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Spirituelle Reise zur Gebärmutter – Entdecken – Staunen – Würdigen

Von Kristin Flach-Köhler

TitelblattBraun Hanna StrackMit ihrem neuesten Buch „Spirituelle Reise zur Gebärmutter – Entdecken – Staunen – Würdigen“ bietet die Theologin Hanna Strack eine Theologie und Spiritualität in postmoderner Zeit an. Hanna Strack trägt hier zusammen, was sie in vielen Jahren in unterschiedlichen Bereichen erforscht und entdeckt hat, in feministischen Theologien, Philosophien, in Kultur- und Religionsgeschichte, in der Seelsorge und Begleitung von Frauen und Familien in Übergängen, im Gespräch und in der Zusammenarbeit mit Hebammen, Ärzt_innen und Psychotherapeut_innen.

Ihre Arbeiten sind geprägt von einem tiefen Erfahrungswissen davon, wie sehr Frauen Bestärkung in ihrem Körper, in ihrer Sexualität, in ihrer weiblichen Kraft und ihrer Spiritualität brauchen und auch finden. Ihr Ziel ist es, Frauen ihre Würde zurück zu geben, indem sie in der Symbolischen Ordnung ihren selbstverständlichen Platz erhalten. Das ist auch das Grundmotiv des Buches für eine Gesellschaft, in der unter anderem Normierung und Perfektionierung des weiblichen Körpers und der Schönheit, medizinischer Machbarkeitswahn und Rollenzuschreibungen sowohl für Frauen als auch für Männer neue Herausforderungen an ihr Selbstverständnis in der Welt stellen.

Es ist der letzte Teil einer Trilogie: 2006 erschien bereits „Die Frau ist Mit-Schöpferin – Eine Theologie der Geburt, und 2013 „Guter Hoffnung sein – Ein spiritueller Begleiter für Schwangerschaft und Geburt“. Ich finde gerade in dieser Zeit heute wichtig, die Geburt ins Zentrum unseres Lebens zu stellen, in die Mitte der Gesellschaft, da, wo sie hingehört.

Der Gedanke ist nicht neu, die Gebärmutter als ersten Lebensraum, als Ur-Lebensraum aller Menschen, als Ort der Schöpfung und des Wandels, des Werdens und Vergehens, als Symbol für das Göttliche überhaupt zu verstehen. Sie prägt als erste Heimat das weitere Leben aller Menschen. Alle Suren des Korans – bis auf eine einzige werden mit der Bismillah-Formel „Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen“ eingeleitet. Das arabische Wort rahman ist eine der häufigsten Bezeichnungen Gottes: Gott ist barmherzig und gnädig.

Hebräisch racham, bedeutet „sich erbarmen“, rachamim meint das „Mitgefühl“ oder „Mitleid“.

In allen diesen Wörtern steckt ein noch einfacheres ursprünglicheres, nämlich rächäm, das Wort für den weiblichen Schoß, den Mutterschoß oder die Gebärmutter. In der hebräischen Bibel wird mit dem Wort Gebärmutter das Erbarmen Gottes beschrieben.

Während in den alten Kulturen und Religionen – auch im Alten Israel – Körper und Geist untrennbar zusammengehörten, hat die griechische Philosophie ein dualistisches Weltbild entwickelt und mit einer leibfeindlichen Anthropologie unsere westliche Kultur und Tradition und das Geschlechterverhältnis nachhaltig geprägt. Die Symbolik wurde ausgetauscht, so beschreibt es Hanna Strack: „Der Himmel als Vater-Schoß ist das Gute, die Erde als Mutter-Schoß das vergänglich minderwertige.“ Die Lebenszusammenhänge von Frauen wurden so verneint, vereinnahmt, abgewertet und verachtet. Unter diesem Einfluss entwickelten Kirchenväter eine Theologie des Todes, die von Mangel, Angst und Furcht gekennzeichnet ist und Erlösung braucht.

