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Rubrik Blitzlicht

Die Vulva und das Heilige

Von Dorothee Markert

Als dieses Transparent vor anderthalb Jahren in Freiburg an der Universitätskirche hing, freute ich mich sehr. Nicht nur über die mutige politische Aktion von Maria 2.0 (hier haben wir schon einmal über diese Bewegung berichtet), sondern vor allem auch darüber, dass damit endlich wieder etwas zusammengebracht wurde, das in der Zeit vor den patriarchalen Religionen und ihrer Abwertung der Sexualität sowohl für Frauen als auch für Männer einmal selbstverständlich war: Ein heiliger Ort, eine heilige Frau und ihre heilige Vulva. Natürlich musste das Transparent nach ein paar Tagen wieder abgehängt werden, weil manche meinten, es beleidige ihre Muttergottes. Was für ein Unsinn! Dass die Vulva unendlich oft beleidigt, erniedrigt, missbraucht, geschändet, verletzt, verstümmelt und unsichtbar gemacht wurde im Lauf der patriarchalen Geschichte, nimmt ihr nicht ihre Bedeutung als der Ort, durch den wir alle zur Welt gebracht wurden und ohne die es kein neues menschliches Leben gäbe.

Das Weihnachtsfest kommt dieser Wahrheit schon ziemlich nah. Immerhin steht im Mittelpunkt der christlichen Weihnachtserzählung eine Schwangere, die ein Kind zur Welt bringt, was viele Menschen in Entzücken versetzt und Arme und Reiche dazu bringt, vor diesem Wunder niederzuknien und durch Geschenke einen Beitrag zu leisten, dass es Mutter und Kind gut geht. 

Letzte Woche las ich in der Zeitung, dass – ebenfalls in Freiburg – ein Crowdfunding-Projekt gestartet wurde mit dem Ziel, etwas gegen die Tabuisierung der Vulva zu tun, die ja bisher fast nur in pornographischen Darstellungen sichtbar wird: Sie produzierten einen Abreißkalender mit 365 Aufnahmen von Vulven in all ihrer Unterschiedlichkeit, und der ist nun für 2021 schon ausverkauft. Wer also etwas über die Schönheit und Vielfalt von Vulven erfahren möchte, könnte beim Vulvaversity-Kollektiv darauf drängen, dass der Kalender nachgedruckt wird, oder gleich einen fürs nächste Jahr bestellen.

Kommentare zu diesem Beitrag

  • claudia von der tauber sagt:

    Kommentarlos gut!

  • Anja sagt:

    Danke! Ich hab das Projekt auch gesehen und mich darüber gefreut! Es ist wirklich wichtig, dass Frauen das Gute und Wünschenswerte (wieder) selbst in die Hand nehmen und es zeigen, sagen und ehren. Das ist mindestens genau so wertvoll wie das Benennen und Ablehnen/Ausgrenzen des Unzumutbaren!

  • Rita B sagt:

    ich erinnere mich an ein Buch aus den 70er Jahren aus der Feministinnen Szene, da waren mehrere Seiten mit Fotos von Vulva. Obwohl mein Büchergestell vollgepackt war, fanden meine Söhne dieses Buch ……
    ich weiss nicht ob ich ein bisschen prüde bin, aber unsere Vulva beherbergt doch auch viel Intimität und es macht Sinn dass sie nicht sichtbar ist am nackten Körper. ich zeig sie gerne aber nicht einfach in der Oeffentlichkeit.

