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Rubrik denken, erinnern, erzählen, handeln

Die Waschmaschine. Private Nachforschungen in drei Frauen-Generationen und Be- und Erkenntnisse einer hoffnungslos Abhängigen.

Von Anne Newball Duke

Vierter Beitrag aus der Serie: “Küchengeschichte(n) – wie Haushaltsgeräte die Care-Arbeit veränderten und verändern“.

Die Flecken eines ganz gewöhnlichen Tages; Part I. Foto: Anne Newball Duke

Als ich vor einiger Zeit Doris Lessings Die Memoiren einer Überlebenden (1974, übersetzt 1979) las (in unserer Zoom-Gesprächsreihe sprachen wir über das Buch hier), spielte ich ein Spiel mit mir: auf welche mit Strom betriebenen Haushaltsgeräte könnte ich auf gar keinen Fall verzichten? Wie ich es auch drehte und wendete und wie viele neue Geräte ich auch ins Spiel brachte; es blieb immer bei der Waschmaschine auf Platz 1 meiner imaginären Liste.

Der Hauptgrund ist nicht schwer zu erraten: die Waschmaschine nimmt einer Hausfrau (die natürlich auch noch was anderes ist als eine sich um den Haushalt kümmernde Frau) heutzutage wahrscheinlich die meiste Arbeit ab, räumt ihr also Zeiten frei, die den Frauen bis in die 1960er Jahre hinein – in der BRD wohl etwas früher durch das US-injizierte Wirtschaftswunder – mit Brennholz suchen, Kohle schleppen, Ofen anzünden, Kessel erwärmen, Wäsche kochen, Wäsche spülen, Wäsche trocknen, Wäsche mangeln, Wäsche bügeln, Wäsche legen und Wäsche in die Schränke räumen, nicht gegeben war. Neben dem Kochen war das sicher eine der wöchentlichen Haupttätigkeiten der Hausfrau.

Ich fragte meine Eltern, ob sie sich noch an die Übergänge vom Handwaschen zur Waschmaschine erinnerten, und wie ihre Mütter diesen Übergang erlebt hatten.

Meine Oma väterlicherseits

Meine Oma väterlicherseits hatte sieben Kinder. Sie wohnten in einem Försterhaus im Wald am Rande einer Kleinstadt auf der Insel Rügen, bis mein Vater etwa 15 Jahre und seine jüngsten Zwillingsgeschwister – er ist der älteste der sieben – etwa 4 Jahre alt waren. Etwa 50 Meter über den Hof gab es das Waschhaus mit allem, was vor der Zeit der Waschmaschine zum Wäschewaschen dazugehörte: einem holz- und kohlebetriebenen Ofen, einem riesigen Kessel mit Kelle und einer riesigen Mangel, bestehend aus zwei großen Holzrollen. Diese musste immer von zwei Personen bedient werden: eine drehte die Mangel, die andere legte die Wäsche so rein, dass sie möglichst knitterfrei am anderen Ende herauskam.

Meine Oma arbeitete tagsüber einige Jahre in einem Kindergarten und auch immer wieder als Kassiererin; mittags kam sie nach Hause, kochte, danach ging sie wieder zur Arbeit. Danach kochte sie wieder, wusch Wäsche, räumte und putzte, kümmerte sich um die Tiere – im Durchschnitt rannten immer 20-30 Hühner, 6-7 Flugenten, 2-3 Puten (die aber immer recht schnell der Fuchs holte, da sie Hund und Zaun entkamen und ihre Eier im Wald legten), 1 bis 2 Schafe und ein Schäferhund über den Hof. Sie tat das alles und sicher noch viel mehr bis etwa 23 Uhr nachts. Spätestens morgens um 6 ging alles wieder von vorne los. Mein Vater sagte, dass es sehr gemütlich und beruhigend für ihn als Kind war, die Mutter im Hause bis spätnachts arbeiten und rumoren zu hören.

Von meiner Oma habe ich, bis sie 2006 an Krebs starb, so viele Försterhaus-Geschichten gehört. Sie war eine großartige Geschichtenerzählerin. Sie kam fast nie durch eine Geschichte, ohne mehrmals in tränenreiche Lachkrämpfe auszubrechen. Sie lachte sowieso viel und gern, sie war immer gut drauf; auch schon als Mutter von sieben kleinen Kindern, sagt mein Vater. Ich hing immer an ihren Lippen, ich hörte sehr genau zu, und dabei vielleicht nicht immer auf das Gesagte. Zwischen den Worten und Tönen und dem Lachen hörte ich vielleicht auch schon als Kind ihre Erschöpfung heraus…

Kurz bevor ich zum Studieren ging, war ich mal wieder ein Wochenende bei ihr. Sie wohnte damals in Stralsund, wir in Warnemünde. Es waren nur zwei Stunden mit dem Zug. Seit ich etwa 12 Jahre alt war, liebte ich es, über das Wochenende zu ihr fahren. Sie sagte mir, dass sie stolz auf mich sei, und dann etwas sehr Bemerkenswertes: ich solle mich auf mich konzentrieren, am besten weder Mann noch Kinder bekommen. Sie erzählte dann davon, dass sie eigentlich Sängerin hatte werden wollen und gute Aussichten gehabt hatte. Ich erinnere mich allerdings nicht daran, dass meine Oma viel gesungen hätte. Auf der Hochzeit meiner Eltern hatte sie gesungen, und das ist ein legendärer Moment in der Familienchronik. Ich denke darüber heute das erste Mal tiefer nach. Tat es zu sehr weh, dieses nicht gelebte Leben in sich klingen zu hören? Hatte sie so hohe Ansprüche an sich, dass sie nicht “einfach so” singen (und sich eventuell blamieren) wollte? Oder konnte sie im (Oma-)Alter schlicht nicht mehr singen, weil sie relativ früh die Zähne verloren hat und ein künstliches Gebiss tragen musste, das für sie immer ein leidiger und störender Fremdkörper im Mund blieb? Fragen, die ich ihr jetzt nicht mehr stellen kann.

Das Gespräch jedenfalls grub sich tief in mir ein. Ich habe ihren Rat nicht befolgt und bin sehr froh darum, aber jedes Mal, wenn ich genervt vor der Waschmaschine und den Wäschehaufen sitze, oder mir der Tag allgemein und ungeplant mal wieder unter der ganzen Haus- und Familienarbeit zusammenbricht, dann denke ich an dieses Gespräch.

