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Aus dem Leben einer jungen Frau

Von Adelheid Ohlig

Zu viel denken = grübeln. Wo führt das hin? In die Absurditäten des modernen Lebens. Nina Kunz, Jahrgang 1993, beschreibt in ihren Kolumnen für das Magazin des “Tagesanzeigers”, der “Zeit”, wie sich das Leben einer jungen Frau anfühlt, welche Gedanken ihr durch den Kopf gehen, wie sie von ihrem Smartphone beherrscht? getrieben? abgelenkt? wird – oder eben auf neue Ideen gelenkt wird.
Diese Kolumnen fasste der Verlag Kein&Aber in einem Buch zusammen.  Schon die Titel locken: Wursteln, Summa cum gaudi, Kontrollsimulation, Happychonder, Seitentriebe, Newstalgia…
Vielfach wurde Kunz durch ihre intensive Leselust angesprochen, auf eigene Gedanken gelenkt. Es ist alles immer vielfältig, endlos können die Gedanken abschweifen – doch gelingt es Kunz ihre Überlegungen gezielt einem Ende zuzuführen. Meist einem guten, auch wenn in den Zwischenräumen Depressives, Frustriertes, Belangloses, Langweiliges auftaucht. Der langen Weile gibt sie Raum, denn darin tauchen Gedanken auf, die weiter führen, Neues eröffnen.

„30 Texte zur Gegenwart“ wirbt der Verlag auf dem Umschlag. Ja, so ist sie unsere gegenwärtige Welt und dank der freien, flotten, frischen Sprache der Autorin, komme auch ich als Leserin auf andere Gedanken. Auf gut zwei Seiten beispielsweise stellt Kunz die Donut-Ökonomie der britischen Ökonomin Kate Raworth dar: wir brauchen eine Wirtschaft, die unser Wohlergehen fördert, unabhängig davon, ob sie wächst oder nicht. (S.141) Der innere Ring des Donut steht für das Minimum an Grundrechten, der äussere Ring für die Grenzen der Natur. Anfangs wurde die Idee als utopisch belächelt, inzwischen gibt es Städte, die danach handeln wollen.

Auf 14 Seiten präsentiert Nina Kunz ihre Sommerlektüre: die zehn wichtigsten feministischen Bücher: sie wollte herausfinden, ob der Feminismus wirklich zu weit gehe, wie ihm gern vorgeworfen wird. Fazit: Ja! Und zwar ein zustimmendes, begeistertes «Ja, natürlich geht der Feminismus zu weit. All die Forderungen, die in diesen Büchern stehen, gehen zu weit. Die Entstigmatisierung von Sexarbeit, die Abschaffung der Geschlechterrollen, das Umdenken der Art, wie wir sprechen – all das sind utopische Forderungen. Noch…Denn nur so gibt es Veränderung.» (S. 132)

Diese das Bewusstsein bereichernde Lektüre spornt an.

Nina Kunz: Ich denk, ich denk zu viel, Kein &Aber, Zürich/Berlin 2021, 189 Seiten, 20 €.

Autorin: Adelheid Ohlig
Redakteurin: Juliane Brumberg
Eingestellt am: 23.09.2021

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