beziehungsweise – weiterdenken

Forum für Philosophie und Politik

Rubrik heilen, leben

Gegen den Krebs kämpfen – warum der Ausdruck passt

Von Julia Geberth

Gegen den Krebs kämpfen….ein umstrittener Ausdruck unter Krebskranken. 

Viele stimmen zu, viele sind aber auch nicht der Meinung, dass man gegen den eigenen Krebs kämpfen kann oder sogar sollte. Mein Blog heißt “Julie vs. Bill”. Ihr könnt euch also schon denken, wie ich es mit dem Ausdruck halte. 

Ich möchte erklären, warum es für mich definitiv ein Kampf ist, den ich seit Jahren führe. Ich bin Julia, dankbare 35 und lebe seit 10 Jahren mit der Diagnose Malignes Melanom, also dem Schwarzen Hautkrebs. Auf meinem Facebook-Blog “Julie vs. Bill”  schreibe ich über mein Leben mit dem Krebs und was mich sonst noch beschäftigt. 

Eigentlich ist es ganz einfach, denn mir mangelt es schlichtweg an Alternativen! 

Nicht zu kämpfen würde für mich bedeuten, mein Schicksal zu akzeptieren, es so hinzunehmen. Aber wer bestimmt das denn, mein Schicksal? Die Ärzte_innen? Nun gut, laut einigen, verschiedenen Ärzten_innen sollte ich heute schon nicht mehr auf Gottes guter Erde wandeln. Also dieses Schicksal möchte ich schon mal nicht für mich. 

Die Krankheit selbst? Nein, die soll mein Schicksal auch nicht bestimmen, denn wenn ich das annehmen würde, wäre ich auch schon längst weg. 

Wer soll und kann mein Schicksal denn bestimmen, wenn nicht ich selbst?

Also dann nehme ich das wohl selbst in die Hand und hole mir Hilfe von großartigen Ärzt_innen, die mit mir…..na, ihr ahnt es,…… kämpfen! Ja verdammt, wir kämpfen! Um jeden Monat, jedes Jahr, letztes Jahr noch um jede Woche, wir kämpfen um mehr Zeit.Die Hoffnung und der Wille ist da, denn sonst würde ich die Therapie nicht machen. Wir hoffen, dass mein Schicksal noch nicht besiegelt ist und wir etwas ändern können. 

Warum das ein Kampf ist, das kann ich euch gerne verraten: weil in meinem Körper Krieg herrscht! Ja, es ist ein Bürgerkrieg, denn die Krebszellen sind immerhin meine eigenen, mutierten Zellen. Aber es ist Krieg. 

Und der macht sich bemerkbar, jeden Tag. Mal mehr, mal weniger. 

An den Tagen, wo er sich mehr bemerkbar macht, so wie heute zum Beispiel, da ist es ein ständiger Kampf gegen Nebenwirkungen, gegen schlechte Gedanken, gegen Todesangst, gegen Panikattacken, gegen das Aufgeben, gegen die Dämonen, die eine Krebskrankheit so mit sich bringen. 

Nicht zu kämpfen würde für mich bedeuten, sich all diesen Gefühlen und Gedanken hinzugeben, sich treiben zu lassen, immer tiefer in den Strudel hineinzugeraten und schließlich zu ertrinken. 

Ich aber ziehe es vor zu paddeln! Oh ja, ich paddele gegen den Strom! Sitze in meinem kleinen Kajak und los geht’s. 

Nix da, passiv. Passiv hab ich probiert, akzeptieren, hinnehmen….alles gemacht. Jahrelang. Auch in anderen Lebensbereichen übrigens! Und? Hat mich NIE irgendwohin gebracht, wo ich sein wollte, nie. Never. 

Ich komme nur dahin, wo ich sein will, wenn ich aktiv bin und, ja, manchmal auch kämpfe.

Und jetzt kommt der Twist! Denn wer kämpft, kann auch verlieren, richtig? 

Das denken viele. Vor allem die, die diesen Ausdruck so vehement ablehnen, wenn es um die Krankheit Krebs, oder auch andere fatale Erkrankungen geht. 

Für mich stimmt das nicht. Ich kann diesen Kampf nicht verlieren. Es ist nicht möglich. Denn ich habe schon gewonnen! 

Bei dem Kampf gegen den Krebs gibt es viele, viele Etappen, die man durchlebt. Und ich habe schon so so so so viele Etappensiege für mich reingeholt, dass ich schon gewonnen habe. 

Ich finde, auch hier ist der Weg das Ziel. Ja, es gibt Scheißtage, die es zu überwinden gilt, aber ich habe sie ALLE schon überlebt. Und ich lebe ein wunder-, wunderschönes Leben! Dieses Leben hätte ich heute nicht, wenn ich nicht gekämpft hätte! Ich halte mich fest an diesem Leben, an der Liebe. 

Nennt mich Kämpferin, Kriegerin, Amazone, denn scheiße ja, ich bin eine!!! Und ich bin verdammt stolz drauf!

Ich hoffe jetzt könnt ihr besser verstehen, warum ich rein gar nichts gegen den Ausdruck ‘gegen den Krebs kämpfen’ habe, aber sehr wohl etwas gegen die Floskel ‘xy hat den Kampf gegen den Krebs verloren’. 

Jetzt ein Eis.

********

Dieser Post erschien zuerst am 10. 08.2020 auf Julia Geberths Blog „Julie vs Bill“, der inzwischen über 10.000 Abonnent_innen hat.

Julia Geberth hat auch an einem Film des Universitätsklinikums Erlangen zur Immuntherapie bei schwarzem Hautkrebs mitgewirkt:

Autorin: Julia Geberth
Redakteurin: Jutta Pivečka
Eingestellt am: 19.08.2020
Tags: ,

Kommentare zu diesem Beitrag

  • Norbert Thiemann sagt:

    Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den preisgekrönten Artikel von Markus Günther:

    https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/der-richtige-umgang-mit-krebskranken-im-endstadium-15266490.html

    Mit Blick auf die existentielle Not, die jeder Krebspatient erlebt, versucht dieser Essay, einen neuen Blick auf die Doppelbödigkeit der Sprache am Krankenbett zu werfen und dabei medizinische mit menschlichen Erfahrungen zu verbinden. Was klischeehaft selbstverständlich geworden ist – Krebs? Du musst kämpfen – wird hier kritisch hinterfragt.

    Familienministerin Giffey überreichte den erstmals ausgeschriebenen Kommunikationspreis in Berlin an den Journalisten Dr. Markus Günther für dessen Essay „Du musst kämpfen“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

  • Jutta Pivecka sagt:

    Ihr Kommentar, finde ich, passt überhaupt nicht zu dem Text von Julia Geberth. Denn es geht im Text eben nicht darum, was irgendjemand zum einer Krebskranken sagt, sondern was ihr selbst als ein angemessener Ausdruck für ihre eigene Haltung, Einstellung und ihr Handeln erscheint. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich auf den konkreten Text der Autorin beziehen und nicht auf eine Haltung gegenüber Krebskranken, um die es im Text gar nicht geht, sondern die Sie dem Text nur unterstellen (oder dessen Überschrift?).

  • Ulrich Wilke sagt:

    Julia Gebert machts richtig: solange Leben ist, ist Hoffnung. Es gibt Vorbilder, die Karzinome
    zum Verschwinden gebracht haben, und zwar ohne Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie. Noch besser gehts mit Freude und geeignetem Lebenswandel. Wenn ich zaubern könnte, wünschte ich der Tapferen Glück und Gesundung.

Weiterdenken