In dem Försterhaus gab es auch eine Ferienwohnung, die natürlich auch meine Oma betrieb, in der ein Ehepaar jedes Jahr Urlaub machte, das – auch so etwas gab es in der DDR – ein Unternehmerpaar war und also über etwas mehr Geld verfügte als eine gewöhnliche Familie Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre. Eines Tages hörten sie alle einen markerschütternden Schrei von meiner Oma aus dem Waschhaus. Als sie alle inklusive dem Ehepaar hinliefen, schlängelte sich im Heizkessel eine aufgeregte Kreuzotter. Meine Oma stand unter Schock. Das Ehepaar machte ihr daraufhin folgenden Vorschlag: sie würden diesmal den Aufenthalt nicht in Geld bezahlen; stattdessen würden sie ihr im nächsten Urlaub eine Waschmaschine mitbringen. Sie hielten Wort, und somit hielt die Waschmaschine etwa 1964 Einzug in den Haushalt meiner Oma. Mein Vater konnte nichts dazu sagen, ob meine Oma sehr erleichtert über die Zeitersparnis durch dieses neue Haushaltsgerät war. In meinen Erinnerungen hatte meine Oma sehr viel von den Windeln gesprochen, die sie zu waschen hatte. Aus dem Windelalter waren ihre Kinder alle heraus, als die Waschmaschine kam, aber ich glaube schon, dass meine Oma innerlich ein Fest feierte, ich kann es mir nicht anders vorstellen.

Meine Oma mütterlicherseits

Meine Oma mütterlicherseits liebte ich ebenfalls über alles, nur konnte ich sie nicht so oft besuchen, da meine Großeltern in Sachsen lebten. Wir Kinder verbrachten dort jedes Jahr zwei traumhaft schöne Sommerferienwochen. Auch sie war eine lustige, uns Kindern zugewandte Oma: wenn wir da waren, gab es nichts, aber auch gar nichts, was wichtiger war für sie. Aber meine Oma redete nicht viel und irgendwie auch nicht gern von früher; die Anekdoten aus der Kindheit meiner Mutter kenne ich eher von meiner Mutter oder ihren zwei Schwestern. Ich wüsste nicht einmal, ob ich ihr jetzt viele Fragen stellen wollen würde. Unterbewusst habe ich immer das Gefühl gehabt, sie möchte nicht reden, oder es kostet sie wahnsinnig viel Mühe. Vor allem nach der Wende – da war ich ja gerade 11 Jahre alt – kam eine neue “aggressive Traurigkeit”, würde ich es jetzt mal nennen, hinzu. Ich sehe ihre Gedanken-wegwischende Handbewegung vor mir… leider war ich zu jung, um das alles zu verstehen.

Die Familie meiner Mutter lebte Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre in einer dreistöckigen Häuserzeile in Leipzig. Vor den Häuserreihen gab es Grünflächen, auch zum Wäscheaufhängen. Nur in einem Haus der Häuserreihe gab es einen Waschraum. Es gab einen Waschkalender, in den alle Familien ihre Waschzeiträume eintrugen. Meine Mutter und ihre Schwestern wurden sehr früh in die Hausarbeit eingebunden. Am Waschtag fuhren sie die dreckige Wäsche mit dem Schubkarren zu dem Haus, in dem der Waschraum war. Dort gab es noch keine Waschmaschine, also es musste auch hier der Ofen angeheizt, der Kessel erwärmt werden usw. usf.

Meine Mutter sagt, sie wuschen allerdings nur alle drei Wochen, denn im Waschraum wurden nur Bettwäsche und Handtücher gewaschen; alles andere nannte sich “kleine Wäsche” und wurde in der Küche in einem Riesenkochtopf gewaschen und dann in der Badewanne oder an der Spüle ausgespült. Meine Mutter gibt aber zu bedenken, dass das damals ja viel weniger war: sie und ihre Schwestern trugen dieselbe Kleidung eine Woche lang. Flecken und Kragen wurden mit der Hand ausgewaschen. Am Sonntag war Badewannentag; danach gab es eine neue Garnitur für die nächste Woche.

Etwa 1965 zog die Familie in eine Kleinstadt in Sachsen in ein großes Haus, und da gab es dann auch eine Waschmaschine. Aber ähnlich wie mein Vater weiß auch meine Mutter nichts dazu zu sagen, wie dieses neue Haushaltsgerät von meiner Oma aufgenommen wurde.

Was hatte ich mir erwartet? Ich muss zugeben, dass ich selbst mit der Erwartung in das Gespräch mit meinen Eltern gegangen bin, dass es sicherlich eine Geschichte des Jubels um die erste Waschmaschine herum gibt. Warum? Wenn ich so darüber nachdenke, ist es vielleicht eine Art Überblendung meinerseits. Nach dem Mauerfall schwappten die Werbebilder der westdeutschen Hausfrau seit den frühen 1950er Jahren über mich. Ich erinnere mich, dass diese Bilder mir und meinen Erfahrungen aus der Kindheit zunächst nicht fremder sein konnten, sich aber dann auch in mir schleichend über die letzten drei Jahrzehnte als “normal” etablierten. Werbung ist nicht das wahre Leben, das ist mir schon klar. Aber es macht sicherlich einen doch nicht unwesentlichen Unterschied aus, ob eine (Ehe-)Frau im Wirtschaftswunderland zur 100%-Hausfrau gemacht wurde und sich über Haushaltsgeräte zu freuen hatte, oder ob sie in der DDR nur eine Morgens-, Mittags- und (Spät-)Abends-Hausfrau war, die in einer unglaublichen Selbstverständlichkeit Beruf und Familie zu vereinbaren hatte. Ich denke, dass der immer und in den Medien fast ausschließlich präsente westdeutsche Frauenalltag auch meine Erwartungen bezüglich der Waschmaschine überblendet hat. Und weil ich natürlich selbst seit dreißig Jahren in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft lebe, in der es total normal ist, Dingen – gerade bestimmten Elektrogeräten – einen ganz besonderen Stellenwert in der Wahrnehmung einzuräumen, sie teils gar zu fetischisieren. Mich nehme ich davon nicht aus.

Vielleicht aber gibt es hier auch gar keinen Unterschied? Frage an westdeutsche Hausfrauen (und ich hoffe, es ist klar, dass ich das Wort in keinster Weise despektierlich nutze, und auch nicht nur die 100%-Hausfrau meine): gibt es die Waschmaschinengeschichte in der Familie, den alles verändernden Moment in der Geschichte der Hausarbeit durch die Waschmaschine? Aus heutiger Sicht, und mein eigenes Verhältnis zur Waschmaschine einbeziehend, kann ich mir gar nicht vorstellen, dass das nicht so ein Moment gewesen ist. Oder – anderer Gedanke: Ist die Waschmaschine vielleicht das “Nutztier” unter den Haushaltsgeräten? Das Gerät, das einfach selbstverständlich plötzlich da ist, und dessen Dasein überhaupt nie hinterfragt wurde, nicht mal zu Zeiten der allerersten Anschaffung? Wohingegen z.B. der Thermomix das Schoßhündchen mit menschlichem Vornamen unter allen Geräten wäre? Das eine unsichtbar, aber systemrelevant, das andere sichtbar und – wie soll ich es nennen – vielleicht “post-systemrelevant”?