Hanna Strack stellt dieser vom Ende des Lebens ausgehenden Theologie eine Theologie der Geburt gegenüber, die vom Anfang aller Menschen ausgeht und die teilhaben lässt am fortwährenden Schöpfungsprozess. Sie lebt von einem Vertrauen in die Zukunft, so wie Schwangere, die guter Hoffnung sind und sich gehalten fühlen in einem größeren Zusammenhang, in dem nichts verloren geht und sie in das, was geschehen wird, hineinwachsen. Nicht die Angst vor dem Ende des eigenen Lebens ist hier die bestimmende Kraft, sondern eine umfassende Liebe zum Leben, die öffnet und frei macht für neue Erfahrungen.

Mit vielen zum Teil farbigen Darstellungen und Beispielen belegt Hanna Strack den symbolträchtigen und spirituellen Umgang mit dem weiblichen Organ Gebärmutter. Ich habe mich sehr gefreut, das Bilum aus Papua-Neuguinea in der Sammlung wiederzufinden. Mit dem Weltgebetstag im Jahr 2009 haben Frauen aus Papua-Neuguinea es in der Welt bekannt gemacht. Es handelt sich dabei um ein geknüpftes Tragenetz aus Sisal, in welchem Frauen und Männer alle zu ihnen gehörenden wichtigen Dinge des Alltags durchs Leben tragen. In einer der über 830 Sprachen Papua-Neuguineas wird mit dem Wort Bilum auch die Gebärmutter benannt. Und in Tok Pisin heißt „wokim bilum“ ein Bilum herstellen und im übertragenen Sinne meint es, sich auf die Gründung einer Familie vorbereiten. Fotos vom Bilum am Kreuz in christlichen Kirchen Papua-Neuguineas zeigen, dass Frauen sich mit ihrem Beitrag zum Leben hier symbolisch mit Gottes Beitrag zum Leben verbinden; hier sind sie im Bereich des Göttlichen repräsentiert.

Hinweise auf möglicherweise noch ältere symbolische Darstellungen habe ich vermisst, auf die Labyrinthe. Sie geben sinnhaft die Bedeutung und die Kraft der Gebärmutter wieder. In Seminaren mit Frauen schätze ich die Arbeit mit ihnen sehr. Beim Begehen eines kretischen Labyrinthes können mit entsprechender Vorbereitung all die Aspekte einer geburtlichen Lebenshaltung erfahrbar werden. Das wussten auch schon unsere Ahn_innen vor 5000 Jahren.

Die spirituelle Reise zur Gebärmutter hat Folgen: Schon ist ein neues Buch mit dem Titel „Erbarmen – Unterwegs mit einem biblischen Wort“ erschienen. Die Schweizer Theologin Dr. Ina Praetorius fragt darin, wie das, was fromme Menschen „göttliches Erbarmen nennen, mit menschlichem Weltgestalten zusammenhängt? Und „Erbärmliche Zeiten – Zeit des Erbarmens“ ist eine befreiungs-theologische Lektüre des Psalmenbuches, das die Theologin Dr. Klara Butting herausgegeben hat. Sie liest das Psalmenbuch als einen Meditationsweg, auf dem beim Lesen und Beten der Psalmen die unantastbare Würde der Menschen als Gottes Macht erfahrbar wird.

Ich wünsche Hanna Strack viele interessierte Leser- und Leserinnen, die das Angebot einer Theologie der Geburt annehmen und sie mutig und selbstbewusst mit ihrer weiteren Lebensreise verbinden.

Hanna Strack: Spirituelle Reise zur Gebärmutter – Entdecken -Staunen – Würdigen, Lit Verlag (Juli 2014)

Silvia Schroer, Thomas Staubli, Die Körpersymbolik der Bibel, 2. Aufl. 2005, Gütersloh 1998

Ina Praetorius, Erbarmen – Unterwegs mit einem biblischen Wort – Gütersloh 2014

Prof. Dr. Klara Butting, Erbärmliche Zeiten – Zeit des Erbarmens, Verlag EREV-RAV 2013

Erzähl mir Labyrinth, Frauenkultur im öffentlichen Raum – 20 Jahre Labyrinthplatz Zürich, Agnes Barmettler, Regula Farner, Ursula Knecht, Caroline Krüger, Zita Küng, Katherina Morf, Rosmarie Schmid, Rüsselsheim 2011

 

 

 

 

Autorin: Kristin Flach-Köhler
Redakteurin: Christel Göttert
Eingestellt am: 11.09.2014
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