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Pandemische Familien – Das bleibt unter uns

Von Silke Kirch

Die Pandemie hat Grenzen in Frage gestellt und Grenzen gezogen. Dabei ging es um Schutz, Fürsorge und Sicherheit, um Sicherheitsbedürfnisse, aber auch um Zugehörigkeit, um soziale Bedürfnisse und darum, die Grenzen des Miteinanders neu auszutarieren. Ein Haushalt, eine Familie galten als unhinterfragte Maßeinheiten für eine solide Balance von Solidarität und Sicherheit. Sie waren sozusagen die Optimisten, mit denen wir lernen sollten, durch die Pandemie zu segeln. Doch es gab frühe Lecks, überraschende Windböen, geschlossene Häfen und rücksichtslose Manöver von Supertankern, die Optimisten schnell zum Kentern bringen konnten.

Im Frühjahr 2020 war Social Distancing für die meisten eine klare Sache. Anders für Patchwork-Familien. Denn wenn Kinder mit Umgangsrechten im Spiel sind, da war der Gesetzgeber eindeutig, galten Kontaktbeschränkungen nicht. Kindern von getrenntlebenden Eltern stand es frei, zwischen den Haushalten ihrer Eltern zu wechseln – gewissermaßen hin und her zu segeln. Als Familienpatchwork war man, was Social Distancing anging, in einer Grauzone, und diese Grauzone konnte zuweilen ziemlich groß und unübersichtlich sein. Denn ja, mitunter haben ja auch die neuen Partner:innen der getrennten Eltern ebenfalls Kinder aus früheren Ehen oder Beziehungen. Und die Halbgeschwister pendeln dann wiederum auch. Und so weiter. Wo hört dann die Familie auf? Und was ist ihr Kern? Und wie funktioniert dann Social Distancing? 

Keine einfache Sache, Vereinbarungen mit der neuen Familie des Ex-Mannes zu treffen, fand ich. Ging aber nicht anders. Die knallharte Realität war eben: Es mussten unangenehme Entscheidungen getroffen werden, um Ansteckungsrisiken zu minimieren. Die See war rau und nicht alle konnten schwimmen. Im Familienpatchwork gab es Covid-Klinikpersonal hier, Pflegebedürftige dort und dazwischen die jüngeren Generationen von Kindergarten bis Uni. Und das ist im Grunde nichts weiter als ein Abbild von Gesellschaft. Das ganze Haus. Verbunden mit all den unbequemen konflikthaltigen Fragen, die sich nicht eindeutig beantworten ließen, gleichwohl aber einer Lösung bedurften: Wer darf wann wen treffen, damit diese und jener nicht gefährdet werden? Welche Risiken gehen wir ein, welche meiden wir? Und wer nimmt sich wann zurück? Was ist gerecht? Kann es gerecht sein unter den Bedingungen eines Seebebens? – Es gibt eine Menge Verhandlungsbedarf insbesondere dort, wo Familie kein einzelner Haushalt ist, sondern ein weitverzweigtes Wegenetz. Miteinander segeln ist eine komplizierte Sache. Und in mancherlei Hinsicht war es viel zu gefährlich. 

Zu den erschütternden Erlebnissen in der Pandemie gehört für mich, dass Eltern, die Job-bedingt regelmäßig Umgang mit Covid-Patient:innen hatten, sich über längere Phasen von ihren Kindern trennten, um andere nicht zu gefährden. Oder auch ganz einfach: um noch einen Menschen zu finden, der bereit war, sich um ihre Kinder zu kümmern, während sie Todkranke pflegten. Sie sangen ihre Kinder über Videocall in den Schlaf und winkten ihnen nach der Schicht von Ferne zu. 