  • Thomas G sagt:

    Liebe Rita,
    ich habe Dein Kommentar gelesen und doch etwas gestutzt. Weisst Du, ich verfolge schon lange die Befreiung der Frau, im Bereich “zur Vagina / Vulva” Stehen und bin erstaunt, dass das nicht schon lange geschehen ist, weil ich mir immer dachte, dass da was fehlt, im Sinne
    einer Entgegnung des Zustandes, dass das weibliche Genital einfach missbraucht wird.
    Damit meine ich, dass die weiblichen Primärgeschlechtsmerkmale nur in Pornos und Schmuddelecken zu sehen sind, derweil die Frau zwar nicht verklemmt sein will, aber sich extrem verklemmt gibt, sei es in der Sauna oder beim Nacktbaden.
    Nun zu meiner Frage: Deine Aussage im Kommentar war: ” unsere Vulva beherbergt doch auch viel Intimität und es macht Sinn, dass sie nicht sichtbar ist am nackten Körper”
    Nun meiner Meinung nach, entspricht das genau dem Gegenteil, was viele Frauen heute anstreben. Sie wollen nicht verstecken und einfach auf natürliche Weise mit sichtbarer Vagina / Vulva wahrgenommen werden, ohne dass sie als Sexobjekt angesehen werden.
    Mit dem Versteckspiel, wie ich es Deinem Kommentar entnehme, gehst Du irgendwie in eine falsche Richtung.
    Vielleicht habe ich auch etwas falsch verstanden/ interpretiert, kann sein, dann kläre mich bitt auf. Ich grüsse Dich

  • Thomas G sagt:

    Vulvaversity will mit dem Mythos der unsichtbaren, haarlosen und mädchenhaften Vulva, wie sie besonders in Pornographie idealisiert wird, aufräumen.

    Nun, ich bin der Meinung, dass das auch wieder in eine Richtung läuft, die die Freiheit der Frau beschneidet, im Sinne: Es gibt viele Frauen, die sich rasieren und das nicht, weil es jemand will oder vorschreibt. Ich bin der Meinung, dass da wieder eine Vorgabe geschaffen wird: Wie hat eine Vulva zu sein. Ich denke, wenn eine Frau ihre Vulva rasiert schön findet, warum nicht?
    Meine Frau tut es seit Jahren, ohne äusseren Zwang. (PS: wir beide sind im Alter von 58 / 60)

  • Dorothee Markert sagt:

    @Thomas G, nun muss ich auf deine beiden Kommentare doch noch antworten, denn ich will das nicht so stehen lassen.
    Nicht in Ordnung finde ich es, dass du etwas über deine Frau veröffentlichst, was nur ihr selbst zusteht. Und als genauso übergriffig empfinde ich es, wenn du meinst, du wüsstest, wie der freie Umgang von Frauen mit ihrer Vulva auszusehen hat. Und dann noch Begriffe wie „verklemmt“ benutzt.
    Mir geht es in meinem Text zwar auch um Sichtbarkeit, aber in erster Linie um Würde. Und wenn eine Frau hier die Intimität schützen will, dann ist das wichtiger als eine „Befreiung“ um jeden Preis.

  • Thomas G sagt:

    Sehr geehrte Dorothee,
    ich danke Dir für Deinen Kommentar, empfinde ihn aber doch zum Teil etwas eigenartig.

    Stichwort: Der Mensch neigt dazu, immer das Negative anzunehmen!

    Wenn ich über meine Frau schreibe, kann es nicht sein, dass wir (meine Frau und ich)
    über die Art und Weise, wie wir kommunizieren einig sind und uns über die Jahre, was dieser Punkt anbelangt schon gegenseitig lange kennen und keine Probleme haben?
    Mit anderen Worten, ich schreibe über sie, wie sie es erlaubt.

    Und wenn Du schreibst, ich meinte zu wissen, wie der freie Umgang von Frauen mit ihrer Vulva auszusehen hat, muss ich erwähnen, dass ich geschrieben habe, dass ich der Meinung bin und nicht, dass ich es weiss !!! Darin besteht nach meinem Befinden ein Riesen Unterschied.

    In diesem Zusammenhang noch eine kleine Anmerkung:
    Eure Webseite nennt Ihr: “Weiterdenken” Ich erlaube mir die Bemerkung, dass ich das in Deinem Kommentar etwas vermisse.
    Selbstverständlich schätze ich Deine Zeilen trotzdem und Grüsse Dich

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