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Rubrik erinnern

Die Gründerin Claudia Gather

Von Juliane Brumberg

Von der Frauenbewegung im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts kennen wir einige wenige Gesichter, die sich die Medien herausgepickt haben und immer wieder hervorholen. Doch ohne die vielen weniger prominenten Frauen, die es auch noch gegeben hat, wäre der große Erfolg der Frauenbewegung nicht möglich gewesen. In einer kleinen Serie möchten wir auf bzw-weiterdenken über einige von diesen Frauen erzählen. Wie sind sie zu ihrem frauenpolitischen Engagement gekommen, was machen sie heute?

Wir freuen uns übrigens über Artikel oder Vorschläge zu weiteren Frauen, deren Leben wir hier vorstellen können.

Gründerinnenzentrum ‘WeiberWirtschaft’ in Berlin. Fotos: Juliane Brumberg

Ein Vorfrühlingstag in Berlin. Die Fassade eines weißen Eckgebäudes mitten in der pulsierenden Stadt glänzt in der Sonne. Voller Stolz führt Claudia Gather mich zunächst um die Baulichkeiten herum. Sie erzählt mir von den zwei gastronomischen Betrieben – natürlich von Frauen geführt, dem Kindergarten, den Künstlerinnen-Ateliers, dem Tagungszentrum im vierten Stock des zweiten Gebäudes, den vielen Büros und dass sie schließlich auch noch Mietwohnungen in das Projekt integrieren mussten. Dann erst durchschreiten wir den Torbogen über dem das ‚Firmenschild‘ WeiberWirtschaft fast bescheiden anmutet. Die Bäume im ersten Hof sind noch kahl, doch gepflegte Holzbänke laden das ganze Jahr über zum Verweilen oder auch Kommunizieren ein.

Alles wirkt selbstverständlich und leicht. Die ungezählten Schwierigkeiten, die zu meistern waren, bis dies alles fertig war, sind nicht mehr zu sehen – weder im entspannten Gesicht von Claudia Gather, noch an den Baulichkeiten. Kaum vorstellbar, dass dieses Anwesen einmal eine Kosmetikfabrik der ehemaligen DDR war und noch weniger vorstellbar, dass ein paar junge Frauen ohne betriebswirtschaftliche Erfahrung es seinerzeit von der Treuhand erwerben konnten – mit dem Ziel, hier ein Gründerinnenzentrum aufzubauen.

Claudia Gather

Wie kommt eine Sozialwissenschaftlerin dazu, sich mit Selbständigkeit und Firmengründungen zu beschäftigen? „Mitte der 1980er Jahre haben wir zu dritt eine Studie über die Schwierigkeiten für Frauen bei einer Existenzgründung in Berlin erarbeitet, eine der ersten Studien überhaupt in Deutschland zu dem Thema“, erinnert sich Claudia Gather, „sie war der Ausgangspunkt für alles! Wir hatten festgestellt, dass mehr als ein Drittel der selbständigen Frauen von einem Einkommen unterhalb der Sozialhilfe lebt.“ Desillusioniert fügt sie hinzu: „Das ist leider heute noch genauso.“

Wir wollten die Welt verändern

Gründerzentren gab es damals nur für Männer. An diesem Punkt hatten die Frauen in der Studie angesetzt. Der Berliner Senat nahm’s zur Kenntnis, die Studie verschwand in einer Schublade, es passierte nichts. Auf einem Kongress entschieden die Frauen „Wenn der Senat nichts macht, dann machen wir es selbst! Wir waren jung, wir wollten die Welt verändern, wir wollten ein Gründerzentrum für Frauen!“ 1987 riefen sie den Verein WeiberWirtschaft ins Leben mit dem Ziel eines Gründerinnenzentrums. Die praktische Umsetzung gestaltete sich zunächst (und immer wieder) schwierig, die Suche nach einer Gewerbeimmobilie in Westberlin blieb erfolglos. Trotzdem fand 1989 die Gründungsversammlung zu einer ‚Frauengenossenschaft WeiberWirtschaft‘ statt. Eine Genossenschaft schien den Frauen als die demokratischste Form, weil jede Frau, unabhängig von ihrem Kapital, eine Stimme hat. „Das ist zwar sehr umständlich und die Genossenschaftsverbände sind alle sehr verknöchert“, erklärt Claudia Gather, „aber es gibt in Deutschland keine gute Rechtsform für solche Projekte.“

