute Feministinnen wissen natürlich wer Audre Lorde ist, haben ihre Gedichte, ihre Mythobiografie ‚Zami‘ oder ihre Krebstagebücher gelesen. Sowohl für sie, als auch für jene, die zwar von der dunkelhäutigen, lesbischen Aktivistin als Kultfigur gehört, aber sonst keine genauen Vorstellungen von ihr haben, schließt der Dokumentarfilm von Dagmar Schultz über Audre Lordes Berliner Jahre in mehrfacher Hinsicht eine Lücke. Erstaunlich, wie nicht nur der Geist der Berliner Frauenbewegung der achtziger Jahre, sondern auch die unglaublich starke Ausstrahlung Audre Lordes in dem alten Filmmaterial und den Erzählungen der Zeitzeuginnen ihre Kraft entfalten.

Dagmar Schultz und der Editorin Aletta von Vietinghoff ist das Kunststück gelungen, in dem sie über die wenigen Berliner Jahre erzählen, vieles von dem, was Audre Lorde insgesamt ausmacht, lebendig werden zu lassen. Der Film ist gut strukturiert. Im ersten Teil zeigt er, wie Audre Lorde die schwarzen Frauen in Deutschland aufruft, sich zusammenzutun und sich selbst einen Namen und damit eine Identität zu geben. Sie seien nicht Besatzungskinder, sondern Afro-Deutsche. Das klinge doch schon ganz anders.

Dann zeigt der Film sehr deutlich, wie wichtig es Audre Lorde war, die Differenz sichtbar – und fruchtbar zu machen. Weiße Frauen und schwarze Frauen seien nicht gleich, sie seien unterschiedlich. Und das können sie kreativ nutzen. Und Rassismus betrifft nicht nur schwarze Menschen, sondern auch weiße – dessen müsse sich die weiße Frauenbewegung bewusst sein.

Erst im übernächsten Schritt wird herausgestellt, dass Audre Lorde eine lesbische, Frau war – und was das für sie bedeutet hat, eine Frau zu sein, die Frauen liebt und  sich von der Liebe von und zu Frauen getragen zu fühlen.

Der letzte Teil des Films handelt von der Krebserkrankung Audre Lordes, wie sie damit umgegangen ist und wie sie sich nicht ihre Kraft von der Krankheit hat nehmen lassen.

Dagmar Schultz hat seinerzeit in weiser Voraussicht viele Gespräche im O-Ton mitgeschnitten, wir hören Audre Lordes Stimme zu den deutschen Untertiteln. Dass es gar nicht so viel originales Filmmaterial gibt, fällt nicht auf, so lebendig sind Audres Stimme und die Erzählungen derer, die mit ihr gelebt haben.
Neben all dem anderen, was Dagmar Schultz, eine Berliner Feministin der ersten Stunde, in die deutsche Frauenbewegung eingebracht hat, ist ihr größter Verdienst vielleicht, dass es ihr 1984 gelungen ist, Audre Lorde als Gastprofessorin nach Berlin einzuladen und sie und ihre Anliegen damit für die deutschen Frauen zugänglich zu machen. Im Film erzählt sie, wie sie Audre Lorde 1980 auf der Weltfrauenkonferenz in Kopenhagen kennengelernt hat und wie sofort ein Funke übergesprungen ist. Es sollte eine Beziehung werden, die von gegenseitigem Geben und Nehmen geprägt war, denn ohne die medizinische Behandlung, die Dagmar Schultz ihr in Deutschland vermitteln konnte, hätte Audre Lorde vermutlich nicht noch so viele Jahre mit ihrer Krebserkrankung leben können.

Der Film kann als DVD erworben werden. Sie hat deutsche, englische, französische und spanische Untertitel und 70 Minuten Zusatzmaterial. Wer Glück hat, der gelingt es Dagmar Schultz und evt. Ika Hügel-Marshall, Co-autorin des Scripts und Protagonistin im Film, persönlich zu einer Filmvorführung einzuladen. Der Film, der bereits 2012 auf der Berlinale Premiere hatte, wurde mittlerweile auf 75 Festivals in der ganzen Welt gezeigt und Dagmar Schultz war mit Protagonistinnen im Film an vielen Orten unterwegs, um ihn vorzuführen.

Mehr Infos:

Dagmarschultz.com

audrelorde-theberlinyears.com

audrelordeberlin.com

 

Autorin: Juliane Brumberg
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 05.10.2018
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Gudrun Nositschka sagt:

    Danke für den Hinweis auf Audre Lorde und den Film und die DVD von Dagmnar Schultz. Ich freue mich auch deshalb über die Besprechung, weil die Gerda-Weiler-Stifung e.V. die deutschen Untertitel mit gefördert hat.

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