Die dunkle Wäsche ist fertig, zwei hellbunte Wäscheladungen warten auf ihren Waschmaschinengang. Und die Waschmaschine selbst müsste vielleicht auch mal wieder gereinigt werden? Seufz. Foto: Anne Newball Duke

Noch einmal zurück zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der DDR: Die Zweifachbelastung war damals kaum Thema. Es gibt mittlerweile gute Dokus darüber, in welcher Art das Patriarchat gerade in den Anfangsjahren der DDR u.a. in Form von Ehemännern weiterlebte, die es als das selbstverständlichste der Welt betrachteten, nach der Lohnarbeit die Füße hochzulegen und sich von der Ehefrau, die größtenteils ebenfalls 100% lohnarbeitete, bedienen und bekochen zu lassen, und die sich natürlich “nebenbei” auch noch um die Kinder zu kümmern hatte.

Aber viele Ehemänner änderten sich im Laufe der vier DDR-Jahrzehnte; das mussten sie wohl, wenn sie mit ihren immer selbstbewusster auftretenden und ihr eigenes Geld verdienenden Frauen verheiratet bleiben wollten. Mein Opa lohnarbeitete viel, aber während der Sommerferien erlebte ich ihn immer als jenen, der mit dem Staubsauger durch die Wohnung brummte und nach den Mahlzeiten den Abwasch machte. Allerdings nur so lange, wie wir zu klein waren; spätestens ab 9 oder 10 Jahren mussten wir Kinder den Abwasch übernehmen, das war einfach selbstverständlich und wurde gerade von ihm rigoros eingefordert.

Meine Mutter erzählte, dass ihr Vater schon als sie Kinder waren, oft am Wochenende im Haus mithalf; ein typisches Bild für sie: ihr Vater saugt, ihre Mutter wischt hinter ihm her. Meine Oma war eine sehr reinliche Frau. Das Haus musste zweimal die Woche bis in die allerklitzekleinste hinterste Ecke geputzt werden, sehr zum Verdruss der drei Töchter. Zweimal die Woche saß meine Mutter also an dem wunderschön gedrechselten Holztreppengeländer: das zu entstauben war ihr die meistverhasste Hausarbeit. Meine Großeltern hatten oft Besuch, und meiner Oma war es auch wichtig zu zeigen, dass kaum ein Staubkorn im Haus lag, obwohl sie keine Putzhilfe hatte. Im Osten gab es die Vorstellung, dass die West-Hausfrau der oberen Mittelschicht nicht nur nicht lohnarbeitete, sondern zudem auch noch Haushaltshilfen hatte, etwa so wie es im Film “Papa ante portas” dargestellt wurde. Ich glaube, im Osten wurde gerade dieser enorm beliebte Film dadurch noch einmal mit einer ganz anderen (Humor-)Note wahrgenommen.

Seit dem Umzug arbeitete meine Oma nur noch halbtags als Sekretärin in einer großen VEB-Spindelfabrik in der Nachbarstadt. Die gläserne Decke für Frauen – es gab sie auch in der DDR. Meine Mutter meinte, dass es meine Oma schon öfter zwickte und zwackte, dass mein Opa Karriere machte, obwohl sie einen Dienstgrad über ihm stand, als sie sich kennenlernten. Und dann wieder diese Erinnerungen: Als meine Mutter im Abiturjahrgang war und auch als sie selbst bereits dreifache Mutter mit einem immensen Arbeitspensum war, erinnerte sie sich oft etwas fremdelnd daran, wie ihre Mutter damals im selben Alter mittags bereits teils Kreuzworträtsel lösend auf der Couch lag oder schlief.

Das war also das Leben “rund um die Waschmaschine herum”, die mal im Keller, im Waschraum, in der Küche oder im Bad stand; die aber selbst nie Protagonistin einer Familiengeschichte geworden ist. Anscheinend kam sie also in das Leben meiner Großmütter und blieb, ohne jemals viel Aufsehen zu erregen.

Meine Mutter

Auch meine Mutter kam von alleine auf nicht eine einzige “eigene” Waschmaschinengeschichte; es herrscht vollkommene Waschmaschinengleichgültigkeit. Eingeschlossen darin natürlich eine absolute Markengleichgültigkeit. Klar war meine Mutter auch gestresst, wenn die Waschmaschine kaputt war, aber dann musste bei Nichtrepariermöglichkeit eben schnell eine Neue her – Kaufargument war meist, wer eine preiswerte Maschine am schnellsten lieferte mit der längsten Garantie. Die geplanten Obsoleszenzen und die nach der Vereinigung rasant zunehmende Nichtreparierbarkeit der verschiedensten Geräte tut Ostdeutschen bis heute viel mehr weh als Westdeutschen, ist zumindest mein Eindruck. Es geht Ostdeutschen bis heute viel weniger in den Kopf, dass eine Reparatur teurer sein soll als eine Neuanschaffung. Das Gefühl des Betrogenwerdens vom Westen kam auch daher. Es trägt ja auch keinerlei Logik in sich, außer innerhalb eines luftdicht verschlossenen kapitalistischen Denkens.

Meine Eltern haben nie viel Aufheben um ein Gerät gemacht. So haben sie auch nicht wirklich verstanden, warum ich einen Text über die Waschmaschine schreibe; ich musste mir ein paar Sprüche anhören. Als ich meine Mutter um ihr Ranking der wichtigsten Haushaltsgeräte bat, schaffte es die Waschmaschine immerhin auf den 4. Platz. Nicht ohne den Zusatz, dass sie den Haushalt aber auch ohne Not ohne Waschmaschine schaffen könnte.

Es gibt sie aber dennoch, die eine legendäre Waschmaschinengeschichte in unserer Familie: als ich ein Baby war, das soeben das Kunststück der Drehung von Rücken auf Bauch erlernt hatte, bin ich nach dem Baden mal von der Waschmaschine gefallen. Immer wenn ich einen Denkaussetzer habe oder mich in den Augen anderer Familienmitglieder unmöglich verhalte, wird das noch heute gern auf diesen Sturz von der Waschmaschine zurückgeführt.

Meine Schwiegermutter

Meine Schwiegermutter lebte, bis sie 17 Jahre alt war, mit ihren Eltern und drei jüngeren Geschwistern in Cartagena de Indias, heute Weltkulturerbestadt an der kolumbianischen Karibikküste. Die Familie hatte nie eine Waschmaschine. Sie erinnert sich daran, dass ihre Mutter immer überarbeitet und erschöpft war. Sie verdiente Geld mit Nähen und mit Putzen in Häusern wohlhabender Familien, denn ihr Mann verdiente zum einen nicht genug, um die Familie zu ernähren, und war zum anderen nicht besonders verantwortungsbewusst.

