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Rubrik erinnern, erzählen

Der Mixer

Von Dorothee Markert

Fünfter Beitrag aus der Serie: “Küchengeschichte(n) – wie Haushaltsgeräte die Care-Arbeit veränderten und verändern“

Während Herd, Kühlschrank und Waschmaschine die Alltagsarbeit von Frauen spürbar und in großem Maß erleichterten, beginnt mit der Erfindung von Mixern und in der Folge einer Vielzahl weiterer immer differenzierterer Küchenmaschinen, die dann wiederum zu immer intelligenteren und vielseitigeren Groß-Geräten wie beispielsweise dem heutigen Thermomix zusammengeführt wurden, eine neue Phase der Ausstattung von Haushalten mit Konsumgütern. Diese halfen nicht mehr dabei, das dringend Notwendige mit weniger Mühe zu tun, sondern eröffneten neue Möglichkeiten, abwechslungsreicher und gesünder zu kochen, z.B. mit raffinierteren Soßen und Nachtischen, sowie das Backen von Kuchen und Gebäck zu erleichtern. Man könnte also sagen, die weitere Ausdifferenzierung von Küchengeräten erfüllte zunehmend Luxusbedürfnisse und gleichzeitig die Bedürfnisse der Industrie, immer mehr Haushalte mit immer mehr zusätzlichen Geräten auszustatten. Parallel dazu veränderte sich aber auch die Nahrungsmittelindustrie und stellte durch die Produktion von vorbereiteten Zutaten wie gemahlenen Mandeln und Fertiggerichten wie durchpassierte Babynahrung die Notwendigkeit mancher dieser Geräte bald noch mehr in Frage. 

Irgendwie bedaure ich es immer noch, dass ich unseren alten Mixer aus dem Jahr 1959 nicht zu mir nahm, als in den 1980er-Jahren der Haushalt meiner Eltern aufgelöst wurde, obwohl der Mixer damals immer noch ausgezeichnet funktionierte. Ich wusste damals einfach nicht, wofür ich ihn brauchen könnte. Nur das Kochbuch habe ich behalten. In der Zeit benutzte ich allenfalls noch einen Handmixer beim seltenen Kuchenbacken. Einem Standmixer begegnete ich erst wieder vor kurzem in einer Ferienwohnung und war enttäuscht, weil man außer Milchmixgetränken, Cocktails und Smoothies nichts damit machen konnte, da sich – wohl aus Sicherheitsgründen – der Deckel bei laufendem Motor nicht abnehmen ließ.

Die Anschaffung unseres Mixers, wahrscheinlich infolge eines Vertreterbesuchs, war für mich als Kind und wohl für unsere ganze Familie ein sehr erfreulicher Schritt. Obwohl das Gerät einen Höllenlärm machte und wegen des abnehmbaren Deckels nicht ungefährlich war, wurden wir Kinder von Anfang an in seine Bedienung mit einbezogen. Unser „Piccolo“, wie wir den Mixer liebevoll nannten, bescherte uns feine Nachtische wie die Bananenquarkcreme, erleichterte das Backen, weil Haselnüsse und Mandeln damit schnell und ohne Mühe zerkleinert werden konnten, erweiterte unseren Speiseplan, weil der Teig für Kartoffelpuffer damit fast ohne Aufwand gemixt werden konnte und weil sogar Mayonnaise und Eis selbst gemacht werden konnten. Vor allem im Winter gab es bei uns von nun an zum Gesundbleiben täglich statt einem Löffel Lebertran Rohkostvorspeisen und Rohkostsalate. Besonders lecker fand ich unsere „Anti-Grippe-Vorspeise“ aus rohen Roten Beeten, Äpfeln und Honig, die ich bald auch selbst machen konnte. Im Piccolo-Kochbuch wurde nach der Gebrauchsanweisung gleich über die richtige Ernährung informiert, über Vitamine und worin sie enthalten sind.

