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Rubrik leben

Über die Klimaveränderung, Katastrophen und Veränderungen in unser aller Leben

Von Monika Krampl

Am 2. Juli habe ich geschrieben:
Wir brauchen uns keine Katastrophenfilme mehr ansehen, weil diese einstmals ausgedachten Katastrophen bereits Wirklichkeit sind und noch mehr werden – Tsunami, Wirbelstürme, Feuersbrünste, Pandemien, Hungersnöte, Wasserflutungen / Wasserknappheit, etc. etc.“

Foto: Monika Krampl

Heute ist der 26. Juli und in dieser kurzen Zeit ist viel passiert – hier in Europa.
Nein, kein Katastrophenfilm – sondern Realität.
Nein, kein einzelnes „Jahrhunderthochwasser“ – sondern unsere jetzige und zukünftige Realität.
Mittlerweile noch dazu der viel zitierte Bundeskanzler-Kurz-Sager “Wir wollen nicht zurück in die Steinzeit“ – und damit meinte er, dass wir weiter Straßen und Autobahnen bauen müssen.

Ja, so schaut’s aus, wenn es 10 nach 12 ist.

Viele Menschen warten auf einen „Neuanfang“ – der ihnen von PolitikerInnen immer wieder versprochen wird. „Die Normalität würde dann und dann kommen“ -, und gemeint wird damit – es wird wieder so werden, wie es früher war.
Doch:
 „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.“
„Wir steigen in denselben Fluss und doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht.“ (Heraklit)
Wir sind es und wir sind es nicht.
Der Neubeginn ist immer wieder Heute.
Hier und Jetzt.
Es ist so, wie es ist.
Ich habe keine Antworten auf die Fragen – wie wir uns darauf vorbereiten sollen / könnten.


Und doch, wenn ich mir recht überlege womit ich in den letzten Jahren – oft auch sehr mühsam – beschäftigt war, kommt mir heute dies alles wie eine Vorbereitung auf die jetzigen Zeiten vor.
Und doch, es gibt keine allgemein gültigen Antworten und jede und jeder muss sie für sich selbst finden. Bald.

Die letzten Jahre / meine Vorbereitung:

  • ich hab mein Hab und Gut reduziert – habe vieles weggegeben, von dem ich dachte, ich kann ohne dem nicht leben – ich kann – das gibt Sicherheit
  • ich habe mich hier an diesem, meinem neuen/alten Wohnort eingewurzelt und mich mit meinen Sehnsüchten nach der Ferne auseinandergesetzt – bis ich wusste, woher sie kommen, und jetzt bin ich froh und dankbar, hier zu sein und nicht immer weg zu wollen – auch – weil es sowieso nicht geht – Dankbarkeit für das, was ist
  • mein Sohn wohnt neben mir – Zufall? Nein. War mir diese unmittelbare Nähe bis dahin nicht wichtig, bin ich heute sehr froh und dankbar dafür, weil es das Einzige ist was zählt – liebevolle Beziehungen und Gemeinschaft – das stärkt
  • ich habe mich gefragt – wer bin ich, wenn ich das alles, was ich bis jetzt war, nicht mehr bin – und weiter, wer bin ich, wenn ich das alles, wie ich bis jetzt gelebt habe, nicht mehr leben kann – nun, auch hier hat mir eine Reduktion – ein Ankommen in der Genügsamkeit – sehr gut getan
  • ich habe mich zurückgezogen, lebe in wohltuender Stille gut mit mir allein, mit wenigen HerzensfreundInnen, mit denen ich eine so große Herzensverbindung habe, dass wir uns nicht dauernd sehen müssen, um mich in dieser Verbindung aufgehoben zu fühlen – Ruhe in sich selbst
  • bin ich bis jetzt schon wenig bis gar nicht mehr geflogen – werde ich jetzt aus Umweltschutzgründen und weil ich der Meinung bin, dass uns Corona und Klimakatastrophen in Zukunft nicht mehr – oder nur sehr wenig – fliegen lassen werden – nicht mehr in ein Flugzeug steigen – Entscheidungen bringen Erleichterungen

Den Spagat schaffen – das Leben gut zu leben und das Undenkbare denken …

Die Verbundenheit von beidem – weil alles zusammengehört …

In einem Essay hat Carolin Emcke zur „MeToo-Debatte“ geschrieben:
“Wir sollten die eigene Macht nicht unterschätzen, wir sollten uns nicht als wehrlos denken, nicht vereinzeln lassen, sondern uns einander zuwenden, Allianzen suchen, im Freundeskreis, in den Familien, in der Schule, in der Nachbarschaft. Verbündete suchen, mit denen gemeinsam sich die Strukturen aufbrechen lassen, die Gewalt und Ausbeutung ermöglichen”.

