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Dem Feminismus wiederbegegnet

Von Juliane Brumberg

Foto: © Massimo Cortini / Piper Verlag

Eine altgediente Feministin erinnert sich, schaut auf das Heute, vergleicht – und wird dabei immer glücklicher. Erica Fischer, einst Mitbegründerin der autonomen Frauenbewegung in Wien und jetzt in Berlin lebend, hat ein interessantes Buch veröffentlicht. Sie beschreibt darin ihre eigenen Erfahrungen in den 1970er Jahre und setzt sie in Beziehung zu dem, was die jungen Feministinnen heute umtreibt. Dazu hat sie sehr ausführliche Interviews mit einigen von ihnen geführt. Die Quintessenz ist, dass die speziellen Themen, die die jungen Frauen beschäftigen, sich zwar geändert haben, die Haltungen, die dahinter stehen aber sehr ähnlich jener sind, die Erica Fischer einst angetrieben hat. Und manche Themen sind natürlich auch geblieben, wie etwa sexuelle Gewalt, Rollenzuschreibungen oder die generelle Ungerechtigkeit zwischen der Frauen- und der Männerwelt.

Bemerkenswert war für mich, welche Feministinnen sie für ihre Gespräche ausgewählt hat. Fast alle sind sie von Außenseiter-Erfahrungen geprägt, einige haben Migrationshintergrund (Mithu M.Sanyal, Parisa Madani, Hengameh Yaghoobifarah, Agnieszka Brugger). Genau wie Erica Fischer selbst, die als Tochter einer nach England emigrierten jüdischen Mutter 1943 in der Nähe von London geboren wurde, dort ihre ersten Kinderjahre verbrachte und sich dann sehr fremd fühlte, als ihre Familie 1948 nach Österreich zurückkehrte.

Sympathisch ist, wie die Autorin die Unsicherheit beschreibt, mit der sie den jungen Frauen, über die sie vorher gründlich recherchiert hatte, zunächst begegnete, die sich im Gespräch aber immer schnell auflöste. Dabei gelingt es Erica Fischer durch ihre Fragen – und ihre Gedanken zu den Antworten -, den Leserinnen auch so sperrige Themen wie Queer-Feminismus, Intersektionalität oder die Infragestellung des Opferbegriffs in Zusammenhang mit Vergewaltigung nahezubringen und verständlich zu machen.

Insgesamt geht es Erica Fischer weniger um den Mainstream-Feminismus, als um die außergewöhnlichen Bereiche. So spart sie auch  das unter Feministinnen heute heftig umstrittene Thema Prostitution nicht aus. Durch das Gespräch mit der Sexarbeiterin Marlen gewährt sie uns Einblicke in die feministischen Aspekte der Sexarbeit.

Ähnlich spannend, wie das, was man in dem Buch über den modernen Feminismus erfährt, ist das, was die Autorin aus ihrem eigenen Leben erzählt: über die problematische Beziehungen zu ihrer politisch fortschrittlich denkenden Mutter, über ihren jüdischen Hintergrund, den sie sich erst mühsam erarbeiten musste, über ihre nicht immer ganz ungefährlichen Reise-Erfahrungen als junge Frau, über ihre Beziehungen zu Männern, über die Wiener Frauenbewegung, über ihre Kinderlosigkeit, über ihre Ängste vor Altersdiskriminierung und natürlich über ihr Buch Aimée und Jaguar, das ihr größter Erfolg wurde. Es geht darin um die dokumentarische Erzählung einer Frauenliebe in der Zeit des Nationalsozialismus. Auch ich hatte es in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gelesen und war sehr angerührt von der Schilderung dieser Liebesbeziehung, die so tragisch enden musste. Nun bin ich neugierig auf die anderen Bücher von Erica Fischer, in denen sie weitere Lebenserfahrungen beschrieben hat.

Die Interview-Form, die Erica Fischer für ihre ‚Wiederbegegnung‘ mit Feminismus gewählt hat, gefällt mir besonders gut, erscheint sie mir doch als Äquivalent zu der kleinen Serie über weniger bekannte Feministinnen, die ich derzeit hier auf bzw-weiterdenken veröffentliche. Darin erzählen altgediente Frauenbewegungsfrauen von früher. Bei Erica Fischer erzählt nicht nur sie selbst von früher, sondern auch die jungen Frauen von heute, eingebettet in gründliche Reflexion. Dabei durfte die Autorin erfahren, dass es, wenn auch ganz anders, weitergeht mit dem Feminismus. Das ist das, was sie auf ihre ‚alten Tage‘ glücklich macht.

Mein persönliches Fazit ist: ‚Feminismus revisited‘ liest sich spielerisch leicht und lohnt sich unbedingt; für alle, die frauenpolitisch interessiert sind, aber auch für diejenigen, die nur mal einen Einblick in den Feminismus bekommen möchten.

Erica Fischer, Feminismus revisited, Berlin Verlag München 2019, 320 Seiten, 20 Euro.

www. erica.fischer.de  

Autorin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 02.05.2019
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