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Rubrik denken, erinnern, erzählen

Das Bügeleisen, der Inbegriff spießiger Attitüden?

Von Heike Brunner

Siebter Beitrag aus der Serie: “Küchengeschichte(n) – wie Haushaltsgeräte die Care-Arbeit veränderten und verändern“

Ein kleines schwarzes einfaches Bügeleisen begleitete mich fast 40 Jahre. Ich hatte es zum Auszug von meiner Oma geschenkt bekommen. Also von der Oma, die auch immer bei uns zu Hause alles bügelte, wenn sie mal zu Besuch war und auch ansonsten ein ziemlicher Putzteufel war, aber auch sehr leckere “Arme Ritter” kochen konnte und Kartoffelsuppe am liebsten mit Pflaumenkuchen zusammen aß. Als ich Anfang 80ern auszog, schenkte sie mir eben jenes aus schwarzem Bakelit, immerhin schon mit einer roten Leuchte versehene Gerät und den Ständer, das Bügelbrett, gleich dazu. Ich war etwas irritiert über das Geschenk, da meine Mode damals keine Bügeleisenkünste erforderte. Im Gegenteil, je knitteriger desto so besser. Aber, und dafür habe ich dieses Bügeleisen wirklich geliebt, hat es mir bei meinen frühen Nähkünsten sehr viele praktische Dienste erwiesen. Tatsächlich hatte ich mir, kaum ausgezogen, eine Nähmaschine organisiert, suchte Stoffe auf Flohmärkten und im Kaufhaus und los ging der Spaß. Damit die Fledermausärmel gut aufeinander trafen war so ein Bügeleisen prima, stellte ich schnell fest und auch die platt gebügelten Umsäumungen gingen dann viel einfacher zu nähen. Später hantierte ich mit Airbrush und Stoffmalfarben, auch hier war Omas Bügeleisen zur Fixierung der Farben mit entsprechender Hitze wieder voll im Einsatz. Im besetzen Haus in Berlin Mitte der 90er wurde es dadurch zum begehrten Objekt. Es gab zwar viele Schweißgeräte und Bohrmaschinen, aber im ganzen Haus kein zweites Bügeleisen. Mit dem ersten Kind bekam das Bügeleisen eine neue Dimension. Die tollen italienischen Baumwollstoffwindeln waren nach dem Waschen und Trocknen so bretthart, dass sie gebügelt werden mussten, damit das ekzemgefährdete Kind nicht litt. (Weichspüler vertrug es nämlich auch nicht.) Dieser lästige tägliche Einsatz, die Windeln zu bügeln, hielt allerdings nur drei Monate an. Nach einer Reise mit dafür gekauften Wegwerfwindeln wollte ich nicht wieder zurück ans Bügelbrett. Mit einem Faible für bestickte Trachtenblusen und wallenden Kleidern aus dem Kostümfundus ging plötzlich das klassische Bügeln bei mir los. Das Bügeln machte mir als freiwillige Arbeit Spaß. (Ich hasste es z.B. Spülmaschinen auszuräumen  – mein Job). Das Entlangfahren mit den heißen metallenen Kanten an Hemdkragen oder das Glätten schöner Stoffe hat einen gewissen Reiz, der mir nicht durch eine Alltagspflicht vergrault wurde. Das Bild in Wilhelm Buschs “Max und Moritz” mit Schneidermeister Böck und dem Bügeleisen auf dem Bauch, hatte im Übrigen immer große Faszination auf mich ausgeübt, so wie die anderen Grausamkeiten in dem Buch auch. 

