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Die Mikrowelle

Von Dorothee Markert

Dreizehnter Beitrag aus der Serie „Küchengeschichte(n) – wie Haushaltsgeräte die Care-Arbeit veränderten und verändern“

Obwohl die Mikrowelle nach Kühlschrank und Wasserkocher das von mir am häufigsten genutzte Haushaltsgerät ist, hätte ich mich gern davor gedrückt, darüber zu schreiben. Denn es ist mir nicht so recht, dass ich ein Gerät so oft benutze, dessen Funktionsweise ich nicht wirklich verstehe. Und obwohl mir Wikipedia gerade glaubwürdig versichert hat, dass von der Mikrowelle bei richtiger Anwendung auch nicht mehr Gesundheitsgefahren ausgehen als von einem normalen Herd, ist sie mir trotzdem nicht ganz geheuer. Bisher habe ich es vermieden, mich genauer darüber zu informieren, vermutlich, weil ich mögliche Gesundheitsgefahren lieber ausblenden wollte, als auf das Gerät zu verzichten. Auch die Energiebilanz scheint gar nicht so schlecht zu sein, wenn nur eine kleine Menge erwärmt wird. Wenn der Energiebedarf für das zusätzliche Reinigen von Pfannen oder Töpfen nach dem Erhitzen auf dem Herd (einschließlich Anbrennen) in die Berechnung einbezogen wird, ist die Mikrowelle auf jeden Fall sparsamer.

Da die Mikrowelle aber ein so schlechtes Image hat – sie wird zu Recht mit kulinarischem Banausentum und fehlender Esskultur in Verbindung gebracht – , ist es mir peinlich, wie dankbar ich für dieses Gerät bin.

Wie wohl die meisten Menschen meiner Generation bin ich noch mit der Selbstverständlichkeit aufgewachsen, dass zu einem akzeptablen Paar- oder Familienleben regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten gehören. Und dass die Mutter oder die Ehefrau die Zeit für die Zubereitung zur Verfügung stellt und das Essen immer pünktlich auf den Tisch bringt. Doch das klappte schon damals nicht in allen Familien, berufstätige Frauen konnten dies oft nur teilweise leisten. In meiner Familie fiel meine Mutter öfter krankheitshalber aus, so musste ich, wenn ich um halb zwei völlig ausgehungert aus der Schule kam, nach den Anweisungen meiner Mutter, die im Bett lag, schnell noch ein Essen kochen. Selbständig kochen habe ich dabei nicht gelernt. Und als ich mich dann einige Jahre später trotz pubertärer Trägheit dafür zuständig fühlte, in unserer Familie für warme Mahlzeiten zu sorgen, war ich völlig überfordert. Bis heute koche ich nicht gern.

Da ich aber das Bedürfnis habe, einmal am Tag etwas Warmes zu essen, nutze ich seit damals alle Möglichkeiten, ein warmes Essen zu bekommen, ohne es selbst kochen zu müssen. So aß ich auch als Berufstätige noch lange in der Mensa, gehe gern essen, obwohl mir das nicht immer gut bekommt, und genieße die Vollversorgung bei Tagungen, trotz der damit verbundenen Gewichtszunahme. 

Etwa vor 25 Jahren bekamen wir von meinen Schwiegereltern deren ausrangierte Mikrowelle geschenkt, ein riesiger Kasten, der in der Küche die sowieso knappe Arbeitsfläche noch mehr reduzierte. Ich war also gar nicht begeistert über das Geschenk und weigerte mich eine Zeit lang, mich überhaupt damit zu befassen. Schließlich konnte Essen ja auch im Topf oder in der Pfanne auf dem Herd erwärmt werden, auch wenn es dabei fast immer anbrannte und langwieriges Topfschrubben erforderlich machte. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass die Mikrowelle eine große Hilfe sein würde, um mein Problem mit dem ungeliebten Alltagskochen zwar nicht ganz zu lösen, aber doch zu erleichtern. Wir kochen nun alle zwei bis drei Tage große Mengen, so dass für die andere Zeit genug da ist, um es in der Mikrowelle aufwärmen zu können. Und mir geht es damit gut. 