In Kolumbien gab es Schuluniformen. Meine Schwiegermutter besaß fünf Schuluniformblusen – eine für jeden Wochentag. Durch die Hitze war es nicht möglich, die Bluse zwei Tage zu tragen. Etwa seit ihrem 8. Lebensjahr hatte sie u.a. ihre fünf Blusen am Wochenende selbst auszuwaschen und aufzuhängen. Sonntag war Bügeltag. Sie ist die Älteste der vier; die zweite wurde geboren, als sie sieben Jahre alt war; die anderen zwei folgten dann in einem Abstand von je einem Jahr. Das heißt, sie musste ab sofort eine massive Stütze im Haushalt sein. Als ihre jüngeren Geschwister noch zu klein zum Selberwaschen waren, musste sie also auch deren Kleidung waschen, aufhängen und bügeln. Sie hatte dadurch kaum Zeit, sich am Wochenende mit Freundinnen zu treffen; genauso wenig wie ihre Mutter. Von dem Bügeln am Sonntag in der karibischen Hitze hat meine Schwiegermutter bis heute ein Bügeltrauma: Das Bügeleisen ist heute in die hinterste Ecke des Hauses verbannt und wird nur in absoluten Knitternotfällen entstaubt.

Wäsche waschen, das bedeutete auch, dass die Kleidung ausnahmslos fleckenlos und “weiß weiß weiß, sauber und zwar picobello” (“blancoblancoblanco, limpia e impecable”) zu sein hatte. Es wurde also mit sehr heißem Wasser gewaschen, und es gab eine Art Reibe – erst aus einer Art Aluminium, später aus Glas – an dem meine Schwiegermutter die Wäsche sauberreiben musste. Und in nicht gebügelter Bluse zur Schule gehen, das ging ebenso wenig. Denn “so konnte man sich nicht sehen lassen, das machte keinen guten Eindruck (“No se veía bien, no tenía buena presentación”). Wenn sie darüber redet, wird ihre Stimme hart und sie redet im Passiv. Klingt nach massivem sozialen Druck.

Als sie 17 Jahre alt war, ging meine Schwiegermutter zum Arbeiten auf die Karibikinsel San Andrés. Von dort hatte sie auch weiter ihre Familie in Cartagena finanziell zu unterstützen. Sobald es ihr irgend möglich war, kaufte sie sich eine Waschmaschine, die früher – wie sie sagt – ja auch noch nicht das Gelbe vom Ei war: sie war kompliziert zu befüllen, das Wasser musste abgepumpt werden, die Wäsche wurde noch nicht geschleudert, musste also noch ausgewrungen werden. Dennoch eine Große Arbeitserleichterung. Als nächstes kaufte sie ihrer Mutter eine Waschmaschine. Sie erinnert sich nicht mehr, wann das genau war, aber es muss so Mitte bis Ende der 1970er Jahre gewesen sein. Diese allererste Waschmaschine hat ihre Mutter bis ins Jahr 2008 genutzt; den Umzug in eine andere Wohnung hat sie nicht mehr geschafft. Seitdem hat sie eine kleine modernere.

Meine Schwiegermutter erinnert sich, dass es schon Wegschmeißwindeln gab, als ihr Sohn (mein Mann) geboren wurde. Ökologisch ein Desaster, sagt sie, aber für sie sei das “die Rettung” gewesen: niemals Baumwollwindeln auswaschen müssen, gracias a dios!

Meine Schwiegermutter kann sich nicht vorstellen, jemals wieder mit der Hand zu waschen. Sie spielte dann durch, wie es wäre, eine dreckige Jeans mit der Hand waschen zu müssen, und wir lachten währenddessen mehrmals laut auf. Was für eine unvorstellbar umständliche, auch kraftaufwendige ätzende Tätigkeit!

Die Flecken eines gewöhnlichen Tages, Part II Foto: Anne Newball Duke

Ich

Mein eigenes Verhältnis zur Waschmaschine empfinde ich als eines der elementaren Abhängigkeit. Meine Kinder tragen nicht mehr eine Garnitur – heute nennt sich das ja Outfit (das klingt so altbacken, wie ich das schreibe) – pro Woche, sondern eine pro Tag. Es kostet mich seit Jahren harte Erziehungsarbeit, diesen Rhythmus wenigstens auf zwei Tage zu ziehen. Andererseits sollen doch meine Mädchen so wild und lebendig sein dürfen wie jeder Junge, und das taten/tun sie auch ausgiebigst… aber da bleibt eben kein Kleidungsstück sauber. Die Frage ist vielleicht eher, warum sie jeden Tag wieder von mir saubere, fleckenlose Sachen angezogen bekommen. Meine Mutter fragt mich das jetzt noch, wenn sie mich ehrlich bedauernd die Wäscheberge abarbeiten sieht. Ich kann da nur antworten: sozialer Druck. Die andern kommen doch auch sauber in die KiTa/in die Schule. Ein Fleck, und sei er noch so klein, und das Kleidungsstück wandert in den Wäschekorb. Ich denke darüber nicht erst seit heute nach, aber ich schaffe es einfach nicht, meine Kinder mit fleckigen Sachen in den Tag zu entlassen.

Ich mache bei uns die Wäsche, und zwar komplett. Wir haben es anders probiert, viele Monate des Einlernens lang haben wir es versucht, aber es ist für alle das Beste, trust me, vor allem für meine Nerven. Ich sage das ganz ohne Groll; mein Mann und ich, wir teilen uns lieber woanders die Hausarbeit auf. Ich wasche jede Woche etwa vier bis sechs Wäschen. Ich habe mal überschlagen, dass das Befassen mit schmutziger, nasser und trockener Wäsche in der Woche schon so vier bis sechs Stunden meiner Zeit einnimmt. Vielleicht ist das – frage ich mich gerade – gar nicht so viel mehr, wie meine Oma mütterlicherseits pro Woche in Wäsche investiert hat? Klingt absolut nach Rebound-Effekt! Und klar, wenn ich diese Wäschemassen per Hand waschen müsste… ich denke dann immer unweigerlich an meine Oma väterlicherseits und die Windeln… all die Windeln und keine Waschmaschine in Sicht… ich gehe unter.

Meine Freundinnen

Ein Update unter Freundinnen ergibt: zwar gibt es hier teils viel mehr Arbeitsteilung unter anderen Paaren als bei uns, aber die Wäschehaufen belaufen sich bei allen mit Kindern zwischen vier und acht pro Woche. Und das ist auch der Grund, dass wenn eine jammert, ihre Waschmaschine sei kaputt, sie mehr Mitgefühl von uns anderen bekommt, als würde sie eine… was weiß ich… zweiwöchige ätzende Krankheit haben. Wäschestau an der Waschmaschine… SOS das absolute Mörderchaos bricht aus, der ganze Alltag muss neu organisiert werden; in etwa so tiefgreifend, wie als wenn eine ganze Familie in Corona-Quarantäne muss. Ich weiß noch, wie das bei einer mal wieder passierte, und ich zu dem Zeitpunkt sogar zwei Waschmaschinen hatte, weil unser ausziehender Mieter sie für quasi nichts an uns verkaufte, um sie nicht mitschleppen zu müssen. Ich fühlte mich ganz schlecht und dachte darüber nach, ihr die eine irgendwie durch die ganze Republik zukommen zu lassen. Natürlich nicht ernsthaft, aber ich spielte den Gedanken durch.