Während zugleich wiederum vor den Klinikfenstern jene für ihre Freiheitsrechte demonstrierten, die noch nicht verstanden hatten, dass „Freiheit“ nicht möglich ist, wenn man den Zusammenhang von Autonomie und Fürsorge zerreißt. Drinnen und draußen sind Kategorien, über die Zugehörigkeit und Identität als etwas Eindeutiges verhandelt werden. Sie operieren über Abgrenzung und Ausschluss. Im Kern aber geht es um Kontinuität und Sicherheit – und letztlich um Macht: Hier die Wahrung der Komfortzone, dort die Menschen, die hohe Risiken tragen müssen und täglich über ihre Grenzen gehen, um andere in Sicherheit zu bringen. Was für eine Schieflage. Doch genau diese Schieflage ist der Kern patriarchal organisierter Gesellschaftsformen. Und vielleicht ist es noch nie so deutlich gewesen wie in der Pandemie, dass nicht Familie Kernzelle von Gesellschaft im Kleinen ist, sondern Gesellschaft als Ganzes patriarchale Familienmuster repliziert und gerade damit demokratische Formen des Zusammenlebens unterwandert. Den einen wird der Wind aus den Segeln genommen, damit anderen der Treibstoff nicht ausgeht.

Bürofamilien

Auch für meinen Beruf ist das Unterwegssein zwischen verschiedenen Kontexten konstitutiv. Als Freiberuflerin läuft eine mal hier, mal dort in den Hafen ein und trägt so zum Erhalt eines Wegesystems bei, aus dem immer wieder neue Kooperationen entstehen. Eine trotz mancher Risiken sehr fruchtbare Art zu arbeiten. Umso erstaunlicher, was in der Pandemie passierte. In ihrer (Büro-)herde fühlten sich offenbar nicht wenige bereits vor der Erfindung eines Impfstoffes gegen Covid immun. Zwischen verschiedenen Arbeitszusammenhängen pendelnde Freiberufler:innen, welche die Herdenzusammengehörigkeit per se unterwanderten und dann noch Ansprüche an Hygienemaßnahmen stellten, wurden zuweilen schnell als lästig und störend wahrgenommen, umso mehr natürlich dort, wo das Querdenken und Corona-Leugnen Pfahlwurzeln schlug und das Bedürfnis nach einer kollektiven Identität in den Vordergrund drängte, inklusive der Lust an Lagerbildung – womit manche ihre persönliche Wohlfühlzone als Kern einer gemeinsamen Wagenburg etablieren konnten. Plötzlich gab es hohe Hafenzölle. Und dann wurde die Funkverbindung gekappt.

Die Familiarisierung von Arbeitsbeziehungen ist ein unterschätzter Sparring-Partner im Kampf gegen Covid, vielleicht war sie in der Pandemie bislang einer der Hauptgründe für den unverantwortlichen Widerstand gegen eine Homeoffice-Pflicht. Auch hier gab es dann plötzlich schnell die, die drinnen waren, und die, die außen vor blieben. Und die Etablierung dieser Grenze hatte eine systemische Bedeutung. Urplötzlich hatten die einen das Nachsehen und blieben auf dem Verhandlungsbedarf, den eine Pandemie mit sich bringt, sitzen; die anderen reklamierten Deutungshoheit und bestimmten, was der Rede wert ist: Hier war sich die Bürogemeinschaft einig, dass man immer noch zusammen an einem Tisch Schulter an Schulter zu Mittag essen kann, dort waren die unbequemen Abweichler. Auch das ist Teil der Sehnsucht nach Familie: Kollektive Einmütigkeit hier, Spielverderber dort. Geschlossene Systeme stabilisieren sich gerne über Außenseiter. Allzumal in Krisenzeiten. Allein auf offener See waren Optimisten jedoch ernsthaft in Gefahr.