Inzwischen hat die Mikrowelle uns auch noch eine weitere Freiheit gebracht: Mehr und mehr konnten wir uns von dem Zwang zu regelmäßigen gemeinsamen Mahlzeiten lösen. Unter der Woche isst jede meistens dann, wenn sie Hunger hat und in ihrer Tätigkeit gerade eine Pause machen kann. Auch das wäre ohne Mikrowelle schwieriger und aufwendiger. So ersparen wir uns den Stress, das Essen für das enge gemeinsame Zeitfenster rechtzeitig fertig zu haben, das dafür zur Verfügung steht. Und wir müssen uns nicht mehr ärgern, wenn ein Anruf oder sonst etwas Wichtiges dazwischen kommt und das gemeinsame Essen dann doch nicht stattfinden kann.

Der Abschied von gemeinsamen Mahlzeiten zu festgelegten Zeiten hat einen weiteren positiven Nebeneffekt: Da ich jetzt fast nur noch esse, wenn ich wirklich Hunger habe, und mich dabei ganz nach den Bedürfnissen meines Körpers richten kann, habe ich keine Probleme mehr, mein Gewicht zu halten. Auch wenn es mir noch so gut schmeckt, mache ich mir zudem nie eine zweite Portion in der Mikrowelle warm, während ich mir sonst bestimmt einen Nachschlag genommen hätte. 

Bisher sind in dieser Serie erschienen:
Der Herd
Der Kühlschrank
Das Bügeleisen
Die Waschmaschine
Der Mixer
Die Getreidemühle
Die Geschirrspülmaschine
Das Handrührgerät
Die Kaffeemaschine
Der Thermomix
Der Wasserkocher

Der Staubsauger

Autorin: Dorothee Markert
Redakteurin: Dorothee Markert
Eingestellt am: 01.02.2023
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Kommentare zu diesem Beitrag

  • Anne Lehnert sagt:

    Vielen Dank für deinen Bericht. Die Mikrowelle scheint die Lösung auch für unsere Mahlzeiten, wenn Kinder und Eltern zu unterschiedlichen Zeiten heimkommen. Seltsam, dieser Widerwille gegenüber der Mikrowelle, den ich auch habe, ohne genau sagen zu können wieso. Ein Misstrauen dieser Technik gegenüber, wie du schreibst, vielleicht, das Platzproblem, auch dass das Essen nicht ganz gleichmäßig warm wird.
    Und das Ideal der gemeinsamen Familienmahlzeit natürlich. Lange aßen alle Kinder in ihren verschiedenen Betreuungen und Mensen, wir Eltern bei der Arbeit, oder zu Hause allein. Dann kam Corona, und wir gewöhnten uns an gemeinsame Mahlzeiten. Ich hatte Zeit und Muße zum Kochen und genoss das auch, mit ausreichender Planung richtige Mahlzeiten zuzubereiten. Und es gab die Devise, dass niemand meckern durfte. Inzwischen, mit weniger Zeit und Muße – und mehr Gemecker oder einfach unterschiedlichen Vorlieben – macht es nicht mehr so viel Freude, sondern ich empfinde das Kochen als lästige Pflicht… Manchmal übernehmen Kinder oder Mann sie, meistens ich. In die Mensen ist niemand zurückgekehrt.
    Zumindest das Problem, dass das Essen dann kalt wird und aufgewärmt werden muss, könnte die Mikrowelle lösen.

  • Kathleen Oehlke sagt:

    Vielen Dank für diese Einblicke, liebe Dorothee. Ich selbst besitze zwar keine Mikrowelle, bin aber sehr froh darüber, dass bei mir “im G’schäft” welche in den Pausenräumen zur Verfügung stehen.

  • Johanna Helen Schier sagt:

    Liebe Dorothee, also eine Mikrowelle steht bei mir im Gästezimmer, neben dem
    Eierkocher und der supermodernen Kaffeemaschine. Technischer Komfort
    für meine vollberufstätigen Freundinnen aus der Großstadt! Sie würden sich in meiner
    gemütlichen “Großmutterküche” mit einem Elektroherd aus den 70 er Jahren, auf dem schon Oma ihre Gerichte kochte, nicht wohlfühlen. Ich selbst brühe meinen Kaffee
    “von Hand” mit Filter und das drei – Minuten – Ei wird im kleinen Henkeltopf, fast immer
    für mich gerade richtig, zubereitet. Vorteil ist, ich habe bei Besuchen meine Küche
    für mich allein. Allerdings genieße ich und gebe das ungern zu, bei Besuchen meiner Lieben ihre hochmodernen Küchen. Wieder zu Hause in meinem alten Haus angekommen, trinke ich zeitnah nach Ankunft, meinen ersten von Hand gebrühten
    Filterkaffee.

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