Der erste Innenhof des Gründerinnenzentrums lädt ein zur Begegnung.

Die Suche nach einem geeigneten Anwesen ging weiter. Und dann passierte etwas, womit niemand gerechnet hatte: Die Wende! Plötzlich gab es ein großes Berlin und einen völlig veränderten Immobilienmarkt. Also bewarben die Frauen sich bei der Treuhand. „Wir hatten ein gutes Konzept“, erläutert Claudia Gather, aber die Treuhand hat uns nicht für voll genommen und gar nicht mit uns gesprochen. Wir hatten eben nur sehr wenig Eigenkapital.“ Also: kein Geld und keine Immobilie. Schlechte Chancen für das geplante Gründerinnenzentrum. Im Nachhinein staunend über ihren unbeugsamen Willen zitiert Claudia Gather aus dem Protokoll einer Sitzung Anfang 1992: „Unser Vorhaben ist nicht zu schaffen, wir machen es trotzdem!“ Und sie fügt hinzu: „Das zeigt eine realistische Einschätzung der Situation, aber auch, dass Rückschläge oder Hindernisse kein Anlass waren, von dem Projekt zu lassen, sondern dass versucht wurde, diese mit innovativen Ideen zu überwinden.“

Erst bei der dritten Bewerbung reagierte die Treuhand, nicht zuletzt, weil die Genossenschaft inzwischen hervorragende Öffentlichkeitsarbeit gemacht hatte. Die Frauen hatten ihr Projekt in Politik und Senatsverwaltung vorgestellt und dort durchaus Wohlwollen gefunden. Die Presse berichtete regelmäßig über den Stand der Dinge bei der WeiberWirtschaft und nicht zuletzt zeigte eine Briefaktion Wirkung, mit der die Präsidentin der Treuhand, Birgit Breuel, aufgefordert wurde, nicht nur nach wirtschaftlichen, sondern auch nach politisch sinnvollen Kriterien zu entscheiden. Das zielte auf die Tatsache ab, dass die Treuhand sich zu dem Zeitpunkt keine weiteren negativen Schlagzeilen leisten konnte, sie musste wenigstens pro forma mit der WeiberWirtschaft sprechen. „Also fuhren wir jungen Frauen mit meinem kleinen Auto zu den Verhandlungen. Die Treuhand wollte 22 Millionen Mark, wir hatten um die 50 000. Aber wir waren sehr gut vorbereitet und haben von vielfachem Know-how-Sponsering profitiert.“ Know-how-Sponsering heißt, dass Expert_innen ihr Wissen kostenfrei zur Verfügung stellen. Für die WeiberWirtschaft war das in den Anfangsjahren ein wichtiger Pfeiler der Professionalität des Projekts.

Harte Verhandlungen mit der Treuhand

„Auf Seiten der Treuhand waren es meist vier bis sechs Personen, immer Männer. Wir Feministinnen waren wohl eher eine exotische Erscheinung. Sehr geholfen haben die jeweiligen Experten und Expertinnen an unserer Seite, die unsere Argumente immer sachlich unterfüttern konnten. Wir hatten gleich eine Architektin, die auch Umweltspezialistin war, mit realistischen Sanierungsplänen dabei. Die Herren von der Treuhand hatten einen harschen Verhandlungsstil, aber wir waren ziemlich stur. Wir wollten, dass das Projekt gelingt. Und so trauten wir uns auch, mitten in den Verhandlungen ein reduziertes Kaufangebot von 12,3 Millionen Mark vorzulegen, das wir mit Fehlern bei der Berechnung der Nutzflächengröße und möglichen Altlasten begründeten.“ Im Rückblick wundert sich Claudia Gather: „Es gelang uns wirklich, die Verhandlungen zu diesem Preis abzuschließen. Im Oktober 1992 unterzeichneten wir den Kaufvertrag.“

