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Neues von Frauen in Film und Fernsehen: „I care a lot“ und „Das Damen-Gambit“

Von Antje Schrupp

Marla Grayson ist eine ganz fiese Type. Stets perfekt gestylt und mit überbordendem Selbstbewusstsein rennt sie mit ihren High-Heels herum, wie andere es nicht mal in Turnschuhen könnten. Ihre gesamte Smartness, Fitness und Energie nutzt sie keineswegs, um die Welt zu verbessern, sondern dafür, auf Kosten anderer reich zu werden. Und zwar nicht irgendwelcher anderer, sondern auf Kosten der besonders Verletztlichen: Sie luchst alten, alleinstehenden Menschen ihre angesparten Vermögen ab, indem sie sie entmündigen und sich zu ihrer gesetzlichen Betreuerin machen lässt. Warum das gelingt? Na, ganz einfach: Sie nutzt die typischen Weiblichkeitsklischees für sich aus. „Caring“ ist schließlich ein Job, und haben wir nicht immer gefordert, dass der gut bezahlt wird?

Um einiges sympathischer ist Beth Harmon, die als kleines, verwaistes Mädchen vom Hausmeister ihres Kinderheims Schachspielen lernt und sich hinaufarbeitet, bis sie schließlich in Moskau den Weltmeister besiegt. Nicht nur Mädchen und Frauen haben diese Miniserie mit Begeisterung geschaut, sondern auch Jungen und Männer, und sie konnten sich mit Beth identifizieren. Wow!

Wie Frauen in Film und Fernsehen dargestellt werden, ist immer ein feiner Seismograf für gesellschaftliche Veränderungen – und das Reden darüber eine Möglichkeit, solche Veränderungen wahrzunehmen und zu reflektieren. Deshalb nehmen wir im sechsten Video-Gespräch aus der bzw-Redaktion diese zwei aktuellen Beispiele unter die Lupe: den Film „I care a lot“ und die Miniserie „Das Damen-Gambit“, beide aus dem Jahre 2020 und beide bei Netflix zu sehen.

Was ist aus feministischer Sicht von den Figuren zu halten? Was gefällt uns, was gefällt uns nicht? Ist euch zum Beispiel mal aufgefallen, dass die MarkTomJacks als Hauptfiguren fast ausgestorben sind – zumindest mal bei Netflix? Oder dass sich Geschlechterbeziehungen mehr und mehr vom rein männlichen Blick lösen? Wie werden Beziehungen unter Frauen entworfen? Mit wem können wir uns identifizieren und mit wem nicht?

Wir – das sind diesmal wieder Antje, Anne, Maria und Julia, und unsere Urteile über die ausgewählten Filme fallen ziemlich unterschiedlich aus, umso interessanter konnten wir darüber diskutieren. Viel Spaß beim Anschauen!

Autorin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 17.04.2021
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Rosa Liccardo sagt:

    Liebe Antje, ich habe nach einen Tip von meinem Sohn, I Care a Lot gesehen. Ich war entsetzt. Ich bin, glaube ich, etwa eine decade älter als du. Wir, ich haben in den 60/70 Jahren von einem anderen Feminismus geträumt und gekänft. Gleichberechtigung aber auch Differenzen. Ja, ich glaube di Männer fonden den Folm toll. Die Frauen auch? Traurig….
    Übrigens wir kennen uns aus früheren Begegnungen

  • Anne Newball Duke sagt:

    Liebe Rosa,
    ja im Grunde geht es in unserer Diskussion genau darum zu überlegen, ob gerade an dem Film “I care a lot” überhaupt irgendetwas feministisch ist. In meiner Lesart des Films geht es ganz klar darum zu zeigen, dass der feministische Ruf nach Frauen(quoten) in Vorständen eben nicht gleichbedeutend ist mit einem gesellschaftlichen Fortschritt in feministischer Hinsicht. Wie ist diese Frau an diese Position gekommen? Mit welchen Mitteln? Und welchen Verhaltensweisen? Gut, Marla muss sich nicht mehr hochschlafen oder sonstwie männermordend sexy sein (“Basic Instinct”); vor zwanzig Jahren im Film noch eines der wenigen Mittel einer Frau (, die sodann auch immer böse, irre oder depressiv oder so war, klar), um an Macht zu kommen.
    Ist es nun aber feministisch, sich mit Superwoman-Kräften nach ganz oben durchzuboxen in der patriarchal-kapitalistischen Hierarchie, um dann diese Hierarchie weiter zu zementieren? Kann diese Hierarchie jemals eine andere sein als patriarchal-kapitalistisch? Und kann das Erreichen einer der ganz oberen Hierarchiestufen je anders hergestellt sein als mit “kriminellen” Seil- und Machenschaften? Ich finde den Film gelungen, weil er (filmlike: verdichtet und überspitzt? ;) zeigt, dass Frauen, um hochzuklettern, auch zu (kriminellen, herzlosen) Dienerinnen/Löwinnen genau des Systems werden müssen, das sie eigentlich bekämpfen sollten. Und unter dieser Perspektive finde ich den Film gelungen im Sinne von diskussionsanregend darüber, was Feminismus eigentlich ist und sein sollte. Gerade wo sich der hiesige Feminismus noch immer gerne ausruht auf den Fürsprachen für Frauenquoten für Unternehmensvorstände. Diese Ruhe zumindest rüttelt der Film meines Erachtens ordentlich durcheinander.

  • Antje Schrupp sagt:

    Per Mail kam noch dieser Hinweis auf einen Text, der sich kritisch mit Queen’s Gambit beschäftigt: https://hajinlee.medium.com/disappointed-by-netflixs-the-queen-s-gambit-a-review-by-a-former-professional-go-player-292d2ee96960

  • Mike Rumpf sagt:

    Spannende Diskussion. Ich finde den Film großartig, weil er auf so vielen Ebenen hintergründig unsere Gesellschaft kommentiert – von der Demontage des amerikanischen Traums bis hin zur Kapitalismuskritik. Man kann ihm natürlich vorwerfen, zu konstruiert zu sein und darüber den Hintergrund der Figuren zu sehr vernachlässigt. Aber mich hat das nicht so sehr gestört, weil ich denke, dass der Film mehr eine messerscharfe Gesellschaftssatire als ein realistisches Drama ist.

    Ich habe mich anfangs ebenfalls über das Ende geärgert, bei dem Marla getreu dem Motto “crime does not pay” stirbt. Das war mir auch etwas zu moralinsauer. Mittlerweile glaube ich aber, dass dieser ungamouröse Filmtod kein Zufall, sondern eine im Grunde äußerst bittere Schlusspointe ist. Wenn wie im Fall von Marla himmelschreiendes Unrecht unter dem Deckmantel der Legalität begangen wird und das ungesühnt bleibt, dann kommt eben irgendwann der Mob auf der Straße und zückt die Waffe. Es ist ganz bewusst nicht die Polizei, die hier “Gerechtigkeit” herstellt, sondern eines der verzweifelten Opfer, die Selbstjustiz übt. Das passiert schmutzig und geradezu willkürlich. Ich finde, dass passt schon zum Film.

    Aus feministischer Sicht finde ich “I care a lot” sogar viel spannender als der für mich fast schon plumple “Promising Young Woman”. Hier darf eine Frau eben endlich auch mal im Film selbstbewusst, stark und gleichzeitig abgrundtief böse sein. Wie oft kommen solche Figuren sonst schon.

    Zum Abschluss noch ein Danke für das Video und einen Vorschlag für ein weiteres Video zu
    “Der Rausch” von Thomas Vinterberg, der gerade überall sehr gehyped wird. Ich fand da gerade die Frauenrollen extrem problematisch. Da würde mich mal Eure Einschätzung interessieren.

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