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Königinnen der Oranienstraße

Von Juliane Brumberg

Nun liegt es also vor mir, leuchtend orange und pink, fast im Prinzessinnenlook, das Buch „Königinnen der Oranienstraße“. Unsere Kollegin Heike Brunner hatte immer wieder von diesem Herzensprojekt erzählt, aber so richtig vorstellen konnte ich mir nicht, über was sie da schrieb.

Was mich immer interessiert, sind Bücher zur Frauengeschichte vor Ort und tatsächlich hat Heike hier nicht nur Frauengeschichten erzählt, sondern auf ganz originelle Weise Frauengeschichte dokumentiert, denn fast alle Kapitel ihres Buches beginnen im vorigen Jahrhundert. Darin lässt sie Ladenbesitzerinnen zu Wort kommen, die oft schon seit den 1990er Jahren in der Oranienstraße in Berlin-Kreuzberg ansässig sind. Sie befragt sie zu ihrer Selbstständigkeit, zu den Produkten, die sie anbieten, zur Stimmung in diesem speziellen Berliner Kiez und wie sie sich über die Jahrzehnte verändert hat. Für mich war es spannend, auf diese Weise ein Gefühl für die alternative und gut-nachbarschaftliche Atmosphäre eines Stadtviertels zu bekommen, über das ich in den Nachrichten eher von Hausbesetzungen und brennenden Autos gehört hatte. Jede einzelne Geschichte habe ich gerne gelesen, sie erzählen von einer bunten Mischung kleiner Lädchen oder Studios, die so originelle Namen haben wie „Rote Lippen Naturkosmetik“, „Mondlicht-Buchhandlung“, „Chocolateria Sünde“, „Grüne Papeterie“, „O-Ton Keramik“ oder „Fadeninsel“.

Das Wichtigste bei der Selbstständigkeit, sagen die Ladenbesitzerinnen übereinstimmend, sei die Liebe zu ihrem Produkt oder ihrem Projekt. Ohne diese würden sie die Verantwortung, die viele Arbeit, den wenigen Urlaub und letztlich den mittelmäßigen Verdienst nicht auf sich nehmen. Was sie fast alle gar nicht mögen, sind Supermärkte, Ketten-Läden oder die Konkurrenz durch das Internet. Ihre Läden in den alten Berliner Mietshäusern mit den hohen Decken sind eher klein und sehr individuell eingerichtet und ausgestaltet. Das zeigen auch die wunderbaren farbigen und schwarz-weißen Fotos, auf denen Heike Brunner die Ladenmacherinnen an ihren Arbeitsplätzen abgelichtet hat. Königinnen der Oranienstraße nennt sie sie und will damit ihren Respekt vor diesen selbstständigen Frauen ausdrücken. Der Name der Straße bezieht sich auf das holländische Fürstentum Oranien und erklärt auch das in orange gehaltene Cover des Büchleins.

Größte Sorge bereitet fast allen Frauen einschließlich der Autorin die zunehmende Gentrifizierung, die häufig mit Kündigungen und drastischen Mieterhöhungen einhergeht. Von der Höhe der Miete hängt es ab, wie lange die Ladenbesitzerinnen ihr Geschäft noch weiterführen können. Wermutstropfen für mich persönlich ist, dass ich das Buch noch nicht kannte, als ich im Frühsommer einige Tage touristisch in Berlin unterwegs war. Zu gerne würde ich mit diesem Buch in der Hand durch die Oranienstraße bummeln und vor Ort in die Geschäfte der Ladenmacherinnen schauen.

Heike Brunner, Die Königinnen der Oranienstraße, epubli 2022, ISBN 978-3756547258, 92 Seiten, 25 Euro.

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