Doch damit gingen die Probleme erst los. „Wir brauchten Bankkredite für den Kaufpreis und weitere 18 Millionen für die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen. Leider gab es damals in Deutschland keine Bank, bei der Frauen über solche Summen entscheiden konnten.“ Unmittelbar vor dem vereinbarten Termin ließ die Deutsche Bank die zugesagte Bankbürgschaft platzen. Die Suche ging von Neuem los, in letzter Minute fand sich eine kleinere Bank, die den Frauen ein Vorhaben in dieser Größenordnung zutraute. Claudia Gather vermutet: „Vielleicht, weil der Chef der Bank kurz vor der Verrentung stand und nichts mehr zu verlieren hatte? Außerdem hatte er Töchter.“ Gleichzeitig wurden alle öffentlichen Fördertöpfe angezapft, die es nur irgendwo gab. „In den Umbruchzeiten nach der Wende war Vieles möglich. Sehr geholfen hat uns die Findigkeit und Sachkompetenz eines Mitarbeiters bei der Senatsverwaltung, der für viele Probleme passende Lösungen entwickelte.“ Stolz fügt Claudia Gather, die sich im Rahmen dieses Projekts zu einer Finanzexpertin entwickelt hat, hinzu: „Wir haben das in uns gesetzte Vertrauen niemals enttäuscht. Die WeiberWirtschaft hat Zins und Tilgung immer pünktlich bedient.“

Schon bald begannen die umfangreichen Baumaßnahmen an den verschiedenen Gebäuden der ehemaligen Kosmetikfabrik in der Anklamer Straße. Im September 1994 war die erste Bauphase abgeschlossen, die ersten Mieterinnen konnten ins Vorderhaus einziehen. Im Juni 1995 war der Rohbau des zweiten Bauabschnitts fertig, im Mai 1996 kam die Eröffnung des Tagungsbereichs, des ersten Eigenbetriebs der WeiberWirtschaft, und im September 1996, nach nur vier Jahren, fand die Gesamteröffnung des Gründerinnenzentrums statt. Es trug dazu bei, dass sich das Stadtviertel völlig veränderte. Wenn man dort heute durch die Straßen schlendert, ist kaum vorstellbar, dass es hier anfangs keine soziale Infrastruktur, keinen Laden, keinen Imbiss, einfach nur ‚nichts’ gab.

