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Begehren und Wohlbehagen

Von Anne Lehnert


Lektüreerfahrungen beim erneuten Lesen von Nicht Mangel, sondern Fülle. Arbeiten neu denken von Dorothee Markert

„Nichts in der Welt kann den Verlust der Freude an der Arbeit wettmachen.“
Dieses Zitat von Simone Weil stellt Dorothee Markert ihrem Text voran. Wie wahr, denke ich, als ich das kleine quadratische Buch wieder in die Hand nehme. Als ich darin lese, merke ich, wie sehr mich diese Gedanken ermutigt haben in den letzten Jahren, ohne dass mir das bewusst war. Schon der Titel benennt den notwendigen Perspektivwechsel: von der Fülle auszugehen statt von einem Mangel.

Ich habe eine schwierige Zeit hinter mir. Zwischen Beruf und Kindern verlor ich das, was mich antreibt und mir Freude macht. Dass es legitim ist, Ansprüche an den eigenen Arbeitsplatz zu haben, dass es wichtig ist, dem eigenen Antrieb und Interesse zu folgen, darin bestärkt mich dieses Buch.

​„Mein Begehren leben oder ihm zumindest auf der Spur bleiben“

Das beschreibt sehr gut, was mir neuen Auftrieb und neue Kraft gibt. Das Begehren als Richtung meines Lebens finde ich allmählich wieder und suche neue Wege, es zu verwirklichen. In der Berufswelt bin ich ihm immerhin auf der Spur, im Bereich der Haus- und Familienarbeit finde ich es eher. Da geht es dann schon um einen zweiten Schritt:

„Das Begehren in die Welt bringen“ 
Bei der konkreten Umsetzung immer wieder überprüfen, ob es für mich stimmt, und dabei auch „meine eigenen Grenzen spüren, sie akzeptieren und zu ihnen stehen.“ Ja, ich brauche neben der Arbeit „Zeit (…), all meinen anderen Pflichten nachzukommen, vor allem den familiären, aber auch der, mir selbst Gutes zu tun.“ Diese Pflicht verteidige ich inzwischen gegen andere Ansprüche an mich.

Ein Anspruch auf Wohlbehagen und die Pflicht, mir selbst Gutes zu tun!
Jetzt, wo ich das aufschreibe, klingt es selbstverständlich. Zum Glück, denn lange war es das nicht.


Alle Zitate stammen aus: Dorothee Markert: Nicht Mangel, sondern Fülle. Arbeiten neu denken. Christel Göttert Verlag, Königstein/Taunus 2003.

Autorin: Anne Lehnert
Eingestellt am: 30.04.2021
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