Zuerst musste die trockene Wäsche runter, jetzt kann die die nächste gehangen werden. Für mich bedeutet diese Arbeit auch: Podcasthörzeit! Foto: Anne Newball Duke

Während eine Freundin sagt, es sei für sie auch das wichtigste Haushaltsgerät, und vor allem jenes, das nie nervt (im Gegensatz zum Drucker), sind gerade die Bedienungsfehler (des Partners) auch schonmal Anlass zu Streit bei der anderen (So á la: Wie dunkel oder wie neu darf ein dunkleres helles Wäschestück in der hellbunten Wäsche sein? An der Frage scheiden sich wahrscheinlich so viele Geister wie es Menschen auf der Welt gibt). Wiederum eine andere Freundin meinte, dass sie bei der Arbeit rund um die Waschmaschine sogar entspanne, da sie ihr am leichtesten von der Hand gehe. “Grundsolide und sehr widersprüchlich” findet sie die Waschmaschine. Widersprüchlich, weil sie einerseits ja so viel Arbeit abnimmt, und andererseits sie aber dennoch gleichzeitig so viel Zeit in der Nähe der Waschmaschine verbringt mit Beladen, Entladen, Lüften, Wäsche auf- und abhängen. Sie sagt, zudem sei sie schwer zu pflegen, auch drunter und dahinter. Die lustigsten Anekdoten sind diese: eine meiner Freundinnen kam morgens nicht ins Bad und somit auch nicht auf Arbeit, weil die Waschmaschine beim Schleudern im Bad vor die Badtür gehüpft ist. Einer anderen wiederum fiel der Motor einmal heiß qualmend in die mit Unterwäsche gefüllte Trommel und verbrannte und zerfetzte sie.

Während ich so über die Waschmaschine sinniere und darüber nachdenke, warum meine Mutter “ohne Not” auf die Waschmaschine verzichten könnte, während für mich gefühlt die Welt zusammenbrechen würde, kommt mir ein geradezu revolutionärer Gedanke: Wie wäre es denn eigentlich, die Waschmaschine abzuschaffen? Die erste Maßnahme wäre, die Wäschemassen radikal zu minimieren. Flecken würden wieder per Hand ausgewaschen, und zwar vom Kleidungstragenden selbst; es herrscht allgemein große Fleckentoleranz. Die Wäsche würde nur noch einmal pro Woche gewechselt werden, mit Ausnahme von Unterwäsche. Es würde nicht mehr so viel gekauft werden, das ewig schlechte Gewissen beim Klamottenkauf wäre bald Vergangenheit.

Meine kleine Tochter ist jetzt sieben und trägt die Klamotten ihrer Schwester auf; bei ihr musste ich bisher nur Strumpfhosen, Leggins und Jeans nachkaufen. Ich freue mich über jeden einzelnen Tag, an dem sie sich noch über die Sachen von ihrer Schwester freut. Die Große ist jetzt bald 14… das ist…. wahrhaftig ein unmögliches Alter, um als Mutter vom Wenigeranschaffen von Kleidung zu fabulieren. Sie ist seit über zwei Jahren Vegetarierin, sie weiß alles über Klimakrise usw., wie auch anders bei einer Parents for Future-Mutter, aber Mode, Klamotten… da braucht es tatsächlich eine Revolution oder aber zwei konstant harte Elternaugenpaare, um den unentwegten zuckersüßen Augenaufschlägen und dem Bitten und Flehen nach neuen Klamotten (steckt eigentlich das Wort “Motten” absichtlich dadrin? Frag ich mich zum ersten Mal…) standzuhalten. Auch hier spielt sozialer Druck und angebliche “Normalität” eine große Rolle.

Sucht meine Jüngste nicht gerade ihren Radiergummi? Nun, hier ist er, frisch gewaschen, bitte sehr. Foto: Anne Newball Duke

Ich selbst versuche mich seit Jahren im Weniger-Kleidung-Kaufen, und einige Erfolge habe ich schon erzielt (ausgenommen das letzte Coronajahr, Asche auf mein Haupt): das Gute am Alter ist, dass der Geschmack nicht mehr so sehr schwankt, und dass ich jetzt lieber auf bessere Qualität setze und dafür weniger kaufe. Aber dennoch… Mode ist was Schönes, ich mag schöne Kleidung, ich mag auch neue Kleidung, ich mag neue Farben und Schnitte… es macht das Leben bunt, und alle paar Monate zwickt und zwackt es mich… es gelüstet mich geradezu.

Nun gut, wir waren bei der Revolution, und die geht ja bekanntlich nicht allein: Wenn nun alle um mich herum es auch täten und der Rebound-Effekt zurückgedreht wär, dann bliebe der Arbeitsaufwand pro Woche ja ungefähr der Gleiche wie damals zu Großmütterzeiten… und es wäre natürlich in vielerlei Hinsicht viel ökologischer. Aber meine Bedingung wäre die: nicht nur ich, sondern die meisten Menschen müssten ihre Waschmaschinen abschaffen, dann wäre ich definitiv dabei. Denn das Gefühl, nur ich täte das … was für ein Verzichtsgefühl, was für ein Weniger-Lebenswert-Gefühl. Wahnsinn, das schockiert mich jetzt, aber damit lässt sich doch selbstkritisch weiterdenken und arbeiten.

Die Erkenntnis, dass meine Omas möglicherweise (zumindest nach der Windelzeit) gar nicht so viel mehr Zeit mit Wäsche verbracht haben könnten wie ich, hat mich jedenfalls ziemlich überrascht. Ich drehe jetzt meine revolutionäre Waschmaschinendenktrommel noch einmal konsequent eine Umdrehung weiter, denn warum gleich komplett auf die Waschmaschine verzichten – ich denke wieder schaudernd an das Jeanswaschgespräch mit meiner Schwiegermutter –, denn wirklich toll wäre doch eine wirkliche Zeitersparnis. Wie groß – frage ich mich – wäre nun eigentlich diese Zeitersparnis mit Waschmaschine, aber ohne den Rebound-Effekt seit den 1960er Jahren? Ich halte nicht viel vom Kreuzworträtsellösen, aber diese mittägliche Entspanntheit meiner Oma an einem ganz gewöhnlichen Wochentag… wunderbar. Gehört für mich definitiv unter die Top five des guten Lebens.