Neue Herausforderung durch vergiftete Raumluft

Endlich Zeit zum Ausruhen? Nein! Im Herbst 1998 wurde auf rund 40 Prozent der Fläche Raumluftkontaminationen aus einem Baustoff der Vorkriegszeit festgestellt, betroffene Mietparteien mussten ausziehen. Wieder war Claudia Gather, mittlerweile Aufsichtsrätin der WeiberWirtschaft, gefragt, gemeinsam mit dem Vorstand und dem Team das Geld für die Sanierung zu akquirieren, was mit der Zeichnung von neuen Genossenschaftsanteilen und öffentlichen Zuschüssen gelang. Seitdem läuft das Projekt und konnte inhaltlich weiter entwickelt werden. Das Gründerinnenzentrum ist mit 7100 Quadratmetern Nutzfläche, zwei Innenhöfen und ungefähr 65 Gewerbe- und 13 Mietwohnungen fast immer vollständig vermietet, die Kindertagesstätte wurde erweitert, 2006 entstand dort eine Gründerinnenzentrale und es gab jede Menge Preise: für das ökologische Gesamtkonzept, als ‚Mutmacher der Nation‘, als ‚Land der Ideen‘, als familienfreundlicher Betrieb und, und, und…. Die WeiberWirtschaft ist ein Vorzeigeprojekt für das Land Berlin geworden, in das viele internationale Besucherinnengruppen geführt werden. Inzwischen ist auch die Schuldenlast soweit abgetragen, dass die Frauen über neue Projekte wie ein weiteres Gründungszentrum nachdenken können. „Für mich war und ist es immer spannend zu gucken, was geht eigentlich? Wie kann man Hindernisse bewältigen?“, erläutert Claudia Gather, „so war es auch, als wir plötzlich das Problem mit der kontaminierten Teerpappe hatten. Logistisch und finanziell war das ganz schrecklich, aber auch das haben wir geschafft. Wir haben an uns geglaubt. Und alles durch harte Arbeit und viele kleine Kredite überwunden, nicht durch große Gönner.“

Klärwerk für Konflikte

Neben Claudia Gather waren es Claudia Neusüß und Ute Schlegelmilch, die in den Gründungsjahren die Hauptlast der Verantwortung getragen haben. Wie war es mit Streitigkeiten? Gab es so etwas wie den gerne herbeigeredeten Zickenkrieg? „Das Projekt war ja ‚ein Kind‘ von uns Frauen. Bei Allen, auch aus der erweiterten Gruppe, stand immer die Sache im Vordergrund, keine war eitel und hat sich in den Vordergrund gespielt. Zurückgezogen hat sich die eine oder andere aus dem Unterstützerinnenkreis, weil ihr die Sache irgendwann finanziell zu groß wurde. Sehr früh haben wir ein ‚Klärwerk‘ eingerichtet, in dem gut moderiert wurde. So konnten wir schwerwiegende Zerwürfnisse, die es in anderen Frauenprojekten gab, vermeiden. Das hat gut funktioniert und tut es immer noch. Konfliktsituationen, in denen Verwaltung und Mieterinnen zu keinem Konsens kommen, werden hier besprochen und bereinigt.“

Die Dimension des Projekts und das Engagement von Claudia Gather dafür haben zur Folge, dass an dieser Stelle bislang viel von der WeiberWirtschaft und wenig von ihrem persönlichen Lebensweg die Rede war. Über lange Jahre war dies so verwoben miteinander, dass Claudia Gather nicht ohne WeiberWirtschaft gedacht werden kann. Es war jedoch nicht so, dass sie sich nicht auch beruflich weiterentwickelt hat. „Die Arbeit für die WeiberWirtschaft war weitgehend ehrenamtlich – und viele der Gründungsfrauen haben in den 1990er Jahren parallel dazu promoviert.“ So auch Claudia Gather über die ‚Konstruktionen von Geschlechterverhältnissen. Machtstrukturen und Arbeitsteilung bei Paaren im Übergang in den Ruhestand!‘. Ungleichheit der Geschlechter und Selbständigkeit von Frauen sind die Themen, die sie immer wieder wissenschaftlich untersucht hat. Wie kam sie dazu? 1956 wurde sie als eines von vier Mädchen geboren und ist dann in Mönchengladbach aufgewachsen. „Meine Mama war Hausfrau. Die Hierarchie zu Hause fand ich als aufgewecktes Mädchen unerquicklich. Bei der Frage, Beruf oder Kinder, habe ich mich für den Beruf entschieden“, im Gegensatz zu den heutigen jungen Frauen, die unter größten Anstrengungen versuchen, beides zu schaffen. Dazu meint sie: „Wenn man ganz oben hin will, ist beides sehr schwierig.“ Als Beispiel führt sie Angela Merkel und Annegret Kramp-Karenbauer an. „Die eine hat keine Kinder, bei der Anderen ist der Ehemann zu Hause bei den Kindern.“