Und ich möchte ergänzen: Wir brauchen Gemeinschaft – jetzt um so mehr – dich und dich und dich – um gemeinsam unsere Antworten zu finden, wie wir jetzt im Angesicht der Klimakatastrophe leben wollen und ein Stück weit zur Verringerung der Ausbeutung beitragen können. So weit es halt für jede*n Einzelne*n von uns geht …

leben im hier und jetzt

vergangenheit aufgeräumt

zukunft ungewiss

pánta chorei kaì oudèn ménei

alles bewegt sich fort und nichts bleibt

nichts bleibt

leben im hier und jetzt

Autorin: Monika Krampl
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 08.08.2021
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Elfriede Harth sagt:

    Liebe Monika,
    Du bist schon ein ganzes Stück Weg gegangen und hast feststellen können, dass ein voller Rucksack dabei eigentlich belastend ist. Dass Reichtum und Kostbarkeit nicht dasselbe sind. Es ist sicherlich ein Gewinn, den die Erfahrung schenkt, wenn ich mich beschenken lasse …. wie schön, alt zu sein!

  • Anne-Käthi Zweidler sagt:

    Danke Monika. Deine Worte treiben mir fast Tränen in die Augen: so schlicht, so schön, so wahr.
    Den Ersatz von Flugreisen durch Wanderungen, Zugfahren und allenfalls Fährpassagen habe ich schon seit ein paar Jahren gut hingekriegt und vermisse gar nichts mehr. Jetzt übe ich die vegatarischem Kochkünste – bald wohl die veganen – und fühle mich sehr bereichert dadurch.
    Und nun kommt das Wichtigste, wie du schreibst: die guten und liebevollen Beziehungen. Die Freundschaften mit ähnlich denkenden Menschen bewusster pflegen. Friedliche Kontakte mit der Nachbarschaft trotz politischen Differenzen und diese ansprechen, aushalten und genau gleich für die Nachbarn da sein. Im Dorf klimapolitisch aktiv bleiben trotz Anfeindungen und sich einfach weiter zum Wohl der ganzen Gemeinde engagieren. ich spüre: es ist machbar und jeden Tag geht es leichter.

  • Anne Newball Duke sagt:

    Danke, liebe Monika, für deinen Text. Du machst sehr klar, was jede und jeder Einzelne tun kann. Aber ich möchte auch darauf verweisen, dass es in gewisser Weise ein Privileg ist, sich klimaschädlichem Verhalten “einfach so” (auch das ist so schwer, ich weiß) entledigen zu können. Die Globalisierung hat es z.B. – um nur auf eine komplizierte Verquickung hinzuweisen – mit sich gebracht, dass viele menschliche Beziehungen über Kontinente hinweg geführt werden. Soll ein Mensch, der in Deutschland zu Hause ist, nun seine Mutter in den USA nicht mehr besuchen können? Mir wurde darauf schon oft – meist von klima-aktivistischen Mitstreiter*innen – lapidar geantwortet, “dann soll er halt seine Mutter nach Deutschland holen”. Aber auch die steckt ja in ihren eigenen lokalen Beziehungsweisen, so wie auch er in Deutschland. Viele Verhaltensformen, die Klimaschäden verursachen, sind nicht einfach mit persönlichem Verzicht zu beheben, leider.
    Wie Anne-Käthi Zweidler auch hinzusetzt, ist das bewusste politische Weiterdenken für sehr komplexe globale Zusammenhänge vonnöten, um die Klimakrise wirksam zu bekämpfen. Amitav Ghosh argumentiert in seinem unglaublich lesenswerten Buch “Die große Verblendung. Der Klimawandel als das Undenkbare” (2017): “(…) die individuellen Entscheidungen angesichts des Ausmaßes des Klimawandels (werden) kaum einen Unterschied machen, solange nicht parallel dazu kollektive Entscheidungen getroffen und in die Tat umgesetzt werden. Aufrichtigkeit hat nichts zu tun mit der Rationierung von Wasser in der Trockenzeit, wie heutzutage in Kalifornien üblich. Und Rationierung ist keine Maßnahme, die dem individuellen Gewissen überlassen werden kann. Wer so denkt, der argumentiert entlang von neoliberalen Prämissen.” (S. 182) Ich finde es ganz toll, für sich persönlich diesen Weg zu gehen, klimabewusster zu leben. Ich habe nur immer dieses bedrückende Gefühl, dass es – wie Amitav Ghoah schreibt – eher mit der Erleichterung des eigenen Gewissens zu tun hat und mit den Möglichkeiten, die mensch hat (und andere eben nicht), und dass es auch oft als Ausrede herhält, nicht politisch aktiv werden zu müssen, nach dem Motto, “ich tu ja schon genug”. Ich meine damit nicht, dass du politisch nichts tust, liebe Monika, bitte nicht falsch verstehen, ich habe nur die Erfahrung gemacht, dass es oft so verwendet wird, und deswegen wollte ich den Punkt hier lediglich hinzufügen.

  • Fidi Bogdahn sagt:

    … und ich füge den letzten Beitrag noch ein ! hinzu

  • Ursula H. sagt:

    Ja, auch ich verzichte gerne – dort wo es nicht sonderlich weh tut. Kleidung, Flugreisen, Billiglebensmittel, Bestellen im Netz und und und…aber nicht auf Haus und Garten hier in meiner Stadt, wo sich Familien und vor allem Alleinerziehende kaum mehr eine Wohnung leisten können. Denn dieser Verzicht, autsch, der würde weh tun.

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