Hermetische Familien und Sündenböcke

Mein größtes Problem im Umgang mit Coronaleugnern und selbsternannten Querdenker:innen war für mich mein psychologisches Interesse. Ich bin staunend so damit beschäftigt herauszufinden, wie mein Gegenüber tickt, dass ich zu spät mitbekomme, wie es mir schadet. Was ich lange verkannt habe, ist, dass die mentalen Pirouetten von „Querdenker:innen“ nicht nur auf teils faszinierende Weise vorführen, wie Verdrängungsmechanismen – Verschiebung, Verleugnung, Verkehrung ins Gegenteil – funktionieren, sondern dass die paranoide Interpretation von Wirklichkeit, zu der hermetische Systeme neigen, ständig neues Futter braucht und sich alles unterschiedslos einverleibt. Das Problem ist, dass geschlossene Systeme Abweichler brauchen, um sich zu konsolidieren. Sie schicken den Sündenbock nicht nur in die Wüste – oder aufs offene Meer –, sie müssen ihn kontrollieren. Das gelingt durch Übergriffe, Unterstellungen, über zum Teil wahnwitzige Kurzschlussreaktionen, mit denen Koinzidenzen und Analogien überinterpretiert werden. Auf diese Weise lässt sich die sukzessive Entstehung von Verschwörungsmythen beobachten, was psychologisch interessant ist, aber ungemütlich wird, wenn man selbst zum Gegenstand der Verschwörungstheorie geworden ist.  Doch Sündenböcke sind, solange sie sich nicht mit den Anhaftungen identifizieren, die andere ihnen mitgeben: frei. Autonomie und Zugehörigkeit wurzeln in der Bewegung, nicht in der exakten Verortung. Und dasselbe gilt für Identität, die auf individuellen Erfahrungen beruht und keiner Ideologie bedarf. Sie bleibt zwischen Annäherung und Abgrenzung beweglich, in Schwingung mit dem Segel und dem Wind. Supertanker können sie zum Kentern bringen.

Das ganze Haus

Zugehörigkeit und Individualität sind Grundbedürfnisse, die potenziell miteinander in Konflikt stehen. Ebenso wie Freiheit und Sicherheit. Oder Abhängigkeit und Autonomie. Und diese Konflikte sind ebenso konstitutiv für unser Sein und Miteinander-Sein wie jedes Bedürfnis für sich es ist. Auch dieser Zusammenhang darf nicht zerrissen werden, nicht auf der Ebene des Subjekts, nicht in der Familie, nicht auf der Ebene von Gesellschaft. Wo der Konflikt ausgelagert wird, um Gemeinschaft zu konsolidieren, wird in Wahrheit Gemeinschaft zerstört. Wo Einmütigkeit als Prädisposition behauptet wird, agiert die Gemeinschaft antipluralistisch und kann jede Sicherheit nur trügerisch sein. Wo Ganzheitlichkeit reklamiert wird, wird es unmenschlich. Denn auch der Konflikt und die Selbstentfremdung gehören zum Ganzen, zum Menschsein dazu. 

Wir bleiben nur dann miteinander in Entwicklung, wenn wir in einer Offenheit der Differenz – zu uns selbst und zum anderen – bleiben. Niemand segelt alleine. Niemand kann das Wetter genau vorhersagen oder das eigene Verhalten bei der nächsten Böe oder Welle. Spielraum und Sicherheitsabstand lassen sich nur zusammen austarieren. Es ist es eine Herausforderung, hinreichend Raum zu lassen, ohne den Zusammenhang mit den anderen zu verlieren. Die stimmige Balance liegt in der Verantwortung aller. Dabei sind Freiräume und Sicherheiten nicht unabhängig voneinander zu haben, sie existieren nicht bedingungslos, wir können sie nur gemeinsam füreinander herstellen. Seewärts geht es allein dann, wenn wir klimatisch in Beziehung bleiben. Im besten Falle ist es das, was Gemeinschaft leisten kann. Ob es nun Verwandte, Wahlverwandte, Seelenverwandte sind oder das Patchwork-Gedöns: Familie ist nicht das eine Boot, sie ist eine Flotte. Sie ist der Kompass, das Echolot, der Radar. Und das Meer zwischen uns.

Wir sind: gemeinsam unterwegs. Wer auch immer wir sind. Mal näher, mal ferner. Denn nur so können wir füreinander bedeutsam werden und bleiben. 