Bisher erschienen in der Reihe:

  1. Der Herd
  2. Die elektrische Getreidemühle
  3. Der Kühlschrank

Autorin: Anne Newball Duke
Redakteurin: Jutta Pivečka
Eingestellt am: 18.01.2022
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Jutta Pivecka sagt:

    Liebe Anne, vielen Dank für Deinen Beitrag, den ich sehr spannend finde, weil er so viele Geschichten vereint, weil er auf die Unterschiede zwischen DDR-Haushalten und BRD-Haushalten eingeht (über die ich so wenig weiß) und weil Du Dein eigenes ambivalentes “Abhängigkeitsverhältnis” zur Waschmaschine so anschaulich beschreibst.
    Ein bisschen schockiert mich, wie oft Du offenbar wäschst (und wieviel Zeit das kostet). Ich bin da sehr viel nachlässiger (kleine Flecken mach ich notdürftig mit Handwäsche weg). Früher, als unsere Kinder noch bei uns wohnten, hatte ich 2-3 Waschmaschinen in der Woche, heute ist es meist nur eine, selten 2. Ich kann mich nicht dran erinnern, dass es jemals 2 an einem Tag waren, but wait…doch, wenn ich die Trikots des ganzen Fußballvereins waschen musste.
    Was Du darüber erzählst, dass niemand sich direkt an den Einzug der Waschmaschine in den Haushalt erinnern konnte, den/die du befragt hast, ging mir beim Kühlschrank genauso. Erst in längeren Gesprächen kamen dann Sachen heraus wie das Herumräumen der Lebensmittel auf den Fenstersimsen im Laufe eines Tages, damit sie immer im Schatten lagen.
    Beim elektrischen Herd war das ganz anders, mit dem verband z.B. meine Mutter “Modernität” und Abkehr von der ganzen Gebundenheit in ihrer Jugend. Das ist auch eine interessante Frage, die sich aus dieser Reihe ergibt: Welche Geräte es warum zu einer “Beziehung” mit uns schaffen und welche eher so nebenher halt da sind, beinahe unbemerkt.
    In der Gegend, aus der ich komme, wohnten früher viele in der “Waschküche”, weil sie der immer warme Ort im Haus war. “Wohnzimmer” wurden nur für ganz seltene festliche Anlässe geöffnet. Lustigerweise waren deshalb auch die Waschküchen in den Neubauten der 60er und 70er Jahre sehr groß, obwohl ja nur die eine Maschine drin stand.
    In meiner Kindheit habe ich es so wahrgenommen, dass alle Frauen im Familien-Clan (die Großmutter, Großtanten und Tanten) dauernd gearbeitet haben und Waschen war ein wichtiger und sehr zeitfressender Teil davon. Der “moderne” Haushalt meiner Mutter schuf dagegen Zeit-Freiräume, die sie als “BRD-Frau” eben nicht nutzte, um erwerbstätig zu sein (jedenfalls nicht in meiner Kindheit), sondern um Zeit für uns zu haben (Vorlesen z.B.), Muße für sich, um ihren Horizont zu erweitern (VHS-Kurse) und Sprachen zu lernen. Aus meiner heutigen Perspektive war das keineswegs vergeudete Zeit, sondern die wertvollste überhaupt.

    Von allen Geräten, über die bisher in dieser Reihe geschrieben wurde, wäre die Waschmaschine dasjenige, bei dem ich mir noch am ehesten vorstellen könnte, es mit einer Hausgemeinschaft zu teilen. Bei uns im Haus stehen im Keller 4 Waschmaschinen (4 verschiedene Haushalte) und meistens stehen 3 still. Ich käme mit einem Waschtag pro Woche aus.

    Als ich studiert habe, bin ich mit der schmutzigen Wäsche nach Hause zu meinen Eltern gefahren (gab noch kaum Waschsalons). Da hat einmal alle 14 Tage Waschen gereicht.

    Was das Auswechseln von Waschmaschinen angeht: Ich habe in meinem Erwachsenenleben bisher 2 gehabt (die 2. haben wir noch). Ich finde also, dass sie doch ziemlich langlebig sind (bei der ersten waren es fast 20 Jahre). Wir hatten aber beide Male sehr teure Waschmaschinen von einer bekannten Marke (der wir “treu” sind) gekauft. Keine Ahnung, ob das Aberglaube ist oder sie wirklich technisch besser sind. Jedenfalls ist auch der Kundenservice super, denn wenn mal was kaputt war, kam immer schnell jemand (war glaube ich insgesamt 3x nötig) und hat sie kostengünstig repariert.

  • Merci für die ausführliche Beschreibung des Alltags mit und ohne Waschmaschine in der DDR.
    Ich, Jahrgang 1945, erinnere mich noch an den Übergang und die Befreiung von der Last der Wäsche. Auf dem Land gross geworden, hatten wir eine Waschküche mit großem Bottich, der beheizt wurde, 1x die Woche höchstens, eher weniger. Wenn die Sau geschlachtet wurde, diente dieser Waschkessel zum Kochen der Würste etc.
    Im Winter – wir hingen die Wäsche im Schuppen auf – waren die Betttücher steif gefroren.
    Während des Studiums wusch ich alles per Hand. Und auch als Journalistin in verschiedenen Ländern tat ich dies. Erst in den späten 70ern hatten wir eine Waschmaschine in der WG in München.
    Was ich in CH gut finde (meine Nichten weniger): im Keller ist eine Waschmaschine für alle, und die Leute sprechen sich ab oder tragen sich ein, ausserdem kann da die Wäsche aufgehängt werden. In meiner jetzigen WG, Hausgemeinschaft, guckt man einfach, ob die Maschine gerade frei ist – klappt bestens. Innert 30 Jahren haben wir nun die dritte Maschine.
    Das Laken, das vor einem Jahr bei der Hausgeburt voller Blut etc. war, wusch ich in der Badewanne per Hand – es tat gut, auf diese Weise dem gerade mit erlebten, natürlichen Vorgang nachzuspüren.
    Dabei fällt mir ein, dass ich das Totenhemd meiner Mutter (sie starb 1965) zuerst durchs Wasser zog, damit ich es besser bügeln konnte. Das hatte sie mir noch aufgetragen. Und ich brachte es ihr ans Bett, kurz bevor sie dann zum letzten Mal ausatmete.
    Merci, dass ich Erinnerungen teilen durfte.

