beziehungsweise – weiterdenken

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Es ist an der Zeit: Wir brauchen einen Nobelpreis für Care-zentrierte Ökonomie

Wohlstandsmessung ohne die Berücksichtigung unbezahlter Sorgearabeit geht nicht, meint Ruth Kummer und unterbreitet einen Vorschlag für den nächsten Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

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75 Jahre Grundgesetz – Wie schauen Frauen auf das Jubiläum  

Juliane Brumberg stellt zwei sehr gelungene Bücher vor, die anlässlich des Grundgesetz-Jubiläums erschienen sind.

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„Poor Things“ und der Feminismus

An dem Film “Poor Things” von Girogos Lanthimus mit Emma Stone in der Hauptrolle scheiden sich die Geister. Vor allem die feministischen Urteile gehen auseinander. Antje Schrupp hat ihn sich angesehen.

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Auf unterhaltsame Weise wichtige Frauen kennenlernen

Unter dem Buchtitel ‚Die Frau kennen Sie doch – oder‘ fordert Bettina Bremer dazu heraus, sich mit der Geschichte bedeutender Frauen zu beschäftigen.

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Anmeldung für die Denkumenta 2024 jetzt möglich

Die Anmeldung für die dritte Denkumenta vom 22. bis 25. August in St. Arbogast/Vorarlberg ist jetzt möglich. Das Vorbereitungsteam freut sich auf zahlreiche Anmeldungen und Beiträge zu unserem Konferenzthema “Unklar!”

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THE BLACK WOMAN. Werkschau Elizabeth Catletts im MMK

Sehenswert! Eine Werkschau von Elizabeth Catlett (1915-2012) im MMK Frankfurt a. Main: “THE BLACK WOMAN”

Judenhass, „feministisch“

Von Jutta Pivecka

Der Antisemitismus findet in feministischen Kreisen weltweit und auch in Deutschland (wie in andere “linken” Bewegungen) Verbündete; das zeigt sich nicht erst seit dem Massaker vom 7. Oktober und dem Verteidigungskrieg Israels gegen die Hamas. Die „#MeToo“-Bewegung wurde ebenso rasch von antisemitischen Akteurinnen unterwandert, wie wenige Jahre später „BlackLivesMatter“. Jüdische Aktivistinnen wurden bei Demonstrationen ausgegrenzt und angegriffen. Slogans wie „From the river to the sea, Palestine will be free“, die zur Auslöschung Israels aufrufen, wurden auch auf feministischen Demonstrationen geduldet. 

Ikonen des „intersektionalen“ Feminismus wie Angela Davis in den USA oder Emilia Roig in Deutschland fallen immer wieder durch antisemitische Äußerungen auf. Emilia Roig zum Beispiel gibt im „Neuen Deutschland“ hanebüchenen, antisemitischen Unsinn darüber von sich, dass Jüdinnen und Juden nach dem Holocaust zu „Weißen“ gemacht worden seien (Neues Deutschland, 26.12.2023). Die feministischen Israel-Hasserinnen berufen sich stets darauf, lediglich „Israel-Kritik“ zu üben. (Selbst dies ist schon ein zutiefst antisemitischer Begriff, denn die Kritik an der Unterdrückung der Kurdinnen und Kurden durch den türkischen Staat führt eben bei denselben Akteurinnen nie zur „Türkei-Kritik“, nämlich zur Infragestellung des Existenzrechtes des heutigen türkischen Staates). In Wahrheit stehen Davis und Roig, wie viele andere, in einer linken, antisemitischen Tradition, die Merle Stöver in dem Sammelband „Judenhass Underground“ (hrsg. von Nicholas Potter und Stefan Lauer, erschienen 2023, aber noch vor dem Massaker vom 7. Oktober) nachgezeichnet hat. Sie zeigt auf, wie die vereinfachende Wahrnehmung des Antisemitismus als einer „Unterform von Rassismus“ die Analyse in Teilen der Linken fehlgeleitet hat. Die Diskriminierung jüdischer Frauen werde in feministischen Bündnissen häufig unterschlagen. Als Jüdinnen seien sie nicht willkommen; sie sollten sich bestenfalls „mitgemeint“ fühlen. Das donnernde Schweigen vieler feministischer Akteurinnen, nachdem die grauenvollen Akte sexualisierter Gewalt an jüdischen Frauen und Mädchen durch Hamas-Terroristen am 7. Oktober bekannt wurden, ist ein weiterer Beleg für diese Haltung in feministischen Bündnissen, oft solchen, die großen Wert auf ihre Allianzen mit muslimischen Akteurinnen legen und diese offenbar nicht gefährden wollen, indem sie sich offen und klar gegen (auch auf Israel bezogenen) Antisemitismus positionieren.

Merle Stöver schließt ihren Beitrag hoffnungsvoll: „Die Tatsache, dass mittlerweile vielerorts kritische Stimmen zu hören sind, macht Mut. Denn es braucht einen Feminismus, der seinem Anspruch, ein gutes Leben für alle Frauen erkämpfen zu wollen, gerecht wird. Einen, der Antisemitismus mit der gleichen Entschlossenheit entgegentritt, wie er es in den vergangenen Jahren auch gegenüber Rassismus gelernt hat. Einen Feminismus, der bereit ist, zu lernen, und der bereit ist, eine Vereinnahmung feministischer Anliegen zu erkennen und sich ihr entgegenzustellen.“ Es fällt schwer, nach dem 7. Oktober 2023 und der Reaktion vieler feministischer und linker Bündnisse an diesem Optimismus festzuhalten. Und doch bleibt einer nichts anderes übrig. Denn ein antisemitischer, Israel hassender Feminismus, der die frauenverachtende Hamas als „Befreiungsbewegung“ einstuft, ist keiner, für den es sich einzutreten lohnt. Es ist vielmehr einer, der bekämpft werden muss. 

Zum Weiterlesen:

Judenhass Underground, hrsg. von Stefan Lauer und Nicholas Potter, Hentrich & Hentrich Verlag, 2023,

David Baddiel: Jews don´t count, 2021

Jean Améry: Der neue Antisemitismus, Neuauflage bei Klett-Cotta ab 13. Januar 2024

Judith Coffey und Vivian Lauer: Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen, Verbrecher Verlag, 2021

Autorin: Jutta Pivecka
Eingestellt am: 15.01.2024
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… ist ein Internetforum, das, von Beziehungen unter Frauen ausgehend – daher der Titel – , ein philosophisches und politisches Gespräch ermöglicht. Es ist aus dem Wunsch der Initiatorinnen heraus entstanden, eine Plattform für Ideen zu schaffen, die ausgehend von der weiblichen Liebe zur Freiheit die Welt verstehen und Gesellschaft gestalten. Es bietet eine Möglichkeit, Gedanken zu entwickeln und zu diskutieren, unterschiedliche Projekte und Netzwerke miteinander in Kontakt und ins Gespräch zu bringen, Informationen auszutauschen, sich inspirieren zu lassen, neue Ideen zur Welt zu bringen. An diesem Projekt kann sich grundsätzlich jede Frau aktiv beteiligen, die in irgendeiner Weise mit einer der Redakteurinnen oder Autorinnen in Beziehung tritt.

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Illustration: Annekatrin Zint