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Rubrik denken

Kapitel 5: Der Beitrag von Vätern und Mit-Erziehenden und die Klage über die vaterlose Gesellschaft

Von Andrea Günter, Antje Schrupp, Dorothee Markert

Zum 20. Jubiläum der Flugschrift „Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik“ wurde das Büchlein im Christel Göttert Verlag neu aufgelegt und wird hier im Forum auch erstmals online veröffentlicht (hier der Link zum Anfang). Dies ist das 5. Kapitel: Der Beitrag von Vätern und Mit-Erziehenden.

Wir beobachten die Tendenz, dass eine wachsende Zahl von Frauen bewusst die Wahl trifft, allein erziehend zu sein, während sich Frauen in festen Paarbeziehungen immer häufiger gegen Kinder entscheiden. Dem entgegen stehen eine Rhetorik, die ein „gleichberechtigtes“ Engagement von Vätern in der Versorgung und Erziehung der Kinder fordert, und politische Versuche, dieses Engagement durch entsprechende Anreize und Gesetzesänderungen zu fördern und teilweise sogar zu erzwingen.

Väter, Co-Mütter, Großeltern, Tanten und andere der Mutter nahe stehende Personen sind dann wichtig für ein gesundes Aufwachsen von Kindern, wenn diese von früher Kindheit an zu ihnen eine Bindung entwickelt haben. Die kindlichen Bindungen müssen auch bei Trennungen unter den Erwachsenen geschützt und erhalten werden. Hierfür werden schon viele unterschiedliche Möglichkeiten gelebt. Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mutter sind bei der Wahl des jeweiligen Modells das wichtigste Entscheidungskriterium. Denn den Kindern ist nicht geholfen, wenn ihre Mütter an einer Regelung zerbrechen, die man als für die Kinder optimal ansieht.

Außerdem kann die Anwesenheit eines Vaters oder einer anderen erwachsenen Person positive Aspekte für ein Kind haben, wenn Mütter aus den oben beschriebenen Gründen nicht mehr authentisch auftreten. Dann kann es eine Herausforderung für Väter ebenso wie für andere Bezugspersonen werden, den eigenen Willen ins Spiel zu bringen und ihrerseits eine authentische Beziehung aufzubauen, die auf gegenseitigem Verhandeln beruht. So eröffnen sie auch den Müttern den Raum, ihr eigenes Verhalten zu verändern und sich aus der Unterwerfung unter falsche Mutterbilder zu befreien.

Die sozialwissenschaftliche Klage über die „vaterlose Gesellschaft“ mit ihren angeblich negativen Folgen vor allem für die Söhne aber ist irreführend. Sie übersieht, dass es einen „gesunden“ Zustand der Anwesenheit von Vätern niemals gegeben hat. Ebenso wie die unhinterfragte Behauptung „Kinder brauchen Väter“ dient die Rede von der vaterlosen Gesellschaft dazu, bei Müttern und Kindern ein Gefühl des Mangels zu erzeugen und lässt die Mütter in ihren eigenen Erziehungsfähigkeiten hilflos und unsicher erscheinen. Mütterliche Autorität wird damit real und symbolisch verkleinert und geschwächt. Es ist nur dann sinnvoll, Mütter bei der Erziehung der Kinder zu entlasten, wenn dies dazu beiträgt, die Autorität der Mütter zu stärken.

Aus: Ulrike Wagener, Dorothee Markert, Antje Schrupp, Andrea Günter: Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik. Christel Göttert Verlag, Rüsselsheim 1999, Neuauflage 2019

Autorin: Andrea Günter, Antje Schrupp, Dorothee Markert
Eingestellt am: 10.06.2020

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