Von meiner Oma, die mit Leib und Seele Hausfrau war, bekam ich dann zu Weihnachten einen kleinen Spielzeugmixer mit zugehörigem „Kochbuch für die Puppenküche“, der mit einer Handkurbel betrieben werden konnte. Während mein elektrischer Puppenherd etwa zwei Jahre davor noch von der ganzen Familie mit einem Apfelpfannkuchen-Backfest gefeiert worden war, löste der kleine Mixer nur bei mir Begeisterung aus. Diese wurde dann schnell gestoppt, als meine Mutter sich weigerte, mir die Zutaten fürs Ausprobieren der mitgelieferten Rezepte zur Verfügung zu stellen. Bis vor kurzem führte ich meine fehlende Lust am Kochen und insbesondere am Ausprobieren neuer Rezepte auf ihr damaliges Verbot zurück, mir ein Ei für meinen Mini-Kuchenteig zu nehmen. Heute denke ich, dass meine Mutter solche Geschenke meiner Oma einfach blöd fand, da ich mich ja längst am Kochen mit den Geräten für Erwachsene beteiligen und inzwischen schon den großen Mixer und sogar den Dampfkochtopf bedienen und sie damit entlasten konnte. Dass ich bis heute den Pfannkuchenteig lieber mit dem Kochlöffel anrühre und Zutaten mit Messer oder Handreibe zerkleinere als mit Elektrogeräten, hat sicher auch damit zu tun, dass ich schon als Kind dafür zuständig war, den Mixer nach Gebrauch auseinanderzunehmen und die Einzelteile zu spülen und abzutrocknen, was eine eher unangenehme und aufwendige Tätigkeit war, die bis heute meine Begeisterung für die kleinen elektrischen Küchenhelfer in Grenzen hält.

Zusammen mit dem Mixer wurde wohl auch die eigentlich tolle Idee geboren, mit einem einzigen Haushaltsmotor und entsprechendem Zubehör ganz unterschiedliche Haushaltstätigkeiten erleichtern zu können. Obwohl wir nur zwei der Zusatzgeräte wirklich nutzten, fühlten wir uns sehr reich beschenkt, denn im Paket wurde zusammen mit unserem Mixer eine Vielzahl weiterer Geräte geliefert, die mit dem „Haushaltsmotor“ zusammengebaut werden konnten: ein Rühr- und Knetwerk, ein Fleischwolf, ein Spritzgerät, eine Bohnermaschine, ein Schmirgel- und Poliergerät, ein „Universal-Reinigungsgerät“ genannter Staubsauger und ein „Warmluftdusche“ genannter Fön. Einen Staubsauger hatten wir damals schon, aber der Fön war neu. Bis dahin hatten wir die Haare immer mit einem Handtuch trocken gerubbelt. Ich war so stolz auf unseren Fön, dass ich extra ohne Regenschutz von der Schule nach Hause lief. Als ich unterwegs auf meine nassen Haare angesprochen wurde, antwortete ich: „Das macht nichts, wir haben jetzt nämlich einen Fön!“

Bisher erschienen in der Reihe:

  1. Der Herd
  2. Die elektrische Getreidemühle
  3. Der Kühlschrank
  4. Die Waschmaschine

Kommentare zu diesem Beitrag

  • Anne Lehnert sagt:

    Den Mixer fand ich lange ein zu vernachlässigendes Haushaltsgerät, bis ich begann, öfter mal vegan und vollwertig zu kochen und zu backen. Da kann der Mixer kaum leistungsfähig genug sein, damit die Nüsse und Kerne schön fein zerkleinert werden können. Nachdem ich zwei billige Mixer damit verschlissen habe, bin ich zu einem etwas teureren Stabmixer-Set übergegangen. Einige der Rezepte habe ich auch nach unserer intensiven veganen Phase beibehalten. Die Hochleistungsmixer, die es für Smoothies angeblich braucht, wie auch die Thermomixe habe ich bisher allerdings links liegen lassen. Letztere scheinen mir nur für kleinere Haushalte praktisch zu sein.
    Was ich öfter überlegt habe, gerade für die von dir, Dorothee, erwähnten Rohkostsalate oder auch für das Kneten von Brotteig, ist eine Küchenmaschine mit allerlei Aufsätzen und Zubehör. Das scheiterte bisher am Platz, den so ein Maschinenpark bräuchte.

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