Soziologiestudium, um die Welt zu verstehen

Claudia Gather erzählt weiter: „In der Schule habe ich mich nicht sehr engagiert, bin aber leicht durchgekommen. In der Hoffnung, dass ich dadurch die Welt besser verstehe, entschied ich mich für ein Soziologie-Studium und wurde von der ZVS nach Trier geschickt. Da haben wir 1976 gleich mal demonstriert, aber auch ordentlich studiert. Auf einmal war ich gut und habe ein sehr gutes Vordiplom gemacht. Danach wurde Trier uns zu langweilig und ich ging nach Berlin und dort sofort in eine Frauen-Selbsterfahrungsgruppe.“ Die feministischen Fragestellungen lernte sie bei ihrer Professorin Carol-Hagemann-White kennen, „und da war klar, das fand ich wirklich interessant. Natürlich hatte ich auch Simone de Beauvoir gelesen – aber damals höchstens ein Viertel verstanden“, schmunzelt sie. „Mitte der 1980er Jahre war ich mit einem sehr guten Diplom fertig, aber ich kam von einer linken Uni und der Arbeitsmarkt hat nicht auf mich gewartet“. Es ergab sich die Möglichkeit, dass sie Soziologie an einer Krankenpflegeschule unterrichten konnte, parallel zu der schon erwähnten Studie zur Existenzgründung von Frauen in Berlin.

In die 1990er Jahre fiel ein Auslandsaufenthalt, den Claudia Gather sich nicht unbedingt gewünscht hatte: „Nachdem meine Dissertation abgegeben war, sagte eine Professorin zu mir: ‚Mädel, wenn aus Dir was werden soll, musst Du nach Amerika gehen‘. Das fand ich ganz schrecklich, zumal meine Abi-Note in Englisch eine 5 war. Eine Freundin half mir dann bei der Bewerbung auf eine Gastprofessur in Florida. Nicht ganz unabsichtlich habe ich sie aber zu spät abgeschickt und konnte leider nicht berücksichtig werden. Große Erleichterung. Ein halbes Jahr später kam die Nachricht, dass das Programm weitergeführt würde mit einer Zusage für mich. Nach einer Bedenkzeit habe ich in der Englisch-Schule der WeiberWirtschaft so viel Englisch gelernt, wie es irgend ging.“ So lehrte sie1997 ein halbes Jahr Gender-Studies als Visiting-Professor am ‚Center for Woman’s Studies and Gender Research’ der University of Florida. „Das war eine ganz tolle Zeit. Am ersten Tag habe ich mir eine Englisch-Schule gesucht und jeden Montag Vorträge geübt. Die Amerikaner sind so freundlich und nett, auch wenn es mit der Sprache nicht gleich klappt. Sie wollten mich dort sogar behalten. Doch mich zog es zurück zu meiner Wissenschaft nach Deutschland.“ Es folgten Lehrstuhlvertretungen und Gastprofessuren in Deutschland, bis sie 2003 auf den Lehrstuhl für Soziologie an der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen berufen wurde und dort von 2005 bis 2007 auch Dekanin am Standort Holzminden war.

2007 ging es zurück nach Berlin. Seitdem ist sie ordentliche Professorin an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht mit dem Schwerpunkt Wirtschaft und Geschlechterverhältnisse. Sie leitet dort das Harriet Taylor Mill-Institut, an dem disziplinübergreifend zu Ökonomie, Recht und Verwaltung gearbeitet wird. „Wir schauen mit dem soziologischen Blick auf die Wirtschaft“, sagt die Professorin, „und betonen, dass es bei Wirtschaftsfragen nicht nur darum geht, private Profite zu organisieren. Die männlich-harten BWL-Professoren goutieren das nicht unbedingt. Es gibt heftige Kämpfe an der Hochschule, da es heute offensichtlich wieder möglich ist, sich gegen Gender in der Wissenschaft auszusprechen. Das hätte ich mir nie vorstellen können. Die Frage ist, ob die Errungenschaften bleiben. Da kann man viel kämpfen, das tue ich zur Zeit.“

