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Die Donut Ökonomie. Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört.

Von Ina Praetorius

So ganz habe ich das mit dem Donut zwar noch nicht kapiert: Wo genau befindet sich bei einem ringförmigen Schmalzgebäck das „Fundament“ (S. 62)? Wie wird es sich anfühlen, wenn Milliarden von Menschen „in den sicheren und gerechten Schutzraum zwischen der inneren und der äusseren Grenze des Donuts … gelangen“ (S. 68)? Also in den Teig? Oder obendrauf? Liegt der Donut auf einem Teller, wie es sich gehört, oder schwebt er im All? Und wird jemand am Ende das süsse Ding verspeisen?

Abgesehen von solchen Detailfragen, die wir gewiss diskutieren werden, finde ich es grossartig, dass die erfahrene Ökonomin Kate Raworth, die derzeit am ECI (Environmental Change Institute) der Universität Oxford lehrt, unverstellt sagt, was viele schon lange denken: Wir brauchen eine klare Zielbestimmung und ein neues Paradigma für die Wirtschaft. Denn die akademische Ökonomie hat sich die Macht angeeignet zu bestimmen, wie die Akteurinnen und Akteure der planetaren Reise – Unternehmen, Markt, Staat, Allmende, Haushalte, Individuen – handeln und zusammenwirken. Es ist deshalb hochgefährlich, wenn Ökonomen mit veraltetem Handwerkszeug arbeitet. Wir, die Heutigen, nicht irgendwelche Leute später, sind dafür verantwortlich, uns ein denkerisches Rüstzeug zu erschaffen, das den riesigen globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angemessen ist.

Das heisst: Wir müssen die festgefahrenen Bilder zwanghaft aufsteigender Linien, von denen man (übrigens erst seit einigen Jahrzehnten) behauptet, sie stellten unser Wirtschaften dar, aktiv aus unseren Köpfen vertreiben und durch neue ersetzen. Wirtschaft ist kein abgegrenzter, von „externen Faktoren“ umgebener Sonderraum, sondern immer schon eingebettet ins menschlich-kulturell-natürliche Zusammenleben und vielfach von ihm abhängig. Das muss sichtbar werden, nicht nur in Begriffen, sondern in einem einprägsamen Bild: dem Donut, den beiden konzentrischen Kreisen, die den bewohnbaren Raum zwischen Übernutzung des Kosmos und unwürdigen Sozialstrukturen eingrenzen. Nach Jahrzehnten der feministischen, linken, ökologischen Kritik am ökonomischen Mainstream, nach zahlreichen Anläufen innerakademischen Aufbegehrens gegen neoklassische Engführungen, ist es Zeit, all die einzelnen Initiativen zusammenzuführen und die Dogmen in der Mitte des Denkgebäudes selbst zu kippen: Wie ein endlich reif gewordener Apfel fällt Kate Raworths Donut vom Baum.

Ja doch: die Frucht ist zwar reif, aber das Bild ist noch grün. Macht nichts. Denn ein wichtiger Anfang ist gesetzt, und wir werden an ihm weiterdenken. Kate Raworth reist jetzt um die Welt, von einer Vernissage zur anderen. Schon ist das Buch in viele Sprachen übersetzt. Nutzen wir die Chance, uns um diesen Kristallisationspunkt zu scharen als diejenigen, die schon aufgebrochen sind in und mit Peer-to-Peer Kooperativen und Care-Revolutionen, Grundeinkommensinitiativen, Öko-Experimenten, alternativen Businessmodellen, Wissensallmenden und vielem mehr. Kate Raworth hat uns den mutigen Ansatz eines gemeinsamen Paradigmas geschenkt, in dem wir uns verorten und das wir weiterentwickeln können.

„Wir sind heute alle Ökonomen“ (S. 343ff) heisst das letzte Kapitel im Buch. Nach einer siebenteiligen Reise durch Geschichte und Gegenwart der ökonomischen Wissenschaft, die sie entschlossen und immer wieder auch witzig von ihrem Thron herunterholt, ermutigt uns die Autorin ausdrücklich zur eigenständigen Mitarbeit. „… Und wir sind Ökonominnen“, möchte ich hinzufügen, nicht bloss der geschlechtergerechten Sprache zuliebe, sondern weil Kate Raworth die Thematisierung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und den Einbezug der unbezahlten Care-Arbeit zwar ausdrücklich fordert, sich dann aber doch weitgehend auf die klassischen Gegenstandsbereiche der politischen Ökonomie und der Business Ethik beschränkt, sich stellenweise in ihnen verliert. Dass ihr Buch trotz oder gerade wegen seines umfassenden Anspruchs Stückwerk geblieben ist, soll mich freuen. Dieses Buch bietet unzählige Anknüpfungsmöglichkeiten für eigene Initiativen, Ideen und kreative Weiterführungen diesseits der Glaubenswelten alter weisser Männer, die wir jetzt endlich alle zusammen ad acta legen.

Und jetzt alle lesen!

Kate Raworth, Die Donut Ökonomie. Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört, München (Hanser) 2018, 412 Seiten, 24 Euro.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem DurchEinAnderBlog von Ina Praetorius.

Autorin: Ina Praetorius
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 27.04.2018
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Danke Ina für diese diene Kritik diese Buches und Ansatzes! Ehrlich gesagt habe ich beim Lesen eher an ‘Do & do not’ gedacht, als an das Ami-Gebäck. Wèrde ja auch irgendwie passen; -nicht: Was dem WOhlergehen des Paneten und siener BewohnerInnen zuträglcb ist und wasnicht …

  • Susanne Graf sagt:

    Nach der Erfindung des Priestertums für alle braucht es jetzt diese Reformation zur Ökonomie für alle. Die veränderten globalen Kommunikationsmöglichkeiten lassen hoffen dass die „Ökomation“ in Form dieses Donuts
    turboschnelle Verbreitung findet.
    Stellt euch vor, die feiern um 2520 500 Jahre Donut-Reformation… das geht nur wenn wir uns JETZT dazu aufmachen. Geistig und körperlich.

  • Heidi Schiess sagt:

    Danke für die Anregung. Ich werde das Buch lesen. Bin gespannt!

    Wärmstens zum Thema zu empfehlen: Christian Felber, Gemeinwohlökonomie
    http://www.gemeinwohl-oekonomie.org

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