  • Dorothee Markert sagt:

    An den Waschtagen in meiner frühen Kindheit ging ich den Erwachsenen lieber aus dem Weg, denn alle waren gestresst und schlecht gelaunt. Das Gute war nur, dass es da immer Grießbrei gab mit Wurstbroten vorher, da keine Zeit zum Kochen war. Die gemeinsame Waschküche für das ganze Haus war im Keller, zwei Stockwerke unterhalb unserer Wohnung. Ich hatte dort nichts zu suchen, denn der Kessel mit der Kochwäsche war für ein kleines Kind gefährlich. Aufgrund ihrer Herzkrankheit war die schwere Arbeit des Wäschewaschens für meine Mutter nicht möglich, deshalb kam immer eine junge Frau aus dem Dorf, in dem wir vorher gewohnt hatten.
    Sehr früh, noch in den 50er-Jahren, bekamen wir eine vollautomatische Waschmaschine, unsere “Constructa”. Wollsachen und Socken wurden aber weiterhin von Hand gewaschen, und da wurde ich schon bald einbezogen. Irgendwann fand ich heraus, dass das Waschen mit mehr Seife leichter ging, war aber nicht sicher, ob ich diese nehmen durfte, so fragte ich vorsichtshalber nicht nach. Die Bettwäsche brachte mein Vater in die Wäscherei.
    Die Constructa lief jahrelang problemlos und überstand sogar zwei Umzüge. Als die eingebaute Schleuder schließlich kaputt war – ich studierte schon längst – , bekam meine Wohngemeinschaft die Maschine geschenkt, zusammen mit einer Schleuder. Wir waren sehr froh darüber und luden gern die nasse Wäsche von der Waschmaschine in die Schleuder um. Vorher hatten wir von Hand gewaschen, oder eine Mitbewohnerin, die als Krankenschwester arbeitete, wusch während ihrer Nachtwachen all unsere Wäsche heimlich in der Klinik. Als ich 1973 in den USA war, begeisterte es mich, dass es in den Kellern von Mehrfamilienhäusern selbstverständlich einen Raum mit Waschmaschinen gab, so dass nicht jede Familie ihre eigene haben musste.

  • Nicole WFS sagt:

    Ich wuchs in den 70er und 80er Jahren auf einem Bauernhof und in einer Kleinstadt im Osten auf und das Thema “Waschen” veränderte sich mit den Jahren. Auf dem Dorf gab es neben einer “WM66” für die beiden Haushalte meiner Eltern und Großeltern in der Waschküche natürlich eine Schleuder und einen Waschkessel (für Weißwäsche? große Stücke?, jedenfalls auch für Pflaumenmus ;-). In diversen Waschschüsseln wurde Handwäsche zwischendurch gewaschen und gespült und dann im Hof auf Leinen getrocknet. In der Mietwohnung in der Stadt stand eine vollautomatische Waschmaschine im Bad, die Wäsche wurde auf einem Gestell über der Badewanne oder auf dem Trockenboden getrocknet.
    Wir Kinder hatten nur wenig Kleidung: eine Jeans, eine Kordhose, ein paar (4/5) T-Shirts, vielleicht 3 Pullover. Alles wurde mehrere Tage getragen, immer wieder geflickt, gebügelt und sorgfältigst zusammengelegt und natürlich wurden wir ständig ermahnt, uns nicht schmutzig zu machen.
    Als meine eigenen Kinder klein waren, fand ich es schön, dass ich diesen Druck des “sich beim Spielen nicht schmutzigmachen” nicht weitergeben musste, 3x Maschiene anschmeißen in der Woche plus auf- und abhängen und zusammenlegen war mir das wert. Jetzt mit Teenagern gibts schon öfter Reibereien ums Waschen, Aufhängen, Abnehmen. Das Zusammenlegen machen wir gemeinsam, aber nur, weil ich die Wäsche auf die Couch kippe vor dem Fernsehen ;-)
    Ich habe 2 spezielle Geschichten mit Waschmaschinenbezug: Im Studentenwohnheim gab es in unserem Waschraum eine kleine Schleuder für die Handwäsche und eine Mitbewohnerin aus dem Westen wusste damit gar nichts anzufangen, ihr war nicht klar, dass nicht immer alle Waschmaschinen eingebaute Schleudern hatten…
    Ich habe einige Zeit in Brasilien gelebt, in Kleinstädten und Dörfern wurde (und wird) die Wäsche vormittags im Fluss gewaschen: Ein Tisch steht im Wasser, darauf eine große Wäscheschüssel, ein Block Seife, Chlorbleiche, Weichspüler und eine Wurzelbürste. Die Frauen stehen hüfttief im Wasser, schrubben und spülen und hindern Einzelstücke am Wegschwimmen, und beaufsichtigen die Kinder, die plantschen, angeln oder Geschirr spülen. Das Waschen selbst, aber besonders der Transport der gewaschenen, nassen Sachen zurück nach Hause, ist körperlich sehr anstrengend und zeitintensiv. Wer körperlich nicht (mehr) fit ist, schafft das nicht. Viele Frauen verdienen Geld dazu, in dem sie für andere Wäsche waschen und bügeln, das konnte dann schon mal soviel kosten, wie der halbe Tageslohn eines ungelernten Arbeiters. Für arme Familien eine deutliche finanzielle Belastung, wenn die Mutter krank oder körperlich eingeschränkt war.
    Bei einem Besuch sah ich, dass meine damalige Schwiegermutter Schulterbeschwerden hatte und nicht mehr selbst waschen konnte, eine Verwandte erledigte das gegen Bezahlung, da die Tochter noch zu jung war, um für die 5-köpfige Familie zu waschen. Das Geld dafür wurde von der Schwiegermutter bezahlt und fehlte im Budget für den Einkauf von Lebensmitteln. Meine Schwiegermutter machte sich viele Sorgen und Vorwürfe wegen der entstehenden Kosten und ich schlug ihr vor, eine einfache Waschmaschine zu kaufen. Ich würde ein Drittel anzahlen, sie könnte dann mit dem Geld, das sonst fürs Wäschewaschen bezahlt werden würde, den Rest in Raten in wenigen Monaten abzahlen. Mann und Söhne fanden das total unnötig, aber da die Budgetverteilung schon vorher klar war, kauften meine Schwiegermutter und ich die Maschine, die mindestens 15 Jahre von ihr ausgiebig genutzt wurde. Es war mir stets peinlich, wenn meine Schwiegermutter sich immer wieder bedankte, weil diese Maschine sie so entlastete. Die dann um einen Auftrag ärmere Wäscherin war jedoch lange Zeit ärgerlich auf mich /o\.