Autorin: Silke Kirch
Redakteurin: Jutta Pivečka
Eingestellt am: 18.10.2021
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Jutta Pivecka sagt:

    Liebe Silke, für mich muss ich leider erkennen, dass ich nur noch widerwillig “gemeinsam unterwegs” bin, dass die Erfahrungen mit der Pandemie mich dazu verleiten, mich abzuschotten und egoistischer zu werden, mich nur noch verantwortlich zu fühlen für einen kleinen Kreis. Die Reaktion der “Gesellschaft” (wie immer weit oder eng gefasst) und ihre Institutionen hat mich so gründlich enttäuscht, dass ich mich innerlich aus ihr verabschiedet habe (oder dies zumindest in dunklen Momenten so empfinde). Die Schwächsten (in den Pflege- und Altenheimen) wurden ihrer Freiheiten beinahe absolut beraubt. Eingesperrt in ihren Zimmern mussten sie monatelang verharren (wenn sie überlebten). Rücksicht und Nachsicht erfuhren jene, die rücksichtslos ihre eigenen Bedürfnisse durchsetzen wollten. Gehör finden und fanden jene, die andere mobben, bedrohen, bis hin zum Mord in Idar-Oberstein. Wir hören von Busfahrer_innen, die bespuckt wurden und Schaffner_innen, die geschlagen wurden. Obgleich nie berichtet wurde, dass Maskenverweigerern und Impfgegnern ähnliches widerfuhr, gelang und gelingt es ihnen, sich als Opfer zu inszenieren.
    “False balance” der Berichterstattung auch hier. Für die Herausforderungen, vor denen wir stehen, macht mich das mehr als skeptisch. Gerade deshalb tat mir das Lesen deines Textes gut, denn du versuchst – trotz allem – offen zu bleiben. Ich glaube, das muss ich erst wieder mühsam erlernen, aus dieser Verbitterung aufzutauchen und diese Offenheit wieder aushalten zu wollen. Ein bisschen mehr Mut dafür schenkt mir dein Text. Danke!

  • Silke sagt:

    Liebe Jutta,
    ich kann Deinen Unmut und Deine Enttäuschung sehr gut verstehen und teile die Skepsis. Radikale Abgrenzung ist häufig allein aus Gründen der Selbstfürsorge wichtig. Aber ich frage mich: Wohin denn verabschieden, wohin zurückziehen? Für mein Empfinden gibt es keinen Ort außerhalb. Oder wenn, wäre auch das ein beweglicher Ort, ein Transit, eine „Transfähre“ (um im Bild zu bleiben), mit der Option auszusteigen, mit der Hoffnung auf Transformation. Wir könnten ja mal ein Gespräch darüber führen, welche Orte (innere/äußere?) für uns in der Pandemie verloren gegangen sind, welche wichtiger geworden sind, welche sich vielleicht neu gebildet haben. Das wird ja sicher sehr unterschiedlich erlebt, aber vielleicht könnte ein solches Gespräch etwas dazu beitragen, sich neu zu situieren.

  • Jutta Pivecka sagt:

    Ja, ein solches Gespräch würde mir sicher helfen.:-) Wobei es mir nicht (ausschließlich) um mich selbst geht (obwohl es durchaus auch Räume gibt, die ich “verloren” habe). Viel mehr bewegt mich, wie sehr die Pandemie offenbart hat, wessen Räume “die Gesellschaft” als schützenswerte anerkennt und welche nicht. Die Räume von Kindern und Jugendlichen, die Räume von Pflegebedürftigen und Alten wurden recht bedenkenlos und sehr lange eingeschränkt. “Dienende” Erwerbstätige im Einzelhandel, in der Gastronomie, im ÖPNV können ohne weiteres 8 und mehr Stunden zum Tragen einer Maske verpflichtet werden, ganz unabhängig davon z.B., ob sie geimpft sind oder nicht. Hilfskräfte in der Landwirtschaft können in “Arbeitsquarantäne” interniert werden, genauso wie Hilfskräfte in der Fleischwirtschaft. Anders, ganz anders sieht es bei Menschen aus, die in Büros arbeiten. Entscheider und Entscheiderinnen können sich ganz offensichtlich praktisch ausschließlich in solche Menschen hineinversetzen und orientieren sich daran, dass die Zumutungen für diese Gruppe möglichst gering ausfallen, um den Preis, dass die anderen (die ganz Jungen, die ganz Alten und das “Dienstpersonal”) eben um so länger und um so härter eingeschränkt werden müssen. Das ganze Gerede von “Freiheit” hat sich als eine solch widerwärtige Farce enttarnt. Und ja – damit hast du absolut Recht: Die Pandemie hat offengelegt, wie sehr wir in patriarchalischen Verhältnissen noch leben, in denen die “Freiheit” dieses Teils der Gesellschaft zum allerhöchsten Maßstab erhoben wird (jenes Teils, der zwar nicht mehr ausschließlich aus Männern besteht, aber in dem der Vollzeit erwerbstätige Mann in mindestens mittlerer Position die Norm darstellt, an der sich inzwischen eben auch viele Frauen dieser Schicht orientieren). Ich finde es wichtig, nun beispielhaft durch die Pandemiepolitik vorgeführt zu bekommen, wie von dieser Norm nicht nur Frauen abweichen oder “Nicht-Weiße” (?), sondern eben auch alle Menschen, die zu jung oder zu alt für diese Arbeitswelt sind, genau so aber auch alle, die in Berufen arbeiten, die als “dienend” angesehen werden. Man bestellt. Und lässt sich was servieren. Oder reinigen. Bekommt geliefert. Die “Dienstklasse” hat zu funktionieren. Damit man “frei” ist und bleibt. Die Diskurse über die Pandemiebewältigung finden innerhalb der gehobenen Mittelschicht statt. Deshalb bleiben sie auch so schal und teilweise sogar albern. Die “Freiheitsfraktion” innerhalb dieser Schicht vertritt genauso wenig die Anliegen der tatsächlich am meisten Eingeschränkten, wie die “Fraktion Vorsicht”. Viel mehr geriert die eine Seite sich geradezu peinlich zum Opfer, während die andere Seite sich selbst nicht selten auf ein Moralpodest stellt. Beides bringt im jeweiligen Milieu Distinktionsgewinne. Und wiedermal bleiben die eigentlich “Betroffenen”: die Pflegerinnen, die Ärztinnen, die Pflegeheimbewohnerinnen, die Alten und Kranken, die Kinder, die Busfahrerinnen, die Schaffnerinnen, die Kellnerinnen….ohne Stimme.

  • Sandra Divina Laupper sagt:

    Vielen Dank für diesen Text! Ich habe ihn gleich einer Freundin weitergeschickt, mit der ich vor ein paar Tagen über die Unbegreiflichkeit der Gedankengänge von Impfverweigerern gerätselt habe. Ich denke, du bringst in diesem Text gut zum Ausdruck, wie widersinnig es ist, sich wirklich auf deren Argumentationsweise einzulassen. Ich persönlich nehme gegenüber Impfverweigerern eine klare Haltung ein: Ich erkenne an, dass es der Gesetzesgeber in den meisten Bereichen der Gesellschaft zulässt, dass jemand auch auf das Impfen verzichten kann, sofern er sich jeden zweiten Tag testen lässt. Aber ich stelle auch jederzeit klar, dass jemand, der sich nicht impfen lässt, in meinen Augen seine Verpflichtung, sich auch für das Wohlergehen aller mitverantwortlich zu fühlen, vernachlässigt. Deshalb dulde ich in meiner Gegenwart auf keinen Fall jedweges Gejammere über die Kosten und die Umständlichkeit des ständigen Testens. Wäre ja noch schöner! Wenn jemand schon meint, eine so individualistische Auffassung von Freiheit vertreten zu müssen, dann soll er auch bitteschön ganz individuell dafür zahlen – zumindest den Preis der ständigen Abstriche. Was uns alle die mehr oder weniger hohe Anzahl an Impfverweigerern in Hinblick auf die Belastung des Gesundheitssystems und erneut einzuführendeder Beschränkungen kostet, haben wir ja nunmehr klar vor Augen.
    Es war befreiend für mich, zu dieser Haltung zu finden, nicht zuletzt, weil sie mir erlaubt, auf die Notwendigkeit zu verzichten, mit Leuten zu brechen, die ich zwar mag, die aber in meinen Augen, insofern sie Impfverweigerer oder auch Corona-Verharmloser sind, eine in Zeiten der Pandemie untragbare politische Haltung einnehmen.

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