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Gendergerechte Sprache ist mehr als ein paar weibliche Endungen

Von Juliane Brumberg

Die verordnete Häuslichkeit in der Corona-Zeit brachte es mit sich, dass ich endlich Zeit hatte, mich mit Internetauftritten zu beschäftigen, die mich schon lange interessierten, in diesem Fall das Webportal Genderleicht.de des Journalistinnenbundes .

Das Netzwerk der Journalistinnen engagiert sich auf vielfältige Weise für Menschen- und Frauenrechte sowie einen guten Journalismus. Was liegt da näher, als sich auch mit dem ureigensten Metier zu beschäftigen, nämlich sprachlicher Genauigkeit. Aus dieser Idee heraus wurde im Sommer 2019 eine Plattform etabliert, die allen, die gendergerecht schreiben oder berichten  wollen, vielfältige Hilfestellung gibt. Sie bietet aber auch interessante Informationen rund um Gendergerechtigkeit.

Genderleicht.de wendet sich insbesondere an Medienschaffende, aber ist auch geeignet für Wissenschaftler*innen, Werbetexter*innen, Studierende, überhaupt für alle, die an und mit Texten arbeiten. An keiner Stelle bemerkte ich den erhobenen Zeigefinger nach dem Motto „also, nun gendert mal richtig“, vielmehr wird erklärt und aufgezeigt, warum Gendern sinnvoll ist und was es für Möglichkeiten gibt, sich eindeutig und geschlechtersensibel auszudrücken. Sternchen* oder Unterstrich_, Binnen-I oder neutrale Form – in kleinen Tipps wird erläutert, was sich wann anbietet oder was eine noch bessere Lösung ist: nämlich möglichst genau zu beschreiben, wer gemeint ist. Genderleicht.de verweist immer wieder auf den Duden, der ziemlich viel erlaubt, was ich vorher gar nicht wusste. Darüber hinaus geht es nicht nur um eine korrekte Schreibweise sondern auch darum, gut zu überlegen, ob ich eine Frau oder einen Mann als Beispiel auswähle oder mit welchen Fotos ich meinen Text bebildere. Ganz aktuell berichten in den Blog-Beiträgen der Fernsehmoderator Jo Schück und die Vorsitzende des Journalistinnenbundes, Friederike Sittler, wie sie in ihren Sendungen und Beiträgen versuchen, auf behutsame, aber konsequente Weise das Gendern zu etablieren.

Die Journalistinnen wollen keine Vorschriften machen, sondern Hilfestellung zu einer gendersensiblen Arbeitsweise geben. So ein Projekt könnten sie ehrenamtlich nicht stemmen. Doch es ist dem Journalistinnenbund gelungen, eine Förderung vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu bekommen. Deshalb können drei Journalistinnen und eine Assistentin das Projekt begleiten und betreuen. Sie bieten eine Gendersprechstunde zum digitalen Gedankenaustausch an, die nächste am 22. Mai 2020, versenden einmal im Monat einen Newsletter, laden Gastautor*innen ein, beobachten, was sich in der Medienlandschaft gendermäßig so tut und betreuen das Textlabor, in dem sie auf Fragen von User*innen antworten.

Projektleiterin Christine Olderdissen beim Start von genderleicht im Juni 2019 Foto: Henning Schacht / berlinpressphoto.de

Als Projektleiterin hat die Fernsehjournalistin Christine Olderdissen viel Herzblut und Know-How in Genderleicht.de gesteckt. Jetzt freut sie sich über die vielen positiven Rückmeldungen, die sie von Nutzerinnen des Portals bekommt. „Montags zum Beispiel saust der Zugriff nach oben, da merke ich, dass die Leute wieder an ihren Texten sitzen und über gutes Gendern nachdenken.“ Darüber hinaus hat sie Tipps, „wie wir Frauen oder das dritte Geschlecht sichtbar machen können, auch wenn die Redaktion das gar nicht unbedingt will und z.B. das Gendersternchen mit Rücksicht auf eine konservative Leserschaft ablehnt“.

Zum Projekt gehören auch Fortbildungen, zum Beispiel für Volontäre und Volontärinnen, wegen Corona kurzfristig ausgebremst. Doch ein Konzept für Webinare ist in Arbeit.

Mir persönlich hat das Textlabor besonders viel Spaß gemacht, denn hier wird – durchaus humorvoll – erörtert, warum etwa Mitgliederin gar nicht geht, Gästin aber schon, wie wir Wichtel gendern können oder ob es bei der Cyberkriminalität nur männliche Hacker oder auch Täterinnen gibt. Aber natürlich werden auch ernsthaftere Fragen diskutiert und beantwortet, wie etwa die Anrede in Geschäftsbriefen oder das Gendern von Doppelwörtern, zum Beispiel Kanzleramt oder Kultusministerkonferenz.

Eine Fundgrube ist auch die Rubrik Wissen mit weiterführenden Links und Literaturempfehlungen. – Also, für die, Zeit zum Stöbern haben: Hier macht es Spaß, zumal die Plattform auf angenehme Weise diskret und seriös daherkommt und ausgesprochen unkompliziert zu benutzen ist. Und nicht vergessen: Bewusstsein schafft Sprache – und Sprache schafft Bewusstsein.

Genderleicht.de

Journalistinnenbund

Siehe auch das Porträt über Marlies Hesse, die langjährige Geschäftsführerin des Journalistinnenbundes.

Autorin: Juliane Brumberg
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 17.05.2020
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Dorothee Markert sagt:

    Ein informativer Artikel, der sehr angenehm zu lesen ist. Vielen Dank!

  • Elisabeth von Dücker sagt:

    Ein für mich sehr anregender Beitrag, liebe Juliane, herzlichen Dank!
    Habe gleich den newsletter abonniert,
    liebe Grüße von Elisabeth

  • Marlies Hesse sagt:

    Wer das Gendern noch nicht eingeübt hat, wird es spätestens nach der Lektüre des lesenswerten Beitrags tun. Er animiert geradezu, es nicht zu unterlassen.

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