Quelle: https://www.projekt-gutenberg.org/wbusch/maxmor1/chap003.html

Mein kleines einfaches Bügeleisen ist dann leider eine Art “Pandemie Opfer” geworden. Ich hatte mir gleich zu Beginn des ersten Lockdowns, wie übrigens wohl sehr viele Menschen, eine Nähmaschine bestellt (und bekommen) und dann ging es los: MASKENPRODUKTION. Da brauchte ich es wieder, das Bügeleisen von Oma Käthe. Beim Bügeln der Falten fragte ich mich schon, was diese wohl zur Pandemie gesagt hätte? Ziemlich am Anfang der kleinen privaten Produktion – das Nähen und Bügeln lenkte mich so wunderbar vom ständigen Nachdenken ab – passierte es: Ich hatte mich im Kabel verheddert und mein Bügeleisen flog im hohen Bogen von seinem Stammplatz, dem Bügelbrett, auf den Boden. Bei der schwungvollen Landung zerbrach der schwarze Griff. Ich und das Eisen waren schwer getroffen. Ich probierte tatsächlich noch aus, ob es nicht noch einmal zu retten wäre, aber jeglicher Kleber hielt ja durch die Erhitzung nicht. Ich tat mir wirklich etwas schwer damit, ein neues zu besorgen. Immerhin kann das jetzt dampfen und pfeifen. Nun brauche ich also den Blumensprüher nicht mehr zu suchen, wenn ich dann mal was bügeln möchte, was dazu befeuchtet werden muss. 

Hemden habe ich inzwischen gelernt, werden gar nicht mehr gebügelt. Die werden heutzutage mit einem Luftgebläse getrocknet und glatt gemacht. Das sieht dann aus, wie ein kleines Michelin-Männchen, das sich da in irgendwelchen Waschküchen aufplustert und hin und her zappelt im Windstrom. Ob das natürlich noch den Stoff versiegelnden Effekt hat, ist zu bezweifeln, aber um Haltbarmachung geht es heute im Bekleidungssegment längst nicht mehr. Die glättende Hitzebehandlung der Stoffe, insbesondere bei Leinen und Baumwolle, macht diese auch stabiler und haltbarer, abgesehen vom Entknitterungseffekt und der Bügelfalten-Etikette.

Das Glätten der Stoffe mittels Hitze wurde übrigens in China schon in der HAN-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) angewandt, um schöne Seidenstoffe zu bearbeiten. Bügeleisen in der heutigen Schiffchenform gibt es etwa seit dem 15. Jahrhundert in Europa. Es handelte sich um Metallplatten mit hölzernen Griffen, die erhitzt wurden. Die Einführung der Küchenhexen als Kochgelegenheit, ermöglichte zudem ein problemloses Bügelvergnügen Sommers wie Winters. In ihnen brannte auch im Sommer immer ein Feuer und so musste nicht etwa ein Ofen extra entzündet werden. Als im 17. Jahrhundert zunehmend Baumwollkleidung durch die Industrialisierung produziert und getragen wurde, gewann auch das Bügeleisen zur Glättung an Bedeutung. Erst im 19. Jahrhundert wurden die mit Kohle befüllbaren Plätteisen entwickelt (Variante Wilhelm Busch). Diese verursachten, neben der starken kohlenmonoxidhaltigen Rauchbelastung, häufig Brandflecken in den Kleidern.

Mit Entdeckung der Elektrizität wurde dann das Elektrobügeleisen erfunden. Als Erfinder gilt der US-Amerikaner Henry Seely. 1889 wurde das erste Bügeleisen mit integrierter Heizspirale der Weltöffentlichkeit präsentiert, eine weiter Entwicklung von Charles Carpenter. Anfänglich waren elektrische Bügeleisen Luxusgüter und zehn mal so teuer wie die befüllbaren Plätteisen. Sie verkauften sich daher nur zögerlich zumal auch die Elektrifizierung der Wohnräume erst in den Kinderschuhen stand. Elektrische Bügeleisen erlebten ihren Verkaufsdurchbruch tatsächlich als Reisebügeleisen in den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts. Damals gab es in den Hotels Steckdosen und statt einer Handy- oder Laptop-Ladestation wurden dann dort Bügeleisen angeschlossen, um fein für Geschäft und Gesellschaft auftreten zu können. 