  • Anne Newball Duke sagt:

    Vielen Dank für die schönen Kommentare und eigenen Waschmaschinen-Erzählungen!
    Liebe Adelheid Ohlig, sehr ergreifend, was du schreibst vom Waschen rund um Geburt und Tod, vielen Dank für das Teilen dieser Erinnerungen!
    Nicole, ich kippe die Wäsche, die zusammengelegt werden muss, auch auf die Couch! Und ich lege sie tatsächlich gerne allein, weil sie mir in gewisser Weise den Freifahrtsschein für Trash-TV-gucken oder netflixen gibt; ich habe dann das Sagen über die Fernbedienung(en), und ich brauche ja auch die ganze Couch zum Legen, also… ;)
    Die Geschichte mit deiner Schwiegermutter finde ich auch total schön… sie erzählt so viel über faire und unfaire Bezahlung von Care-Arbeit, über die Körperlichkeit, also… die Abnutzung des Körpers durch harte körperliche Care-Arbeit, und wie unsichtbar selbst dann noch diese Arbeit für die Männer der Familie ist… und auch von der Abhängigkeit vieler Frauen von sehr schlecht bezahlter und körperlich sehr anstrengender Care-Arbeit. Tja, in gewisser Weise… Care-Arbeit im Patriarchat halt…

    Liebe Jutta, ich mag die Fragestellungen nach den Beziehungen zu den Haushaltsgeräten, und auch die Frage, wie jede Frau bereit ist, dieses oder jenes als Gemeinschaftsgut zu teilen.

  • Anne-Käthi Zweidler sagt:

    Liebe Denkerinnen und Schreiberinnen. Es ist doch sehr interessant, wie wir mit Hilfe der Elektro-Haushaltgeräte in unserem Leben zu neuen Gedanken kommen. Danke Anne!

    Meine Erinnerungen zeigen auf, dass das Wäsche waschen erst so ab den 1960er Jahren die Aufgabe einer Familienfrau allein war. Voher hatte auch eine Arbeiterfrau wie meine Grossmutter am Waschtag eine Hilfe – alleine hätte sie es gar nicht geschafft! In ihrem Fall war es ihre Schwester, eine Profi-Wäscherin. Diese Gross-Tante brachte ihre Kinder durch, indem sie in einer Metzgerei die blutigen Metzgerkleider etc. regelrecht auskochen musste. Diese Arbeit war so schwer, dass sie auch verhältnismässig gut bezahlt wurde, und dass sie auf die Hilfe von Metzgerburschen zurückgreifen konnte. Zudem wurde sie samt ihrer Familie und Verwandtschaft ständig gut mit Wurstaufschnitt-Resten etc. versorgt.
    Für alleinstehende Menschen gab es fast überall mehr oder weniger preisgünstige Wäschereibetriebe, die diese Arbeit erledigten. Oder die Zimmervermieterin übernahm die Arbeit gegen ein Entgelt. Kurz: wäsche waschen, trocknen und bügeln musste erst in den letzten Jahrzehnten – eben mit Hilfe von Waschmaschinen – in den heutigen Klein- und Kleinshaushaltungen erledigt werden. Vorher war es in der Regel anerkannte und geschätzte Team-Arbeit, meist unter dem Kommando der Hausfrau oder einer bezahlten Wäscherin . Könnte es sein, dass die Haus/frauen/Arbeit erst mit Hilfe der Haushaltmaschinen zu der einsamen, geringgeschätzten und daher frustrierenden Tätigkeit wurde?

  • Dorothee Markert sagt:

    @Anne-Käthi Zweidler: “Könnte es sein, dass die Haus/frauen/Arbeit erst mit Hilfe der Haushaltmaschinen zu der einsamen, geringgeschätzten und daher frustrierenden Tätigkeit wurde?” Darüber hab ich unter anderem hier schon mal was geschrieben: https://www.bzw-weiterdenken.de/2016/06/noch-unsichtbarer-und-unbeliebter-care-arbeit-an-dingen/
    @Anne: Die vielen Maschinen Wäsche, die deine Generation von Müttern, aber auch Menschen ohne Kinder heutzutage pro Woche waschen, finde ich in mehrfacher Hinsicht keine gute Entwicklung. Zum einen aus Zeitgründen, wie du ja auch schreibst. Aber auch wegen der Verschwendung von Wasser und Strom, vor allem, wenn die Wäsche auch noch im Trockner getrocknet wird. Natürlich war es nicht toll, dass Flecken für mich als Kind eine Katastrophe waren, aber dass Kindern heute in der Hinsicht überhaupt keine Achtsamkeit mehr beigebracht wird, weil alles sofort in die Schmutzwäsche geworfen wird, die sich dann wie durch ein Wunder in saubere Wäsche verwandelt, gefällt mir überhaupt nicht. Außerdem wird oft viel zu viel Waschmittel genommen, das sich dann bei dem vielen Waschen in der Kleidung anreichert und einen Geruch ausströmt wie früher die Wäschereien. Ich wundere mich immer, wie Menschen es aushalten, mit solchen Gerüchen durch die Gegend zu laufen, da ist mir normaler Körpergeruch deutlich lieber.

  • Jutta Pivecka sagt:

    Liebe Anne-Käthli Zweidler, ich finde es auch sehr spannend, wie unterschiedlich die Erinnerungen und Wahrnehmungen verarbeitet werden, die mit dem Einzug der Elektrogeräte in den Haushalt verbunden sind.
    Ich bin da sehr zwiegespalten: Einerseits wurde die Hausarbeit tatsächlich durch diese Geräte in gewisser Weise “entwertet” und entprofessionalisiert (darüber hatten wir es schon mal im Kommentarstrang zum Herd), anderseits möchte ich sie doch nicht missen. Und zwar nicht nur, weil sie so viel Zeit und Kraft sparen (denn Wäsche waschen war ja nicht nur zeitaufwändig, sondern auch körperlich sehr anstrengend), sondern auch weil sie ermöglichen, was Dorothee bei dir zitiert: “Einsamkeit”. Ich würde vielleicht eher sagen: Alleinsein. Ein Bedürfnis, das bei mir sehr stark ist. Ich habe in meiner Kindheit immer gehofft, dass ich einmal mehr Zeit zum Alleinsein haben würde, dass ich nicht – wie meine Großmutter oder teilweise noch meine Mutter – soviel Zeit in “Arbeitszwangsgemeinschaften” mit anderen, meist verwandten Frauen verbringen müsste. Diesen “Zwangsgemeinschaften” konnte man sich ja nicht entziehen, weil sich nur gemeinsam die ganzen Arbeiten erledigen ließen.
    Ich bin so gerne allein – und ich stelle fest, dass nur die Technik-Helferlein mir das ermöglichen. Ansonsten müsste ich viel mehr Zeit notwendig mit anderen Menschen verbringen. Die Kommentare haben mir dabei geholfen, diesen Aspekt viel besser zu verstehen, der sicher mit dafür verantwortlich ist, dass ich diese Geräte so “feiere”. Ohne sie müsste ich mit anderen in großen Gruppen kochen, waschen, einmachen….- und schon als ich ganz klein war, hat mich wenig mehr entnervt und unglücklich gemacht als dieser von mir so stark empfundene Zwang zur Geselligkeit. Ich begreife nun aber auch besser, dass für viele andere mit dieser Entwicklung offenbar ein Verlust verbunden ist und sie sich nach mehr Zusammensein und Gemeinschaft sehnen.

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