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GIER- eine Rezension

Von Heike Brunner

Coverbild- Hirzel Verlag GIER
Coverbild copyright Hirzel Verlag

WENN GENUG NICHT GENUG IST

Die Journalistin und Autorin Barbara Streidel verhandelt in ihrem neuen Essay die menschliche Todsünde: „GIER“.

In einem rasanten Tempo wird die Leser*in durchs Thema geführt und nicht selten direkt konfrontiert. In sieben knackigen Kapiteln arbeitet sich die Autorin dynamisch durch die aktuelle Gesellschaftsstruktur, geprägt vom Slogan „Geiz ist geil“, den Börsen- und anderen geldgierigen Geschäften, via Antike, hin zur Gier-Psychologie und wichtigen Überlegungen zur Transformation. Viele interessante Recherchen, Zitate, übrigens auch aus dem ABC des guten Lebens, fädelt sie gekonnt zusammen.

Unbenommen, die Gier der Menschheit und die persönliche Gier ist ein zentrales Thema im sozialen Miteinander. Schon allein der Verweis auf das, was wir den Kindern an (gierig) angesammelter Materie auf der privaten Ebene überlassen (werden) – Thema Erbe/Haushaltsauflösungen der reich gefüllten Wohnungen und Häuser ist – bedrückend. Regelrecht aufatmen lassen eine dabei die praktischen Tipps, wie mit solchen Situationen umgegangen werden könnte. Im lösungsorientierten Teil kann der Blick in den eigenen Spiegel schon mal unangenehm werden, aber genau dies verleiht dem Buch spannende Relevanz. Alles in allem wird mit dem Essay klar, dass Gier ein Thema ist, welches uns auf der persönlichen, (welt-) politischen und klimatischen Ebene durchdringt und an dem viel Leid hängt: Gier macht letztlich nicht glücklich, um die Kehrseite zu benennen, die im Buch immer wieder ernüchternd durchschimmert und mit etlichen Zahlen untermauert wird.

Barbara Streidls Essay regt zum Nachdenken und zum sich darüber Unterhalten an. Einen kleinen Kritikpunkt hätte ich dann doch – sorry Spoiler, – es hätte nicht geschadet, bei einem Beispiel im Text gleich zu schreiben, dass es sich um die eigenen Kinder handelt, denn freilich ist doch nichts schwerer, als neutral über die eigenen Lieben zu berichten. Also mehr Mut, den Deckel gleich zu lüften.

Insgesamt empfehle ich, den Essay, nicht gierig durchzulesen, sondern Kapitel für Kapitel langsam aufzunehmen, um nicht in die nächste Gier, die Wissensgier, zu fallen. Weniger (am Tag) kann mehr sein.

Barbara Streidel: GIER. WENN GENUG NICHT GENUG IST. Hirzel 2022 1, Seiten 112, 5 farb. Abb.,

13,0 x 19,0 cm, 15.-€, ISBN 978-3-7776-2966-7

Autorin: Heike Brunner
Eingestellt am: 07.05.2022
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Ulrich Wilke sagt:

    (” zum Sich-darüber-Unterhalten” ist falsch geschrieben. “Rasant” bedeutet “flach ansteigend”
    und nicht “rasend”. “Spoiler” heißt “Verderber”; ist das gemeint? Das hätte Heike Brunner
    besser auf Deutsch formuliert.)
    Gier gehört zum Wesen des Kapitalismus; nicht alle Menschen sind gierig.
    Zur selben Kategorie gehören Machtgier und unmenschlicher Ehrgeiz. Das sind Beweggründe
    der meisten Politiker. Verdirbt Politik den Charakter?

  • Dr. Gisela Forster sagt:

    Gier ist eine Wurzelsünde. Und zwar eine ganz dramatische, schreckliche, üble, Unglück bringende, Verbindung zerstörende, Kommunikation vernichtende, Seelen verletzende Wurzelsünde, die leider in vielen Menschen schlummert und immer wieder zum Ausbruch kommt. Sie ist Ursache für Kriege, Hassgedanken, Verletzungen, für Raub und für die Zerstörung von Freundschaften.

    Von daher ist es gut, wenn viel und immer wieder über die Gier im Menschen geschrieben wird.

    – egal ob mit oder ohne Rechtsschreibfehler –

  • Gier ist nach Bernhard Lietaer, ehemaliger belgischer Zentralbanker und Mitentwickler des Euro’s, eine Folge des verdrängten Archetypen der Großen Mutter. Er beschreibt in seinen Büchern das Yin und Yang des Geldes. Er bezieht sich auch auf Arbeiten von C.G. Jung, wo dieser ausführt, dass sich ein Archetyp nicht in Luft auflöst, wenn er im Schatten liegt, wir ihn unterdrücken, bekämpfen, schwächen, sondern dieser sich in sein Gegenteil verwandelt, bis zu einem zerstörerischen Schatten, der uns bedrängt. Im Schatten dieses Archetypen “Große Mutter”, kultivieren wir Gier, Neid, Scham, Kontrolle, Mangel und Angst. Ken Wilber bezeichnet dies als “Mythische Dissoziation” vom weiblichen Prinzip in Gestalt der Göttin. Welche aber Grundvoraussetzung ist, für die Ausbildung eines kompletten göttlichen Prinzips von Fülle.

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