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Rubrik erinnern

Kapitel 11: Notwendigkeit und Wertschätzung der Familien- und Hausarbeit

Von Antje Schrupp, Dorothee Markert, Andrea Günter

Zum 20. Jubiläum der Flugschrift „Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik“ wurde das Büchlein im Christel Göttert Verlag neu aufgelegt und wird hier im Forum auch erstmals online veröffentlicht (hier der Link zum Anfang). Dies ist das 11. Kapitel: Familien- und Hausarbeit

Die Versorgung der Alten und die Versorgung, Erziehung und Ausbildung der Kinder muss jeweils von der mittleren Generation geleistet werden im Austausch dafür, dass sie selbst als Kinder versorgt wurde und später im Alter versorgt werden wird. Zunehmend wird die Versorgung im Rahmen des Generationengefüges über Geld geregelt. Die Kosten für diese Leistungen werden über die Renten- und Pflegeversicherung und teilweise über Steuern aufgebracht.

Die Familienarbeit wird fast ausschließlich von Frauen geleistet, die dafür nicht explizit und auch nicht annähernd angemessen bezahlt werden. So tritt diese Arbeit nach wie vor zu wenig in Erscheinung, obwohl die Frauenbewegung in diesem Punkt Ansätze zu einem Umdenken gezeigt und einige Veränderungen bewirkt hat.

Viel konsequenter als in bisherigen Ansätzen müssen Frauen darauf hinwirken, dass diejenigen, die nicht bereit oder in der Lage sind, sich an dieser Arbeit zu beteiligen, dafür bezahlen. Dies gilt auch für die Wirtschaft, die ebenso im Rahmen des Generationengefüges profitiert wie die einzelnen.

Nicht bezahlt und noch weniger wahrgenommen wird darüber hinaus die ebenfalls größtenteils von Frauen geleistete Hausarbeit, die nicht nur für die Reproduktion der Arbeitskraft notwendig ist und von der nach wie vor vor allem berufstätige Männer befreit sind. Die geringste Wertschätzung erfahren dabei die Arbeiten, die der Erhaltung des Werts und der Schönheit von Dingen dienen: das Aufräumen, Putzen, Waschen, Reparieren und Schmücken.

Den Müttern der Frauenbewegungsgeneration ist es allerdings nicht gelungen, ihren Töchtern den Sinn der Hausarbeits-Tätigkeiten zu vermitteln. Konflikte zwischen Müttern und Töchtern entzündeten sich häufig an diesem Punkt: Die Töchter sahen nicht ein, dass ihre Mütter die auf Dinge bezogenen Hausarbeitsfähigkeiten nicht auch an ihre Söhne weitergaben und weigerten sich deshalb selbst, sie zu erlernen. Sie glaubten eine Zeitlang selbst daran, dass diese Arbeiten durch den wirtschaftlich-technischen Fortschritt überflüssig würden, bevor die Ökologie-Bewegung die negativen Folgen der Wegwerfgesellschaften und damit die Notwendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens zur Vermeidung einer ökologischen Katastrophe ins gesellschaftliche Bewusstsein brachte.

Das Wissen um die Bedeutung der Bindung an Dinge und den damit verbundenen Sinn der Pflege von Dingen ist gesellschaftlich verloren gegangen, weshalb trotz Ökologie-Bewegung Hausarbeit und Hausarbeitsfähigkeiten keine Aufwertung erfahren haben. Die ökologische Bewegung ist solange gefährdet, von kapitalistischen Interessen vereinnahmt zu werden, wie sie das zentrale Widerstandsmoment gegen kapitalistische Weltzerstörung nicht wahrnimmt, das im Schaffen, Pflegen und Erhalten der Bindung an Dinge – und damit in der Hausarbeit – liegt.

Aus: Ulrike Wagener, Dorothee Markert, Antje Schrupp, Andrea Günter: Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik. Christel Göttert Verlag, Rüsselsheim 1999, Neuauflage 2019

Autorin: Antje Schrupp, Dorothee Markert, Andrea Günter
Eingestellt am: 16.06.2021
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