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Rubrik Blitzlicht

“Aber es ist doch Frieden” …

Von Dorothee Markert

Wandbild in Tel Aviv, Foto D.M. 2019

Das sagte der orthodoxe Priester Av, mit dem ich bis heute auf Facebook befreundet bin. Meine Frau und ich hatten ihn gerade in einem palästinensischen Restaurant an der Jerusalemer Stadtmauer kennengelernt. 24 Jahre nach meiner ersten Israel-Reise hatten wir es 2014 endlich wieder gewagt, dieses faszinierende Land zu besuchen, obwohl die Gefahr von Terroranschlägen, die uns so lange davon abgehalten hatte, weiterhin bestand. Av stammt aus einer jüdischen Familie in der Ukraine, die 1941 fast vollständig von Ukrainischen Nationalisten ermordet wurde, die Komplizen der Deutschen beim nationalsozialistischen Völkermord waren. Ich schämte mich, dass ich von dem brutalen Geschehen in der Schlucht Babi Jar bei Kiew noch nichts gehört hatte, als Av davon erzählte.
Am Abend, als wir zusammen mit jüdischen und arabischen Familien durch die Altstadt schlenderten, um die Video-Installationen anzuschauen, die auf historische Gebäude projiziert wurden, hatte ich eine zaghafte Vorstellung davon, wie das Leben in einer „Friedensstadt Jerusalem“ vielleicht einmal sein könnte.

Tel Aviv, Foto D.M. 2014


Am Tag vor unserem Abflug aus Tel Aviv wurden drei jüdische Religionsschüler im Westjordanland entführt und ermordet. Im daraus folgenden Gaza-Krieg schmerzte mich die Nachricht besonders, dass in Israel lebende palästinensische Familien auf die Dächer stiegen und über die Einschläge der Hamas-Raketen in ihrer Nachbarschaft jubelten, obwohl sie sich damit ja auch selbst in Gefahr begaben.


Ich bin froh, dass unsere Regierung Demonstrationen unterbindet, in denen der brutale Terroranschlag der Hamas auf junge Menschen bei einem Festival und auf jüdische Familien in der Grenzregion zu Gaza sowie die Geiselnahmen bejubelt oder gerechtfertigt werden. Und ich bin tieftraurig über all das Leid, das durch diese Taten entstanden ist und weiter entstehen wird.

Autorin: Dorothee Markert
Redakteurin: Dorothee Markert
Eingestellt am: 16.10.2023

Kommentare zu diesem Beitrag

  • Esther Gisler Fischer sagt:

    Liebe Dorothee
    Es war wohl auch damals kein Friede, wenn 2Mio Menschen in einem Freiluftgefängnis zusammengepfercht waren und ihr Anspruch auf einen eigenen Staat tagtäglich mit Füssen getreten wird!
    Deshalb bin ich noch nie nach Israel gereist und werde es wohl auch nie tun.
    Mlg. Esther.

  • Fidi Bogdahn sagt:

    “Kriege sind große Empathie-Auslöser, sie funktionieren anders als Naturkatastrophen. Bei Naturkatastrophen fragt man sich, ob man das selbst sein könnte. Bei Kriegen funktioniert es über Parteinahme. Menschen entscheiden sich schnell für eine Partei…“ (aus SZ am 16.10.23)

  • Jutta Pivecka sagt:

    Manchmal ist es ein Gebot der Menschlichkeit Partei zu ergreifen. Angesichts des Massakers an über 1400 Israelis, der grauenvollsten Tat gegen jüdische Menschen seit der Shoa, halte ich das für unbedingt notwendig. Die Hamas führt keinen Krieg. Ihr einziges Ziel ist die Auslöschung der Jüdinnen und Juden. Wer da keine Partei ergreift, der sollte jedes “Nie wieder!” und jedes “Gemeinsam gegen Rechts” in Zukunft im Hals stecken bleiben, finde ich. https://gleisbauarbeiten.blogspot.com/2023/10/am-israel-chai-das-buch-zur-stunde-ist.html

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