Das Dampfbügeleisen wurde 1926 erfunden und mit ihm das Thermostat. Erst durch die Entwicklung des Thermostats waren die Kleider vor dem Verbrennen (relativ) sicher. Die Einheiten in Form von Punkten sind folgenden Cradzahlen zugeordnet: ein Punkt steht für 110°C, zwei für 150°C und drei für 220°C. In den 60er Jahren war zumindest in Deutschland flächendeckend das elektrische Bügeleisen eingeführt. Die billigen Strompreise und das ausgebaute Netz machten es möglich und die Eisen selber wurden auch kostengünstiger angeboten. In Ländern mit fehlenden Stromnetz sind auch heute noch die alten Varianten zu finden. Mein Dampfbügeleisen hielt somit erst fast 100 Jahre nach seiner Erfindung bei mir Einzug.

Bisher erschienen in der Reihe:

  1. Der Herd
  2. Die elektrische Getreidemühle
  3. Der Kühlschrank
  4. Die Waschmaschine
  5. Der Mixer
  6. Die Geschirrspülmaschine

Kommentare zu diesem Beitrag

  • Bari sagt:

    Vielen Dank für den Artikel.
    Ohne Bügeleisen geht bei mir gar nichts. Mit Neurodermitis sind Falten auf der Kleidung extrem unangenehm, seit ich alles bügele gehts besser. Bügeln war bei mir aber immer eine unangenehme Pflicht, bis ich den Ausspruch von Regine Hildebrandt (verstorbene SPD- Politikerin aus dem Osten) einmal sagen hörte: Ich bügele gern, nach einem schlechten Tag habe ich dann wenigstens etwas glatt gekriegt.
    Das hat mich überzeugt und mit dieser Einstellung bügelt es sich gut.
    liebe Grüße
    Bari

  • Heike sagt:

    Hallo Bari,
    Frau Hildebrandt ist wirklich eine coole Frau gewesen, super Spruch! Das mit der Neurodermitis und dem Bügeln war auch beim Windeln bügeln Thema… Danke für deinen Kommentar, LG Heike

  • Juliane Brumberg sagt:

    Danke Für Deine persönliche Bügeleisen-Geschichte, liebe Heike, und für den historischen Exkurs, den ich sehr interessant finde. Zwei Dinge sind mir dazu wieder eingefallen. Das eine ist das Wort “versengt”, das ich schon ewig nicht mehr gehört habe. Du schreibst von Brandflecken in den Kleidern, bei uns zu Hause war es die Sorge, dass die weißen Oberhemden meines Vaters beim Bügeln “versengt” werden könnten, übrigens auch noch mit einem elektrischen Bügeleisen, dessen Einstellungen noch nicht so gut regulierbar waren. Das zweite ist, dass eine Freundin von mir, die in sparsamen Verhältnissen aufgewachsen ist, erzählte, dass sie in ihrer Jugend in den 1950er Jahren ganz viel im Haushalt helfen musste. Bloß bügeln durfte sie nicht, weil ihre Mutter befürchtete, dass die Tochter dabei, unerfahren wie sie war, für das Bügeleisen unnötig viel von dem teuren Strom verbrauchen würde.

  • Maria Coors sagt:

    Liebe Heike, danke für deine Bügelgeschichten. Mir ist gerade eingefallen warum das Bügeln von meiner Lieblingshausarbeit in der Kindheit zur ungeliebten absoluten Seltenheit verkommen ist. Meine Mutter hat uns Kindern erlaubt mehr als die sehr limitierte Zeit fern zu sehen, wenn wir dabei gebügelt haben. (Handtücher hauptsächlich :)). Mit ungefähr 11 hat meine Oma mir einen halben Tag versucht beizubringen Hemden zu bügeln. Vielleicht fand ich das schon reichlich bescheuert, jedenfalls habe ich heute ungebügelte Handtücher und einen eigenen Fernseher. Und ein tolles Stoffwindelsystem ohne Bügeln…

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