Insgesamt ist sie eher nicht pessimistisch. „Auch wenn das männliche Ernährermodell als Norm eine mächtige Wirkkraft hat und es ein schreckliches Beharrungsvermögen bei der Ungleichheit gibt, sehe ich mit Freude Studentinnen, die auf andere Weise am Feminismus interessiert sind. Das begleiten wir sehr gerne. Und ich sehe junge Männer, die offensichtlich von Feministinnen erzogen wurden und für die diese Themen selbstverständlich sind. Das sehe ich mit Freude.“

Noch einmal zurück zur WeiberWirtschaft, für die Claudia Gather neben ihrer wissenschaftlichen Forschungstätigkeit so viel Verantwortung getragen hat. Von1990 -1997 war sie ehrenamtliches Vorstandsmitglied der WeiberWirtschaft und von 1997 – 2004 Aufsichtsratsvorsitzende der Genossenschaft. War es schwer, dort loszulassen? „Nein, überhaupt nicht, das lief und läuft so gut. Wir haben eine hervorragende Geschäftsführerin, die hat schon so viele Preise bekommen. Sie züchtet sogar Bienen auf dem Dach, sodass es einen eignen WeiberWirtschafts-Honig gibt.“ Natürlich ist Claudia Gather immer noch eng mit der WeiberWirtschaft verbunden. In Anerkennung ihrer Verdienste um das Projekt wurde sogar eine Gewerbeeinheit im 6. Stock des Vorderhauses auf ihren Namen getauft.

Mehr Infos:             

WeiberWirtschaft.de                      

Zum weiterlesen:

Claudia Neusüß, Katja von der Bey (Hg.), Unsere Luftschlösser haben U-Bahn-Anschluss, Weiberwirtschaft – eine Erfolgsgeschichte, Berlin 2015, 126 S., ISBN 978-3-00-048173-4

Claudia Gather, Ingrid Biermann, Lena Schürmann, Susanne Ulbricht, Heinz Zipprian (Hg.), Die Vielfalt der Selbständigkeit, Sozialwissenschaftliche Beiträge zu einer Erwerbsform im Wandel, Berlin 2014.

Claudia Gather, Lena Schürmann, Jeannette Trenkman (Hg.): (Solo)-Selbständigkeit als gleichstellungspolitische Herausforderung. Expertise für den 2. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, 2017

Claudia Gather: Zur Beharrlichkeit männlicher Geschlechternormen oder durch welche Hintertüre kommt Ungleichheit in die heterosexuelle Paarbeziehung? In: Julia Böcker u.a. (Hg.): Die Liebe der Soziologie, Berlin 2019, S. 25-37

Im Rahmen dieser Serie wurden bisher die Donaupriesterin Gisela Forster, die Feministin Barbara Linnenbrügger, die Malerin Waltraud Beck, die Professorin Monika Barz, die Historikerin Irene Franken, die Tagungsleiterin Herta Leistner, Dagmar Schultz, die Alltagsforscherin Maria Rerrich und die Matriarchatsfrau Siegrun Laurent vorgestellt.

Autorin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 20.04.2019
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Ute Plass sagt:

    Klasse, der Weiberwirtschaft-Entwicklungsbericht und Claudia Gathers biografische Erzählung. Danke.

  • Ganz spannend auch dieses Portrait; -danke!

  • Karin Spangler sagt:

    Wie beharrlich doch Frauen sein können. Das macht Mut. Inspiriert hat mich auch sehr der Wandel am Ort. Es gab nichts und es hat sich vieles entwickelt, weil etwas neues entstanden ist. Das sollten sich viele Städte bewusst machen und Initiativen unterstützen.

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